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Lifestyle

15. April 2022

TIPPS

hilfreich oder nervig?

Von Jenny Hoffmann

(Fotografie: Ljupco Smokovski)

Tipps zum Sparen, zum Einschlafen, zum Abnehmen, gegen Langeweile.

Tipps, wie man Freunde findet oder sie loswird, Tipps für bessere Beziehung, vegane Ernährung, perfektes Leben und unendlich mehr… Man wird von zahlreichen Tipps überrollt und ist manchmal ratlos. So ging es mir, als ich in Deutschland neu war.

In meiner Heimat waren die Leute immer skeptisch, wenn es um Meinungen von Anderen ging. „Gib keinen Tipp, wenn keiner dich darum gebeten hat.“ – so die Volksweisheit. Jeder wusste ohnehin, was man zu tun hat und wie man alles macht. Es gab klare Regeln, denen alle folgen mussten. Wie man den richtigen Partner findet, ein Haus baut oder Flecken entfernt.

Tipps für die Hautpflege und Mode konnte man damals nur in den verbotenen westlichen Magazinen entdecken. In Russland waren sie aber nicht hilfreich. Man benutzte und trug das, was gerade zu kriegen war. Man stellte sein Outfit zusammen aus dem, was die Läden so zu bieten hatten. Es war wirklich sehr überschaubar und hatte wenig mit der Mode zu tun. Wer es konnte, schneiderte seine Kleidung selbst, nach dem Vorbild der Mode aus dem Westen.

Also kam man damit klar, was man hatte und machte das Beste daraus. Man gab sich gegenseitig Tipps und Ratschläge, die man an sich erprobte oder von Bekannten wusste. Und wenn etwas schieflief, gab es die gute alte russische Methode – einfach draufhauen. Und es funktionierte tatsächlich. Naja, fast immer. Und meistens bei den Handwerkern.

Jetzt hat sich bei meinen Landsleuten natürlich Einiges geändert und es gibt mittlerweile Haufen Tipps für jede Notsituation – zum Beispiel, wie man den echten Kaviar unterscheidet, wo es im Urlaub die besten Cocktails gibt oder welche Diamanten man zum Frühstück tragen soll. In den sozialen Netzwerken wird man von Tipps überwältigt. Viele Russen sind von dieser Freiheit und so vielen Möglichkeiten total überfordert.

Für die Deutschen war es jedoch immer normal, so viel Vielfältigkeit zu haben. Die vielen Tipps zeigten den Leuten verschiedene Richtungen. Jeder konnte sich für etwas entscheiden, was ihm so am Herzen lag. „Wenn ich dir einen Tipp geben darf“ – Bei dem Satz würden viele Russen schon mit den Zähnen knirschen. In den Ohren jedes Deutschen klingt er jedoch willkommen. Eine ganz normale Sache, einen Ratschlag zu erteilen. Es muss natürlich zur Situation passen, sonst können auch hier den Ratschlägen die Schläge folgen.

Den Tipps zu folgen oder selbst für sich zu entscheiden – jeder hat die Wahl. Wer einen Rat sucht, findet ihn immer. Dafür haben wir jetzt das Internet und die wunderbaren Suchmaschinen. Das Schwierige ist es dabei, sich in Haufen von Tipps nicht zu verlieren. Und was man eigentlich gesucht hat.

10 Tipps für den Umgang mit Deutschen

Immer Termine ausmachen! Und am besten frühzeitig. Egal, ob beim Arzt oder mit Freunden ein Bier trinken. Spontanität wird von den Deutschen nicht so sehr geschätzt. Regeln beachten! Und davon gibt es hier mehr als genug. Immer schön brav bei Grün über die Straße gehen. Auch wenn es mitten in der Nacht ist und keine Autos in Sicht sind.

Alles ernst nehmen! Der deutsche Humor ist speziell. Man weiß nie so richtig, ob ein Deutscher einen Witz macht oder es todernst meint. Also vorsichtshalber alles wortwörtlich verstehen, als zu früh lachen.

Immer pünktlich kommen! Wirklich immer. Auch zu einem Kaffeeklatsch. Sonst werden die Leute ziemlich sauer. Andererseits sagt niemand was, wenn man zu früh kommt. Der Spruch „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ wird in Deutschland selbstverständlich ernst genommen.

Beim Anstoßen unbedingt in die Augen gucken! Bei jeder Feier wird es mit Bierflaschen angestoßen und darauf geachtet, jedem dabei in die Augen zu gucken. Sonst hat man sieben Jahre schlechten Sex. Das will doch keiner!

Ruhe bitte! Besonders nach 22 Uhr und am Sonntag, weil es für die Deutschen ein heiliger Tag ist, an dem sie mit den Großeltern zum Brunch gehen und anschließend alle einen schönen Verdauungsspaziergang machen. Und alles schön mit der Ruhe.

Toleranz zeigen! Man sollte sich nie kritisch gegen Migranten, Veganer, Homo-Ehe oder sonst noch was äußern. Es kann schnell peinlich werden, wenn deine Meinung mit verständnislosen Blicken und Kopfschütteln angenommen wird.

Sich einen Hund anschaffen. Wenn man das höchste Integrationslevel erreichen möchte, holt man sich einen Hund. Oder noch besser zwei. Hundeliebe ist in Deutschland genauso groß wie die Liebe zum Fußball.

Hilfsbereitschaft zeigen! Auch wenn man es eigentlich nicht so meint. Die gute Absicht zählt. Selten kommt es dazu, die Hilfe tatsächlich zu leisten.

Deutsch lernen! Ohne die Leute richtig zu verstehen, kann man sich schlecht im Leben zurechtfinden und ist auf Hilfe Anderer angewiesen. Sprache ist der Schlüssel für den guten Umgang mit Menschen.

Jenny Hoffmann

Lehramtsstudium Deutsch als Fremdsprache an der Pädagogischen Universität der Stadt Moskau. Magistra Artium der Germanistik an der Universität Magdeburg. Seit 2003 in Deutschland lebend. Zuletzt Lehrerin für Integrationskurse an der Oskar-Kämmer-Schule. Aktuell Lehrerin für Deutsch als Muttersprache und Deutsch als Fremdsprache an einer Schule in Peine.

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