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Lifestyle

20. September 2024

The BossHoss – starke 20 Jahre

Die Hauptstadtcowboys von The BossHoss würdigten diesen Sommer ihr zwanzig Jahre währendes Bühnendasein und zogen unter dem Motto Twenty F**king Years quer durch Deutschland und bis nach Österreich und die Schweiz.

Von Simon Henke

The BossHoss

(Fotografie: Pascal Buenning)

Mit dem Rückenwind zweier Nummer-1-Alben ihres Crossovers aus Country, Punkrock, Blues, 60s Garage und Rockabilly gastierte die siebenköpfige Band auch beim Bad Harzburger Yellow Jockey Open Air. Die zwei vorstehenden Band-Sherrifs Alec „Boss Burns“ Völkel und Sascha „Hoss Power“ Vollmer sind darüber hinaus in den letzten Jahren auch für ihre anderweitige Medienpräsenz einem breiten Publikum bekannt geworden: Als Juroren und Coaches in Musikformaten wie „The Voice“ oder „Sing meinen Song“ haben die beiden ihre Duftmarken hinterlassen.

Nach den Eindrücken des Bad Harzburger Auftritts traf Simon Henke den Sänger Alec zum Interview. Wie zäh muss man sein im Musikgeschäft, was rät Alec den Schützlingen im Casting-Show-Teilnehmerfeld und wie steht‘s um die Männlichkeit im Cowboy-Ideal?

Stadtglanz Wie war’s auf der Galopprennbahn in Bad Harzburg?
ALEC: Eine Pferderennbahn als Konzert-Location ist definitiv nicht alltäglich, aber genau das hat seinen Reiz. Es ist sehr cool, an so besonderen Orten aufzutreten und ich glaube, wir haben da eine ziemlich gute Party hingelegt. Besonders die linke Seite des Publikums habe ich dann, denke ich, auch noch ganz gut ins Boot geholt – vor allem mit meinem kleinen Ausflug, als ich beim Crowdsurfen Bier holen gegangen bin. Das war schon eine lustige Aktion, und es hat einfach gepasst. Wir versuchen immer, eine gewisse Spontaneität zu bewahren. Bei aller Inszenierung und einer ähnlichen Setlist, ist es uns wichtig, Variationen und spontane Momente von Gig zu Gig einzubauen. Wir quatschen ja auch viel auf der Bühne, und das ist meistens gar nicht groß geplant, sondern passiert einfach in dem Moment. Mir persönlich liegt es am Herzen, dass es Entertainment bleibt. Ich kenne das ja auch von Konzerten anderer Bands, bei denen ich selbst im Publikum stehe. Wenn eine Band nur stur ihr Set runterspielt und kaum mit den Leuten interagiert, finde ich das schnell langweilig. Für mich ist es immer geil, wenn man eine Verbindung mit dem Publikum aufbaut und wirklich interagiert.

Stadtglanz Dabei warst du gesundheitlich nicht in Bestform oder?
ALEC: An dem Tag ging es mir wirklich mies. Ich hatte die Nacht davor Grippe bekommen mit Schüttelfrost und fühlte mich richtig übel, aber sobald man auf der Bühne steht, zählt das einfach nicht mehr. Das ist irgendwie Teil unseres Selbstverständnisses. Wir geben wirklich jeden Abend 120 Prozent, als wäre es das wichtigste Konzert überhaupt. Das klingt vielleicht abgedroschen, aber es ist uns ernst. Wir machen seit über 30 Jahren Musik, und das nicht immer mit Erfolg. Es gab viele Jahre, in denen wir in eher unbekannten Bands gespielt haben und nichts wirklich vorwärtsging. Umso dankbarer sind wir heute für das, was wir mit BossHoss erreicht haben. Deshalb nehmen wir jede Show ernst. Die Leute, die kommen, warten oft monatelang auf das Konzert, geben viel Geld dafür aus – trinken ein paar Bier, kaufen ein T-Shirt, und da kommen schnell nochmal 60 Euro oder mehr zusammen. Diese Leute haben es verdient, dass wir ihnen die beste Show liefern, die wir können, egal wie es uns geht. Manche denken vielleicht: ,Ich spiele diesen Sommer 30 Shows, da kann ich auch mal einen schlechten Abend haben.‘ Aber so sehe ich das nicht.

Jeder einzelne Besucher soll eine gute Zeit haben – und wenn auch nur einer sagt, es war nicht so toll, nagt das an mir. Ich will zumindest sagen können, dass ich alles gegeben habe. Wenn es dann trotzdem nicht klappt, ist das in Ordnung – aber ich will das Gefühl haben, mein Bestes getan zu haben."

 

Stadtglanz Da könnte man jetzt sagen, du gehst nicht besonders achtsam mit dir selbst um. Wo verläuft da der schmale Grat zwischen Pflichtbewusstsein und Selbstausbeutung?
ALEC: Ja, das ist auf jeden Fall eine berechtigte Frage, und es steckt auch viel Wahres darin. Natürlich sollte man grundsätzlich auf sich achten. ,Viel geben' bedeutet für mich aber nicht, sich für andere aufzuopfern oder sich selbst zu verleugnen, weil man meint, stark sein zu müssen. Schwach sein, traurig sein oder auch mal nicht zu funktionieren, das ist für mich kein Tabu. Im Gegenteil, das ist menschlich, und ich versuche solche Werte auch meinen Kindern zu vermitteln. Es geht nicht darum, immer stark zu sein und Schwäche zu verdrängen. Wenn ich auf der Bühne stehe, ist das für mich aber ein anderer Kontext. Das ist meine Leidenschaft, mein Lebenselixier. Auch wenn ich mal unmotiviert bin oder denke, es wird ein anstrengender Abend, passiert oft nach ein paar Songs etwas Magisches – die Energie der anderen auf der Bühne und im Publikum zieht mich einfach mit. Dann gebe ich alles, und das ist nicht unbedingt Selbstausbeutung, sondern ein Teil von dem, was mich antreibt. Ich finde es in diesen Momenten okay zu sagen: ,Zieh durch.' Nach der Show ist dann Zeit, um runterzufahren und sich zu erholen.

Stadtglanz Euer Image als Cowboys wirkt auf manche vielleicht ein bisschen aus der Zeit gefallen, oder?
ALEC: Ja, das höre ich öfter – dass BossHoss so ein bisschen Oldschool-Männlichkeit und Cowboy-Klischees zelebriert. Aber das sehe ich ehrlich gesagt anders. Ich verstehe, wenn das oberflächlich so rüberkommt, aber ich finde, das greift zu kurz. Von der Gründung bis heute steckt in allem, was wir tun, viel Ironie. Dieses Cowboy-Ding ist mit einer ordentlichen Portion Humor entstanden, wir sind ja keine Typen, die im Prenzlauer Berg in jeder Kneipe die Stiefel auf den Tisch hauen. Das sind Kunstfiguren, mit denen wir bewusst spielen. Natürlich bedienen wir Klischees, aber immer mit einem Augenzwinkern. Trotzdem steckt da auch viel von uns drin – wir lieben diese Ästhetik und die Musik und haben daraus unseren ganz eigenen Sound entwickelt.

Stadtglanz Warum das Wild-West-Thema und kein anderes Kostüm?
ALEC: Das Cowboy-Image ist eigentlich mehr durch Zufall entstanden. Wir hatten nach einem langen Abend die Idee, mal Country-Songs auszuprobieren, einfach zum Spaß. Ich komme eher aus der Metal-Ecke, und Sascha war eher im Rockabilly unterwegs. Country war so eine Art Schnittmenge. Wir dachten uns, es wäre doch witzig, mal Pop-Songs wie die von Britney Spears oder Outkast in Country-Versionen zu verwandeln, die so klingen, als wären sie die ursprünglichen Originale. Um das auf die Bühne zu bringen, war klar, dass wir uns nicht einfach im T-Shirt hinstellen und sagen können: ,Hey, wir haben hier mal eine Country-Cover-Idee.' Also dachten wir, ziehen wir das richtig durch – Hüte, Cowboy-Stiefel, große Gürtelschnallen. Endlich mal die Gelegenheit, billige Boots aus Schlangenlederimitat anzuziehen. Da war viel Humor und Reibung drin und wir und ich lieben einfach diese große Rock'n'Roll-Show mit Gitarren-Solos und den ganzen Gesten auf der Bühne – das fand ich schon immer geil, schon bei Jimi Hendrix. Dafür haben wir uns ja auch Künstlernamen – Boss Burns und Hoss Power gegeben.

Das zeigt schon, dass es eine klare Trennung gibt zwischen der Kunstfigur und unserem privaten Ich, was uns die Möglichkeit gibt, in dieser Rolle auf der Bühne mal richtig die Sau rauszulassen, denn: Privat mache ich das nicht, wenn ich im Supermarkt stehe, da brülle ich niemanden mit ,Rock'n'Roll, du Sau!' an.

 

Stadtglanz Ihr tourt jetzt seit 20 Jahren. Der Blick auf das männliche Idealbild hat sich seither ziemlich verändert…
ALEC: Absolut, und das ist auch gut so. Es wäre komisch, wenn sich in zwei Jahrzehnten nichts getan hätte. 20 Jahre sind eine lange Zeit, und auch wir haben uns weiterentwickelt. Wenn wir heute von Null anfangen würden, bin ich mir nicht sicher, ob wir das Cowboy-Image genauso aufbauen würden wie damals. BossHoss hat sich über die Jahre auch mit uns verändert. Am Anfang war das alles noch viel mehr ein humorvolles Spiel mit Klischees. Heute sind wir auf der Bühne vielleicht mehr Alec und Sascha als die Kunstfiguren Boss Burns und Hoss Power. Wichtig ist, dass das alles immer im richtigen Kontext stattfindet – und solange das so ist, kann man das auch ruhig machen."

Stadtglanz Wie siehst du das ganze Thema Image im Zusammenhang mit den Skandalen um Till Lindemann und Rammstein? Auch da wurde viel mit der Kunstfigur argumentiert, und dann kommen da Sachen ans Licht…
ALEC: Ja, das ist wirklich schade und eine sehr schwierige Angelegenheit, die ich auch ungern beurteile, weil man nie alles genau weiß. Rammstein hat ein Image so wie Gangster-Rapper auch eines haben, wenn sie davon singen, wie sie Frauen klarmachen, fette Autos fahren und kiloweise Koks im Kofferraum haben. Dass die privat wohl nicht so leben, ist ja klar. Es ist eben eine Rolle. Aber wenn sich dann herausstellt, dass im echten Leben doch fragwürdige Dinge passieren, ist das natürlich heikel und alles andere als cool.

Stadtglanz Wie blickst du im Hinblick auf die heutige Sensibilität auf euren Output der letzten Jahre?
ALEC: Man denkt heute definitiv mehr darüber nach, dass nicht alles völlig unkritisch aufgenommen wird. Früher hat man einfach gemacht, bestimmte Klischees ausgelebt, gefeiert und gedacht: ,Was soll's, ist doch geil.' Der Zeitgeist hat sich aber verändert, und das finde ich in vielen Bereichen gut. Man kann nicht mehr einfach platt Klischees bedienen und sagen: ,Geile Frauen im Bikini, Party, saufen, yeah.' Das wäre mir heute viel zu flach. In den 1980ern hat man das gefeiert, so in der Zeit von Guns N'Roses oder Mötley Crüe, wo es um wilden Exzess ging. Heute ist man da sensibler, und das ist auch richtig so, weil viele dieser Bilder einfach aus der Zeit gefallen sind.

Stadtglanz Wie gehst du als Juror und Vater damit um?
ALEC: Meine Kinder sind noch sehr klein – 8 und 3 Jahre alt – und gesellschaftspolitische Themen spielen bei denen noch keine große Rolle. Aber ich glaube, dass unsere Erziehung sie so prägt, dass sie mich dahingehend später nicht infrage stellen werden. Im Musikgeschäft hat sich seit unseren Anfangstagen vieles verändert. Früher ging es darum, CDs zu machen, Alben zu promoten und dann auf Tour zu gehen. Heute ist es eher so, dass du auf Tour gehst und das Album deshalb machst, um die Tour zu bewerben. Radio war früher entscheidend, jetzt dominiert Social Media. Das ist manchmal echt nervig, weil man als Künstler so viel Zeit in seine Online-Präsenz investieren muss. Früher konntest du dich darauf konzentrieren, gute Musik zu machen und deine künstlerische Identität zu entwickeln.

Heute schauen Plattenfirmen zuerst auf deine Reichweite. Das ist eine Herausforderung, und ich rate immer jedem, sich nicht verrückt zu machen. Konzentriere dich auf das, was du wirklich tun willst: Musik machen. Social Media ist wichtig, aber es sollte nicht den Großteil deiner Energie verbrauchen.

 

Stadtglanz Was ist Stärke für dich?
ALEC: Stärke bedeutet für mich, möglichst authentisch bei sich selbst zu bleiben. Es geht darum, auf sich zu hören, seinen Gefühlen, Wünschen und vor allem seinen Werten zu folgen. Insgesamt sollte man das Leben genießen. Ich glaube auch, dass man sich beispielsweise nicht ständig nur mit dem Gedanken beschäftigen sollte, ob etwas gesund oder ungesund ist. Es ist vielmehr wichtig, sich auch mal loszulassen und Spaß zu haben. Wenn man Freude am Leben hat und glücklich ist, wird der Rest schon klappen.

Stadtglanz Wer ist der größte Country-Musiker aller Zeiten?
ALEC: Ganz spontan muss ich schon sagen: Johnny Cash. Einfach ein unglaublich einflussreicher Musiker, sehr gute nicht überkomplizierte Songs und immer starke Texte. Außerdem war er ein verdammt cooler Typ. Die amerikanische Country-Musik kann manchmal sehr volksmusikhaft und glatt wirken, gerade zu seiner Zeit war das so. Cash war alles andere als bieder und ein echter Outlaw in diesem Genre. Für mich ist er der Inbegriff des Country-Rock'n'Rollers."

Stadtglanz Was steht jetzt nach der Tournee an bei euch?
ALEC: Nach der Tournee liegt der Fokus auf unserem neuen Album. Wir feiern ja 20-jähriges und werden ein Jubiläumsalbum veröffentlichen, eine Hommage an unser erstes Album, das alles ins Rollen gebracht hat. Ein bisschen ,Back to the Roots' also und das ursprüngliche Feeling einfangen. Wir freuen uns schon mega darauf, das Ding zu veröffentlichen.

 

 

 

 

 

 

 

 

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