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Kultur

11. Juli 2024

Quo vadis Museum?

Warum wir Museen brauchen – heute mehr denn je

Von Dr. Christian Lechelt

(Bild: AdobeStock / scusi)

Wider den Gestank von rechts. Museen sind lebendige Orte der Demokratie, Vergewisserung und Diversität.

Ist Ihnen nicht auch – entschuldigen Sie den vulgären Ausdruck – manchmal zum Kotzen? Man schlägt seine Zeitung(en) auf, ob noch klassisch in Papierform oder man scrollt sich online durch die Schlagzeilen, und blickt jeden Tag in die mittlerweile leider wohlbekannten Gesichter rechter bis rechtsradikaler Politiker:innen. Wie schön waren doch die Zeiten, als wir mit zugehaltener Nase auf andere Länder zeigen konnten, in denen neofaschistische Ekelhaftigkeit bereits zum politischen Alltag gehörte. Seit sieben Jahren müssen wir die permanenten Ausfälligkeiten der AfD im Bundestag ertragen und beobachten, wie rechtsextremes Gedankengut immer weiter und tiefer in die Gesellschaft hineintröpfelt. Wie können die Quellen dieser populistischen Inkontinenz, all die Weidels, Höckes, Krahs und Chrupallas eigentlich in den Spiegel schauen? Und wie sind sie so geworden? Aus Kalkül? Aus Ignoranz? Aus Dummheit? Oder gar aus echter Überzeugung?

Gerne nehmen diese Exponent:innen des Widerwärtigen für sich in Anspruch, die Gralshüter deutscher Kultur zu sein. Sie heucheln Expertise und versuchen mit jämmerlichen Phrasen Bildungsbürgerlichkeit vorzuführen – scheitern aber schon daran, auch nur einen Vers eines beliebigen Gedichts von Goethe zitieren zu können. Oder aber, und das ist noch viel schlimmer, sie exegieren ein Faktenwissen jenseits von wissenschaftlichem Konsens und Kenntnisstand, um auf diese Weise ihre alternative „Hellsichtigkeit“ auszustellen. Was nicht passt, wird passend gemacht.

Mir kommt es so vor, als wären diese Personen und ihre Claquere und Speichellecker nie mit offenen Augen in einem Museum gewesen. Denn sonst wüssten sie, dass ihre „einfachen Wahrheiten“ nichts anderes sind als leeres Gewäsch, Geschichtsklitterung und geistige Armut – oder brandgefährlicher Zynismus. Denn was wir in unseren Häusern zeigen und vermitteln ist die schwierige, anstrengende, verworrene, aber genauso auch strahlend schöne Komplexität menschlichen Lebens zu allen Zeiten. Eine heroische oder goldene Vergangenheit wird nur in der Rückschau konstruiert, gegeben hat es sie nie. Zu jeder Licht- gehört stets eine Schattenseite. Dessen sind wir uns heute – eigentlich – immer bewusst. Und deshalb brauchen wir unsere Museen nötiger denn je, weil wir mit jedem Objekt, das dort bewahrt wird und dem wir unmittelbar gegenübertreten können, Hinweise auf seinen Kontext erhalten, ob zeithistorisch, kulturell oder politisch und so weiter. An jedem Artefakt ist die Vielfalt menschlicher Existenz ablesbar und sie wird dadurch ein Stück weit mehr verständlich.

Als Fazit bleibt: Niemand wird gezwungen, ein Extremist oder eine Extremistin zu sein.

Dr. Christian Lechelt

Kunsthistoriker, Leiter des Museums Schloss Fürstenberg. Experte für die Kunst- und Kulturgeschichte des europäischen Porzellans vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Vizepräsident der Gesellschaft der Keramikfreunde e. V. und Redakteur der Zeitschrift KERAMOS.

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