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Lifestyle

6. August 2021

GenZ Outside & Gen Z Inside

Permanently Online – Permanently Connected

Von Harald Rau und Franziska Klinner

Outside

„Schön und erfolgreich sind immer nur einen Klick entfernt.“

POPC heißt die Abkürzung. Nicht geläufig? Dann hier noch einmal ausgeschrieben:
„Permanently Online – Permanently Connected“.

Auf Deutsch hört sich das nicht ganz so treffend an: „Immer online – immer verbunden“; vielleicht wäre es besser „immer“ durch „durchgängig“ zu ersetzen. Wie auch immer: Es scheint kaum begreiflich, wie diese Generation Z es schafft, wie sie den Druck aushält, durchgängig, eben permanent online zu sein und mit anderen im digitalen Austausch zu stehen; wie sie diese unglaubliche Fülle an Informationen und auf sie einprasselnden Reizen bewältigt: persönliche Nachrichten in Text-, Audio- oder Videoformat, Inhalte von verbundenen Menschen und Organisationen über die „Social Media Timeline“, journalistische Beiträge in Wort, Bild, Ton, unterhaltende YouTube-Videos, TikTok-Bewegtbildschnipsel, Live-Videos auf Instagram und Facebook, klassische TV-Inhalte oder Serien auf Streamingdiensten. Es steht außer Frage: Da wird das menschliche Hirn bis zum Äußersten beansprucht – und das kann am Ende nicht ganz ohne Folgen bleiben.

In der vorangegangenen Stadtglanz-Ausgabe haben wir mit den Vorurteilen aufgeräumt, haben die Generation Z so gezeigt, wie sie die Wissenschaft sieht:
Sie trinkt zwar weniger Alkohol, viele junge Menschen kämpfen jedoch mit geringem Selbstbewusstsein – der Grund hierfür liegt nicht allein in der allgegenwärtigen Präsenz des Schönen und Erfolgreichen in den sozialen Medien sondern auch im Erwartungsdruck, den Familie und Freundeskreis aufbauen. Zudem: Die Generation wird politischer – nicht im klassischen auf klar abgrenzbare Parteiideologien bezogenen Sinne, eher mit Blick auf die eigene Zukunft; Klimawandel, Meeresmüll, Bienensterben und Demokratieverlust. Diese heute zwischen 18 und 25 Jahre alten jungen Menschen sind darüber hinaus fleißig, suchen anspruchsvolle Jobs und fordern gleichermaßen deren soziale Verträglichkeit ein – dieser Fleiß hat seinen Preis: mehr Stress, mehr Depression und eine durchaus angstbesetzte Fokussierung auf Abschlussprüfungen. All dies haben wir ausführlich in der letzten Ausgabe anhand von Forschungsergebnissen belegt.

Zwei „Stadtglanz-Talks später sind wir alle noch schlauer! Wer noch nicht in die Podcasts hineingehört hat, sollte dies unbedingt nachholen. Im Talk vereinen sich die Lebensrealitäten der „Gen Z“ mit Erkenntnissen aus Psychologie und Kommunikationswissenschaft – und so bleibt hautnah mitzuerleben, wie diese Generation tickt. Franziska Klinner, Abiturientin aus Wolfsburg war bei beiden „Talks“ dabei, und sie bereichert ja auch diese Ausgabe (siehe Beitrag "GenZ - Inside" weiter unten).

Was aus den Gesprächsrunden mitzunehmen ist: Der genaue Blick auf POPC, auf das Konsumverhalten für Medieninhalte lohnt sich, um junge Erwachsene heute besser zu verstehen. Bezogen darauf bleibt klar zu sagen: Noch nie sind über Medien vermittelte Vorbilder den Menschen so nahegekommen, sie wirken nicht nur so wie Freunde, vielfach sind sie es sogar qua Definition. Da Freunde immer auch jene sind, die den eigenen Musik- oder Kleidungsgeschmack mitbestimmen, da Freunde oft genug wie Spiegelflächen genutzt werden, um sich selbst besser oder anders zu sehen, wird vieles, was einstmals exklusiv der analogen Welt vorbehalten war, plötzlich ins Digitale verschoben – mit allen Konsequenzen. Denn sozialmedial erzeugten „Spiegelbilder“ lassen sich eben deutlich besser polieren, was im Vergleich dann die eigene Existenz abzuwerten droht. Was man der Generation Z also empfehlen darf, vielleicht sogar empfehlen muss, sind Trainingseinheiten für stabile Selbstkonzepte – das ist vielleicht die größte Erkenntnis, die sich aus den Stadtglanz-Talks zur „Gen Z“ ergibt.

Es gibt viele mutige, selbstsichere, zukunftsorientierte und sehr sozial eingestellte Vertreterinnen und Vertreter dieser Generation, im Stadtglanz-Talk kommen sie zu Wort.
Wie sind sie so geworden, wie sie sind? Ein wesentlicher Teil der nicht einfachen Antwort darauf: Soziale Medien sind im Alltag nicht zu ersetzen – aber sie dürfen ihn nicht vollständig bestimmen, die dort erzeugten Bilder dürfen nicht übermächtig werden und Soziale Medien können und werden die Einbindung in Familienzusammenhänge und einen lebendigen „echten“ Freundeskreis nicht ersetzen. Vielleicht darf man auch deshalb sagen, dass die Covid-19-Pandemie aktuell ein großes Drama für diese Generation darstellt, denn gerade in diesen wichtigen Jahren der Adoleszenz fehlt die direkte, die persönliche und regelmäßige Auseinandersetzung mit der „Peer-Group“, mit den Gleichaltrigen.

Was bezogen auf die Mediennutzung noch zu sagen wäre?
Es gibt einen sehr wichtigen Aspekt, den eine Studie der kanadischen Kreativwirtschaft (ontariocreates.ca) aus dem Jahr 2020 vorbildlich herausgearbeitet hat und der zeigt, dass Kommunikation in und mit dieser Altersgruppe neu gedacht werden kann, darf und muss. Weil sie die klassischen Medien wie Zeitungen, Zeitschriften und serielles Fernsehen kaum mehr miterleben durfte, hat die Generation Z insbesondere wenig Bezug zur Verlagsbranche und auch wenig Hang zu bestimmten Uhrzeiten Fernsehprogramme einzuschalten. Weil die jungen Erwachsenen von heute keine Beziehung zum Ausgangsprodukt auf Papier aufbauen konnten, bleiben im Übrigen auch Angebote wie Digital-Abos von Zeitungsverlagen mehr oder weniger uninteressant, denn diese setzen ja weiter auf eingeübte Routinen der Mediennutzung. Im Gegenzug heißt das, der Flut an Informationsangeboten können viele nicht ausreichend Medienkompetenz entgegensetzen.

Was wir gemeinsam daran ändern können? Wir wissen heute: Die „Gen Z“ schätzt zur Bewältigung der Informationsflut Plattformen, nachvollziehbare Personalisierung und, es mag auch hier kaum überraschen: soziale Funktionen, wie beispielsweise Empfehlungen. Wichtig: Für gute, wertvolle und weiterbringende, qualitätsgeprüfte Inhalte sind diese jungen Menschen bereit, auch Geld zu bezahlen. Allerdings hat diese Bereitschaft klare Voraussetzungen: Bezahlte Inhalte müssen entweder bessere Qualität (das sagen 61 Prozent der in der kanadischen Studie Befragten) haben, und (beziehungsweise oder) ein besseres Erlebnis (56 %) und mehr Komfort (50 %) bieten. An der Generation Z zeigt sich also, wie Kommunikation über Medien langfristig funktionieren wird. Mitarbeiter der Ostfalia an der Professur für Kommunikationsmanagement arbeiten übrigens aktuell gerade an einer zukunftsfähigen Lösung für Plattformjournalismus. Der Name: Cluster – das Projekt hat, dies alles vorausgeschickt, beste Aussichten auf Erfolg. <
Harald Rau

 

Inside

„Ich ertappe uns dabei…
… wie auch wir nur unsere schönsten, glücklichsten und wertvollsten Momente im Netz teilen.“

Diese paradoxe Welt, in der wir leben, stellt uns immer wieder auf die Probe.
Auch für uns ist das Leben manchmal schwerer, als es scheint oder als wir zugeben wollen. Denn wo finden wir Platz für unseren Kummer und unsere Sorgen, wenn Angststörungen und Depressionen von älteren Generationen lediglich als „Luxusproblem“ angesehen werden? Oftmals werden aus der Sicht der Generation Z deren psychische Probleme von Älteren weniger ernst genommen. Schließlich „gab es ja so was früher nicht“. Ergibt Sinn – schließlich gab es „früher“ auch noch keine sozialen Medien. Dementsprechend stellt sich die Frage, ob diese Generationen unseren von Social Media verursachten Druck verstehen oder gar nachempfinden können.

Doch wie baut sich dieser Druck überhaupt auf?
Wir sehen tagtäglich Menschen auf Social Media, die für viele von uns eine Vorbildfunktion darstellen und ein scheinbar perfektes Leben führen – mit „perfektem“ Körper, „perfekter“ Familie oder im „perfekten“, luxuriösen Haus. Wir nehmen diese Menschen als überaus glücklich und erfolgreich wahr. Sie scheinen keine Sorgen haben zu müssen und keine Probleme zu bewältigen haben. Doch genau diese Sichtweise liefert den Grund, weshalb viele von uns an sich zweifeln, ihr Leben als nicht so wertvoll empfinden oder ihr Selbstwertgefühl verlieren. Wir vergleichen uns mit unseren Vorbildern und ärgern uns, wenn uns die Selbstzweifel überrennen. Ich ertappe uns dabei, wie auch wir nur unsere schönsten, glücklichsten und wertvollsten Momente im Netz teilen. Wie sollten wir es auch anders machen, wenn uns täglich gezeigt wird, dass nur die immer Schönen und Perfekten erfolgreich sein können? Wo bleibt dort Platz für Trost?

In unserem alltäglichen Leben werden wir mehr denn je von sozialen Medien, die wir als unsere Außenwelt wahrnehmen, beeinflusst.
Das Ziel ist es, sich von der Außenwelt inspirieren zu lassen und nicht entmutigt zu werden. Allerdings sind soziale Medien seit geraumer Zeit nicht mehr der Ort für Inspiration, sondern vielmehr der Platz für Vergleiche und Selbstkritik geworden. Ich habe gelernt, mich von den sozialen Medien nicht unter Druck setzen zu lassen. Mir ist bewusst, dass Fotos bearbeitet werden und vieles nicht der Realität entspricht. Doch besonders für jüngere Menschen stellt das Agieren in den sozialen Medien eine Gefahr für die mentale Gesundheit dar: Instagram, Facebook, Twitter und Co. dürfen keine Vergleichsgrundlage für die Generation Z sein und daher muss für mehr Aufklärung hinter dem Inhalt gesorgt werden.

„Aus meiner Erfahrung haben auch die glücklichsten Personen schlechte Tage, Wochen oder sogar Monate.“

Von uns wird viel erwartet.
Wir sollen in die Fußstapfen der vorausgehenden Generationen treten und etwas Großartiges kreieren. Ich ertappe uns dabei, wie wir probieren, möglichst keine Fehler zu machen. Doch woraus lernt man am meisten? Richtig! Aus Fehlern! Oder etwa nicht? Wir informieren uns viel, bemühen uns um gute Noten und haben einen strikten Plan, wie wir nach der Schule, dem Studium oder der Ausbildung weitergehen werden. Doch vielleicht ist die Qualität der Dinge nicht das Ziel, sondern der Weg. <
Franziska Klinner

Harald Rau

ist Publizist und Kommunikationswissenschaftler, nach 25 Jahren in Journalismus, Medienproduktion und Medienmanagement lehrt und forscht er als Professor für Kommunikationsmanagement an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Salzgitter.

Franziska Klinner

ist 19 Jahre alt und Abiturientin der Neuen Schule Wolfsburg. Im August 2021 wird sie ein duales Studium beim Land Niedersachsen in Hannover beginnen.

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