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Lifestyle

6. September 2016

Elektromobilität

Schwachsinn oder Schachzug?

Von Dr. Ralf Utermöhlen

Ein Bekannter sagte mir im Gespräch unlängst „Ich glaube nicht an diesen Schwachsinn mit den Elektroautos. Das setzt sich nicht durch.“ Ich musste schmunzeln über diese Aussage, die mir so weitsichtig wirkt wie das Kaiser Wilhelm II. zugeschriebene Zitat „Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung. Ich glaube ans Pferd.“

Elektromobilität wird aktuell viel diskutiert; Volkswagen hat als eine der Reaktionen auf den „Abgasskandal“ Elektroautos in den Fokus der Strategie genommen. Was also hat es auf sich, wem nützt es und für wen lohnt ein E-Auto?

„Es funktioniert wunderbar, es ist umweltfreundlicher, nicht teurer und das geräuscharme Fahren ist einfach angenehm.“

Zunächst: Ich glaube an die Zukunft der Elektromobilität. Sie ist aktuell die einzige technische Lösung, die großflächig funktioniert und im breitem Umfang bereits in der Lage ist, Verbrennungsmotoren als Antriebskonzept abzulösen – wenn auch bei veränderten Gebrauchseigenschaften eines Elektromobils im Vergleich zu einem Benzin- oder Dieselfahrzeug. Die Wasserstofftechnologie, also Wasserstoff als Antriebsenergie für einen Verbrennungsmotor oder eine Brennstoffzelle, funktioniert selbstverständlich ebenfalls, ist aber in der Entwicklung zur großflächigen Einsatzreife noch nicht soweit wie Elektromobilität und baucht eine komplexere Infrastruktur. Nach meiner Erwartung wird Wasserstoff künftig nur das seltenere, in besonderen Fällen benötigte Antriebskonzept. Und: Die Erzeugung von elektrischem Strom konkurriert im Gegensatz zu Biokraftstoffen nicht (beziehungsweise, um es korrekt auszudrücken: in wesentlich geringerem Umfang) um Flächen, die global oder regional auch zur Nahrungsmittelproduktion eingesetzt werden können.

Um E-Mobilität verständlich zu machen, muss ich Sie mit ein paar Zahlen quälen: Grundsätzlich sollte mit der Idee aufgeräumt werden, dass Elektrofahrzeuge per se energieeffizienter seien als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren.

Wenn ein Dieselfahrzeug auf 100 km Distanz 6 l Diesel verbraucht, dann sind das „über den Daumen“ 60 kWh Primärenergie, von welchen nur 40 %, also 24 kWh, als mechanische Arbeit auf der Straße geleistet werden.

Genauso viel Energie, nämlich 24 kWh, muss auch der Elektromotor auf die Straße bringen, um ein ansonsten baugleiches Fahrzeug 100 km weit zu fahren. Der Unterschied ist, dass der Elektromotor wegen des deutlich besseren Wirkungsgrades hierfür nur ca. 26 kWh Ladestrom benötigt. Wenn der Strom dann noch dazu – dies ist wesentliche Voraussetzung für die Sinnhaftigkeit – direkt mit regenerativem Strom gespeist wird, dann ist der Primärenergieeinsatz Null. Auf der Seite der Treibhausgasemissionen sieht es wie folgt aus: 6 l Diesel bedeuten bei dem anzusetzenden Faktor von 2,65 kg Kohlendioxid je Liter eine Emission von knapp 16 kg CO2. Je nachdem, ob man den Strom aus erneuerbaren Energien mit Null ansetzt oder die Gestehungsemissionen für die Anlage einrechnet, ist es Null oder etwas mehr als Null für die 26 kWh Strom.

Ein Elektrofahrzeug ist somit nicht per se energieeffizienter, aber es ist bei Ladung mit regenerativer Energie deutlich primärenergieeffizienter und emissionsreduzierter als herkömmliche Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Darüber hinaus können zahlreiche nachts nicht benutzte Elektrofahrzeuge als Zwischenspeicher für Strom aus regenerativen Energien dienen, wenn weniger Abnahme aus Industrie und Gewerbe erfolgt. Elektromobilität löst damit zu einem Teil das Gleichzeitigkeitsproblem der Energiewende zwischen regenerativer Erzeugung und Bedarf.

Das ist Ihnen zu technisch? Dann merken Sie sich Folgendes: Elektro­autos sind wichtig für Deutschlands Zukunft, denn sie nutzen eine inländische Energiequelle und das Geld für den „Sprit“ bleibt im Land. Sie sind emissionsarm an Treibhausgasen, Luftschadstoffen und deutlich leiser, was besonders innerorts bedeutsam ist.

Ein Gegenargument, das von vielen Skeptikern oft erwähnt wird, ist die Tatsache, dass Elektroautos viele Stoffe benötigen, die selten und teuer sind. Das Argument ist vorgeschoben, zum einen braucht man die gleichen Stoffe im ähnlichen Umfang für viele Zukunftstechniken, die niemand missen will; zum anderen sind sie grundsätzlich verfügbar und können aus den Fahrzeugen am Ende des Lebenszyklus auch zurückgewonnen werden, wenn man das will oder muss. Chemikerehrenwort!

Und die Nutzungseigenschaften? Aktuell stellt sich das wie folgt dar: „Zuhause“ bzw. an einer der öffentlichen Ladesäulen kann man über Nacht 30 – 40 kWh nachladen; das genügt für über deutlich 100 km Reichweite (ausreichende Batteriekapazität im Fahrzeug vorausgesetzt). Wer im Regelfall weniger als 100 km an einem Tag zurücklegt, ist damit auskömmlich bedient. Technisch geht heute bereits mehr. Das Model S des amerikanischen Anbieters Tesla Motors kann mit einer Leistung von 120 kW geladen werden; dies ermöglicht nach Firmeninformationen 270 km Reichweite nach ca. 30 Minuten Ladezeit. Das Beispiel zeigt, was technologisch bereits heute geht.

Porsche hat 2015 ein Konzeptfahrzeug vorgestellt, welches in noch kürzerer Ladezeit noch längere Distanzen ermöglichen soll. Wer im Regelfall unter 100 km, ab und zu aber mehr Distanz an einem Tag zurücklegt, ist mit einem Plug-in-Hybrid gut dran: Man fährt im Nahbereich elektrisch, aber wenn die Batterie leer ist, hat man einen vollwertigen Motor und 50 l Diesel an Bord. A&O ist die Möglichkeit zu laden – ein Elektroauto ohne Lademöglichkeit ist wie ein Diesel in einem Land ohne Tankstellen. Entweder zu Hause oder am Arbeitsplatz braucht man eine Steckdose. Eine normale 230 V-/16A-Dose genügt, aber ein Anschluss mit mehr Leistung ist hilfreich.

Vom ökonomischen Standpunkt lohnt es sich zu rechnen: Das Tanken bzw. Laden für 100 km Strecke kostet bei Diesel (7 l zu € 1,15 ) ca. € 8, beim E-Auto je nach Tarif (26 kWh zu 20 ct) nur € 5,20. Varianten rechne jeder selber. Je nach Fahrzeugpreis, Förderungshöhe der Anschaffungskosten und Markteintrittszuschüssen der Kfz-Hersteller kann ein E-Auto deutlich günstiger sein als ein Verbrenner.

Zuzugeben ist: Der Nutzer muss sich etwas umstellen, er muss öfter laden als tanken, aber dafür hat ein E-Auto eine eigene Faszination. Meine persönliche Prognose ist: In 10 Jahren ist ein Drittel der Fahrzeuge in Deutschland elektrisch, in 25 Jahren ist es Standard und die Reichweiten liegen über 600 km. Seien sie dabei, noch haben Sie die Chance, eines Tages erzählen zu können, zu den Pionieren gezählt zu haben. Für viele dürfte daher ein E-Auto ein kluger Schachzug und kein Schwachsinn sein, Ich selber nutze seit 2014 einen Plug-in-Hybrid und bin hochzufrieden.

Zusätzlich energieeffizienter sind Elektrofahrzeuge nur dann, wenn sie sich außer im Antriebskonzept auch in Gewicht, Rollwiderstand, Aerodynamik etc. vom Verbrennungsfahrzeug unterscheiden.

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