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Lifestyle

23. Februar 2022

Konsolidierung VS.  Aufstieg

Gibt es einen Plan B?

Von Florian Kula

(Fotografie: Eintracht Braunschweig)

Eintracht der Ausbildungsverein in Liga 3?

Die Eintracht hat sich im oberen Drittel der 3.  Liga etabliert mit Kontakt zu den Aufstiegsrängen. Die Zuschauer sind zurück im Stadion. Wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Saisonverlauf?

Peter Vollmann: Unsere sportliche Situation zeigt nach dem Sieg gegen Türkgücü München weiter in die richtige Richtung, dennoch haben wir nicht immer das Maximale, was möglich gewesen wäre, erzielt. Jeder kennt den anderen bis ins kleinste Detail, aus diesem Grund hängt vieles im Fußball von der Tagesform und den Fehlern ab. Beides hat erheblichen Einfluss auf das Endergebnis. Bei unserer Heim- und Auswärtsbilanz gibt noch eine zu große Diskrepanz, aber insgesamt sind wir mit der sportlichen Entwicklung der Mannschaft zufrieden. Trotz der schweren Heimniederlage gegen Viktoria Berlin zu Saisonbeginn hat das Team vieles daraus gelernt und für die weiteren Spiele mitgenommen. Die Mentalität ist gut, wenngleich die Mannschaft daran gemessen werden wird, welche Leistung sie unter Druck abrufen kann. Das Potenzial ist bei vielen, jungen Spielern vorhanden. Der Dezember wird viele schwere Spiele bringen, sodass wir danach noch ein deutlicheres Leistungsbild haben werden.

Wolfram Benz: Wir müssen betrachten, dass wir uns seit Beginn der Pandemie in einem stetigen Herausforderungsprozess befinden. Nach einer Saison vor leeren Rängen freuen wir uns wahnsinnig, dass unsere Fans wieder dabei sind, haben aber auch Verständnis für jeden, der aktuell noch nicht ins Stadion möchte. Leider ist die Corona-Pandemie mit ihrer Dynamik, ständig wechselnden Rahmenbedingungen und Einschränkungen noch immer nicht vorbei. Wir versuchen uns mit großem Aufwand dem bestmöglich zu stellen. Trotzdem sind wir von dem Fußballerlebnis, wie wir es kennen und lieben noch sehr weit entfernt. Wir müssen uns erneut auf Sitzverteilungen im Schachbrettmuster und Maskenpflicht bis zum Sitzplatz einstellen. Auch unser Mischkonzept aus 3G- und 2G-Plätzen muss möglicherweise durch die neue Coronaverordnung überarbeitet werden. Es bleibt für alle Beteiligten schwierig und die Verantwortung für die Kapitalgesellschaft mit bis zu 200 MitarbeiterInnen wiegt schwer.

Wie bewerten Sie die Vorkommnisse auf der letzten Mitgliederversammlung, bei der Eintracht-Präsident Christoph Bratmann keine Mehrheit bekam und sich das gesamte Präsidium folglich nicht erneut zur Verfügung stellte?

Wolfram Benz: Die Mitbestimmungsrechte der Mitglieder in unserem Verein, der viele aktive Abteilungen und ungefähr 2.300 stimmberechtigte Mitglieder hat, ist wichtig und ein hohes Gut. Ich möchte die Geschehnisse nicht persönlich bewerten, aber grundsätzlich ist die dadurch entstandene Unruhe gegenüber internen und externen Stakeholdern nicht förderlich. Wir benötigen in unserer derzeitigen Phase Vertrauen, Ruhe und Kontinuität. Wichtig ist daher, dass das alte Präsidium bis zu einer Neuwahl weiterhin voll handlungsfähig bleibt.

Sie sind nach dem Aufstieg in die zweite Bundesliga zur Professionalisierung der Vereinsstrukturen und strategischen Ausrichtung als Doppelspitze der Eintracht Braunschweig GmbH und Co. KGaA eingesetzt. Herr Benz, Sie waren vorher viele Jahre für die Abteilung Marketing/Sponsoring zuständig und Sie, Herr Vollmann als Sportdirektor engagiert. Wie hat sich seither Ihr Aufgabenprofil in der täglichen Arbeit verändert?

Wolfram Benz: Genau, ich bin mittlerweile seit über 15 Jahren für die Eintracht tätig und für unterschiedliche Bereiche verantwortlich. Als ich 2019 in einer sehr schwierigen Phase ins Amt berufen wurde, ging es zunächst um sportliche und wirtschaftliche Stabilität. Mit der Berufung von Peter Vollmann im September 2020 haben wir die Verantwortungsbereiche auf unsere beiden Schultern verteilt, doch aufgrund der direkten wirtschaftlichen Zusammenhänge stehen wir in einem ständigen und intensiven Austausch und arbeiten gemeinsam mit den Gremien daran, wie wir die Eintracht für die Zukunft aufstellen und positionieren. Während ich die Bereiche Kommunikation, Marketing, Vertrieb, Organisation und Finanzen verantworte, steht Peter komplett für das Sportliche und die dazugehörige Personalpolitik.

Peter Vollmann: Es handelt sich bei uns um eine bei vielen Profivereinen gängige Konstellation der Zusammenarbeit. Während ich auf die notwendigen Positionierungen im Spielerkader achte, behält Wolfram die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Blick. Wir spiegeln unsere Meinungen, diskutieren auch einmal kontrovers, um zielführende Entscheidungen zu treffen.

Wäre es wirtschaftlich vertretbar, im sportlichen Bereich eine Zielkorrektur zu verfolgen, indem die Wahrscheinlichkeit eines Aufstieges mit zwei, drei Winterverpflichtungen erhöht werden würde?

Peter Vollmann: Natürlich befassen wir uns immer und ständig mit unserem Spielerkader. Wie sind die Positionsentwicklungen? Welche Möglichkeiten gibt es im Winter oder im Sommer nachzusteuern? Derzeit sind wir mit unserem Spielerkaderzufrieden. Aber natürlich orientieren wir uns am Spielermarkt. Dennis Kruppke baut das Scouting ganz neu auf. Wir haben einen Spieler-Katalog für uns aufgestellt, der natürlich sportliche Daten berücksichtigt, aber hauptsächlich auch auf eigenen Beobachtungen und persönlichen Gesprächen basiert.

Wolfram Benz: Wir haben einen Zweijahresplan aufgestellt, der ist mit einer geplanten Einnahmesituation durchkalkuliert und durchfinanziert. Natürlich birgt jede Planung auch Risiken. Unser Ziel war es immer, auch in einer weiteren Drittligasaison wettbewerbsfähig agieren zu können. Damit ist nicht gesagt, dass wir nicht auf verletzungsbedingte Ausfälle reagieren könnten. Wir wollen nachhaltig und stabil wirtschaften.

Die Corona-Saison unter Ausschluss der Zuschauer*innen hat allen Beteiligten viel abverlangt. Dringend benötigte Einnahmen blieben aus. Welche Projekte und Zukunftsvisionen mussten deswegen und aufgrund des Abstieges in die dritte Liga erst einmal auf Eis gelegt werden? Welche direkten Auswirkungen hat es auf die Personalpolitik gegeben und wie hat sich sportlich das Anforderungsprofil der neuen Spieler verändert?

Wolfram Benz: Die vergangenen knapp zwei Jahre waren ein großer Kraftakt für alle Beteiligten. Wir müssen uns bei ganz vielen Menschen rund um den Verein bedanken – seien es Fans, Partner oder MitarbeiterInnen, die mit ihrer Solidarität und ihrem Einsatz dafür gesorgt haben, dass wir mit einem blauen Auge durch die Pandemie gekommen sind. Dennoch gibt es seit dem Abstieg 2018, verschlimmert durch die Corona-Situation, einen gewissen Investitionsstau insbesondere im Bereich der Mitarbeiterstärke oder beispielsweise auch bei geplanten Digitalisierungsprojekten.

Peter Vollmann: Nach dem Abstieg mussten wir ein Umdenken in der Personalpolitik vornehmen. Wir müssen an die Zukunft der Mannschaft denken und benötigen Spieler mit Leidenschaft, Charakterstärke und einem Identifikationsgrad mit dem Verein und der Stadt, auf der anderen Seite aber auch Jungs mit Entwicklungspotential, die die dritte Liga als Chance erkennen, sich für höhere Aufgaben mit der Eintracht in den Fokus zu spielen. Da wir schnell am Markt waren, haben wir neben einigen erfahrenen Spielern auch vielversprechende Talente verpflichtet, die zu unserem Ziel, bis 2023 in die 2. Bundesliga zurückzukehren, passen.

Im NLZ sind viele ehemalige Spieler als Trainer in der Verantwortung. Mit Marc Pfitzner und Dennis Kruppke ist die Transparenz zu den Profis hergestellt. Welche Ziele werden im NLZ verfolgt und wie soll sich die U23 entwickeln?

Peter Vollmann: Wichtig ist, dass wir unseren eigenen Weg gehen! Wir haben uns bewusst für den Erhalt einer zweiten Mannschaft entschieden, um in wirtschaftlich wieder besseren Zeiten unseren jungen Spielern eine adäquate Spielmöglichkeit anzubieten, wenn es noch nicht für die Nominierung in den Spieltagskader reichen sollte. Seit dieser Saison trainiert die „Zwote“ im NLZ und hat die direkte Anbindung an unseren Nachwuchs. Wir haben hier bewusst wichtige Trainerpositionen mit ehemaligen Spielern besetzt, die neben ihrer Strahlkraft und Identifikation auch fachlich alles wichtige mitbringen. Viele ehemalige Nachwuchsspieler haben sich gegen einen Oberligisten und für unsere zweite Mannschaft entschieden. Punktuell trainieren auch Jungs bei den Profis mit. Zudem haben drei Nachwuchsspieler im Sommer einen Profivertrag unterschrieben. Unser oberstes Ziel ist es, junge Spieler sowohl sportlich als auch in ihrer Persönlichkeitsstruktur auszubilden und die Durchlässigkeit zu den Profis zu erhöhen. Da spielt Marc Pfitzner als Bindeglied eine wichtige Rolle. Wir haben uns trotz des Abstiegs und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Fortbestand des NLZs entschieden. Der Einsatz von jungen Spielern wird über den Nachwuchsfördertopf auch wirtschaftlich belohnt und soll perspektivisch auch ausgebaut werden. In fernerer Zukunft könnten hier auch Transfererlöse wieder interessant für uns werden.

Heute habe ich auf einer Buslinie, der komplett die Eintracht als „Löwenkäfig“ verkörperte, den Slogan „Sei Mitglied der Eintracht-Familie“ gelesen. Wie wichtig ist Ihnen die regionale Identifikation der Fans und welche Potenziale sehen Sie noch im Marketing?

Wolfram Benz: Identifikation ist ganz wichtig, weil wir aus unserer Region unsere Kraft ziehen. Aber wir spüren im Fußball insgesamt, aber natürlich auch bei uns eine gewisse Distanz. Dafür gibt es sicherlich nicht die eine Ursache. Wir sind dabei, dies unter anderem auch über klassische Marktforschung zu analysieren. Zukünftig werden wir uns mit verschiedenen Maßnahmen noch mehr als bislang um jeden Fan bemühen. Wir sind auf mehreren Ebenen tätig beispielsweise auch durch nachhaltige Kooperationen mit den Vereinen und Schulen in der Stadt und der Region.

Die Fanbasis ist treu und träumt vermutlich vom direkten Wiederaufstieg. Duelle mit den Nordclubs Bremen, Hamburg und Hannover werden herbeigesehnt. Wie sehen Sie die kurzfristige, mittelfristige und langfristige Perspektive?

Peter Vollmann: Natürlich haben wir Visionen. Das ist ganz wichtig, sowohl für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber vor allem natürlich auch und gerade für unser Umfeld. Und diese Visionen dürfen und müssen auch hoch gesteckt und ambitioniert sein. Der Standort hat bewiesen, dass die Eintracht auch eine Spielklasse, vielleicht auch (mit einem Schmunzeln) zwei Spielklassen höher spielen kann.

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