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Die CRISPR Revolution
Warum diese Schlüsseltechnologie den mordernen Biowissenschaften neue Flügel verleiht
Von Prof. Dr. Klemens Rottner
Auch wenn Sie kein Biologe sind, nicht einmal Hobby-Gärtner und die Schlussfolgerungen Ihres Arztes nicht hinterfragen, so wollen wir Ihnen doch nahebringen, warum die CRISPR-Technologie unsere Handlungsspielräume in Bereichen wie Umwelt und Lebensmittelindustrie bis medizinischer Grundlagenforschung und Krebstherapie revolutionieren wird. Als Forschende möchten wir grundlegende Funktionsweisen der Natur verstehen und nutzen. Hier zeigt sich, welch elegante und effiziente Mechanismen die Evolution hervorzubringen vermag.
Ursprung der Technologie
CRISPR (englisch für Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) steht für einen wichtigen Bestandteil des bakteriellen Abwehrsystems (richtig gelesen: auch diese kleinen Mikroorganismen haben so etwas). Dieses dient vor allem der Abwehr von Bakteriophagen, also Viren, die Bakterien befallen. Spätestens seit Corona wissen viele von uns, was Viren tun und wie sie sich von Bakterien unterscheiden. Bakterien (Einzeller ohne Zellkern), Einzeller mit Zellkern und Mehrzeller (wie Tiere und Pflanzen) gelten alle als Lebewesen. Leben definiert sich durch selbstständige Vermehrung, Wachstum, Stoffwechsel und Bewegung. Viren sind anders: Sie brauchen dafür die Zellen des Wirtes, je nach Virenart Bakterien oder höhere Lebewesen. Wie immer in der Natur ist diese Beziehung ein Konflikt zwischen den Zielen des einen (Vermehrung, egal, ob es dem anderen schadet) und der Abwehr dieses Übergriffs. Z.B. darf ein mit dem Coronavirus infizierter Mensch hoffen, durch sein komplexes Immunsystem gewappnet zu sein, das im Idealfall durch frühere Infektionen und Impfung(en) gut vorbereitet ist. Die viel einfacher gebauten Bakterien „merken“ sich zur Abwehr von Bakteriophagen Teile der Erbinformation des Eindringlings. Begegnen sie diesem wieder, so können sie ihn erkennen und zerstören. Die Entdeckung dieses Mechanismus war der Startschuss für die CRISPR-Revolution: Sowohl das „Merken“ der Erbinformation in Form von mundgerechten Stückchen (dafür ist CRISPR essentiell) wie auch das Zerstören (durch das Enzym Cas9) flossen gleichermaßen in die Entwicklung dieser alles verändernden, neuen Technologie ein.
Funktionsweise von CRISPR/Cas9 – die Genschere
CRISPR/Cas9 ist der aus Bakterien stammender Komplex aus der „gemerkten“ genetischen Information des Eindringlings in Form einer speziellen RNA, die als Sonde bzw. Erkennungssequenz für den Eindringling dient, und dem Cas9 Protein, welches – nach positiver Erkennung – Erbgut in Form von doppelsträngiger DNA zerschneidet. Im Jahre 2012 haben die Nobelpreisträgerinnen für Chemie 2020, Emmanuelle Charpentier (vor wenigen Jahren noch am HZI in Braunschweig tätig) und ihre amerikanische Kollegin Jennifer A. Doudna, in einer bahnbrechenden Arbeit im Fachmagazin Science beschrieben, dass dieser Mechanismus als Technologie für das zielgerichtete Manipulieren des genetischen Codes in allen Organismen einsetzbar ist1. Seither wurden in Bakterien etliche Spielarten dieses Prozesses und eine ganze Familie Cas-artiger Enzyme entdeckt, die immer neue biotechnologische Möglichkeiten eröffnen: Man kann z.B. inzwischen einzelne Bausteine im Erbgut oder ganze Gene herausschneiden oder austauschen.
Genomeditierung – warum CRISPR/Cas9 bei uns im Labor so wichtig ist
Cas9 kann also auch in nicht-bakteriellen Zellen (z.B. in menschlichen Zellen) Erbgut schneiden, wenn man es mit modernen Methoden dort einbringt. Dabei ruft es zelluläre Reparaturmechanismen auf den Plan, die versuchen, diese Brüche auszubessern. Beim Verbinden der getrennten Stücke kommt es zu Fehlern, wodurch das Gen beschädigt und die Übersetzung in das jeweilige Genprodukt, also ein Protein, verhindert wird. Man kann durch Verwendung von Cas9 und synthetisch hergestellten guide-RNAs, die nach dem Vorbild der bakteriellen CRISPR Sequenzen entworfen sind, gezielt Genabschnitte in jeder beliebigen Zelle unleserlich machen oder verändern, und dann die Auswirkungen auf bestimmte Prozesse des Lebens studieren (siehe Abbildung).
In Folge konnten wir in den letzten 10 Jahren den Zeitaufwand zum Ausschalten von Genen zu Forschungszwecken von mehreren Jahren auf wenige Wochen reduzieren. Zudem ergab sich daraus eine Vielzahl neuer Ansätze, wie z.B. die gezielte Untersuchung von krankheitsassoziierten Patienten-Mutationen. Die synthetische Herstellung der guide-RNAs erlaubt den fast beliebigen Zuschnitt auf alle Bereiche des Genoms. Und all das funktioniert in isolierten Zellkulturen ganz ohne Tierversuche oder langwierige Züchtungen.
Die Zukunft – von Grundlagenforschung bis zu medizinischer Diagnostik und Therapie
CRISPR/Cas9 ermöglicht eine Vielzahl medizinisch relevanter Anwendungen, von denen viele bereits in verschiedenen Phasen klinischer Studien stecken. Daraus abgeleitete Gentherapien sind am ehesten vorstellbar für die Reparatur von Gendefekten in leicht entnehmbaren und wieder rückführbaren Zellen, wie des Blutes. Eine Heilung für z.B. die Sichelzellanämie (ausgelöst durch eine einzige Mutation im Sauerstofftransporter unserer roten Blutkörperchen) befindet sich bei CRISPR Therapeutics (mit Emmanuelle Charpentier als Mitgründerin der Firma) bereits in der klinischen Phase (www.crisprtx.com). Laufende Programme beschäftigen sich zudem mit der gezielten Bekämpfung von Tumoren durch genomeditierte Immunzellen oder der Behandlung von Typ I-Diabetes. Auch die gezielte Entfernung chronischer Viren, die Krebs auslösen ist vorstellbar. In jüngerer Vergangenheit gab es zudem Durchbrüche bei der Anwendung der Methode in der Diagnostik, und das lieferte unter anderem ein besonders empfindliches Messverfahren zum Nachweis von Krankheitserregern oder Tumorzellen2. Diese Methoden werden uns immer mehr in der Anwendung begegnen. Auch in der Pflanzenforschung und Lebensmittelindustrie ermöglicht die Technologie die Erzeugung neuer Varianten bei gleichzeitigem Verzicht auf umstrittene Antibiotikaresistenz-Gene. Eine weitere Entwicklung ist der Gene Drive, welcher als „egoistische“ Version das ursprüngliche Wildtyp-Gen schnell aus ganzen Tierpopulationen verdrängen kann. Dies kann z.B. Moskitos am Übertragen des Malariaerregers hindern. Insektizide würden obsolet, auch wenn der Einsatz in freier Wildbahn dem Risiko eines klaren Eingriffs in die Natur gegenüberzustellen ist.
Ethische Aspekte und Regularien
Gentechnik ist in Deutschland und der EU streng reguliert. Als wichtigste Leitlinie ist das Verbot des Eingriffs in die menschliche Keimbahn zu nennen, was ausschließt, dass genetische Veränderungen weitervererbt werden können – darüber herrscht uneingeschränkte Einigkeit. Besprochene Therapieansätze zielen daher ausschließlich auf die Heilung von Individuen mit spezifischen, genetisch bedingten Krankheiten oder Infektionen. Als Vertiefung empfehlen wir den von der Agentur mindjazz pictures veröffentlichten Dokumentarfilm Human Nature – Die CRISPR Revolution3, sowie Erklärvideos z.B. aus den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender4, 5.
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