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Kultur

1. November 2021

Hinter den Kulissen

Im ehrlichen Dialog mit Christian Eitner und Peter Schanz.

Von Lina Tauscher

(Fotografie: Marc Stantien, Adobe Stock / kebay, ngupakarti)

Die 90er Jahre – das Jahrzehnt der Musikkassetten, Beverly Hills 90210 und der großen Träume. Auch für Christian Eitner, einen besonderen Künstler der Region. Gemeinsam mit Ole Sander und Matthias Lanzer gründete er die Jazzkantine und wurde zeitgleich Produzent seines eigenen Musikstudios in Braunschweig. Mit der Band entstand eine Synthese der Stilelemente Jazz, Funk und Rap. Gemeinsam mit unterschiedlichsten Künstlern wie Smudo, Götz Alsmann, Xavier Naidoo und Band Such a Surge sorgten sie für ein einzigartiges Musikerlebnis.

Über 25 Jahre später ist Christian unter anderem künstlerischer Leiter der bekannten Kulturveranstaltung Pop meets Classic sowie dem Wintertheater in Braunschweig – und immer noch mit der Jazzkantine aktiv! Gemeinsam mit dem Dramaturgen und Regisseur Peter Schanz, der sich bereits in zahlreichen Theatern deutschlandweit und vor allem in Braunschweig engagierte, interpretiert er die Verknüpfung von Schauspiel und Musik immer wieder neu. Was das Geheimnis der jahrzehntelang erfolgreichen Jazzkantine ist und was die kreativen Köpfe in Zukunft noch geplant haben, haben wir im persönlichen Gespräch erfahren.

Verbundenheit unter Fremden

Stadtglanz: Christian, wie bist Du zum Theater und Musikmachen gekommen? Kommst Du aus einer Künstlerfamilie?
Christian: Mein Vater war beruflich Schriftsetzer und ein großer Jazz-Liebhaber. Meine Mutter war sehr theaterverbunden, ihre eigenen Eltern haben ihr keine Zukunft in diese Richtung ermöglicht und bei mir wollte sie es anders machen.

Seine Eltern unterstützten den Künstler ungemein – früh förderten sie sein Talent mit Musikunterricht, später lebte er seine Leidenschaft in Schülerbands und im Schultheater aus. Neben seiner Familie sind auch seine Freunde und Bekannte ein wesentlicher Grund für Christian, sich in Braunschweig wohlzufühlen.

Christian: Ich mag die Menschen und ihre Mentalität. Ich freue mich immer, wenn ich ein bekanntes Gesicht auf dem Markt oder in der Stadt treffe. Braunschweig ist für mich eine ‚kleine Großstadt‘ und hat die perfekte Größe.

Trotz deutschlandweiter Touren und Auftritten in der USA hat Christian immer in seiner Heimat gelebt.

Stadtglanz: Hast Du mal mit dem Gedanken gespielt, in einer musikalischen Metropole zu leben und Braunschweig zu verlassen?
Christian: Natürlich haben wir überlegt, ob wir jetzt auch nach Berlin gehen müssen, um groß rauszukommen, aber unser Fokus war immer auf das Musikmachen gerichtet und das hat geklappt. Ich würde sagen, wir hatten die richtige Idee zur richtigen Zeit. Anfang der 1990er-Jahre war der Start für neue Musikplattformen wie VIVA und MTV. Dadurch konnte viel mehr visualisiert und musikalische Geschichten erzählt werden. Auch deswegen war es uns möglich, in der Heimat zu produzieren.

Die Liebe zur Heimat drücken Christian und Peter auch in ihren Theaterstücken aus, indem sie den Zuschauern alle Facetten der Stadt und ihrer Geschichte näherbringen. Autor Peter lebt derzeit in Schleswig-Holstein – was ihn aber nicht davon abbringt, Stücke für und über Braunschweig zu schreiben. Da der Begriff Heimat durch die deutsche Geschichte vor allem bei den ersten Aufführungen negativ behaftet war, erregten die Werke viel Aufsehen.

Stadtglanz: Hattet ihr Angst, dass Eure Stücke missverstanden werden könnten?
Peter: Angst hatten wir keine. Unser Ziel war es, einen gesellschaftlichen Diskurs und damit auch Emotionen anzuregen. Wir wollten einen kritischen Umgang mit der Stadtgeschichte darstellen und das Publikum zum Reflektieren einladen. Dabei muss man sich nun mal auf positive und negative Seiten der Heimat einlassen. Das war und ist unsere Art und Weise, unseren Zuschauern ihr Zuhause näherzubringen.

Christians und Peters Mission ist klar gesteckt: Sie möchten die Besucher im Theater durch ihre Geschichte ansprechen, integrieren und mit ihr vereinen – und genau das stößt auf viel positive Resonanz.

Peter: Die Identifikation mit der eigenen Stadt und sich als ein Teil dieser zu sehen, erleben wir auf der Bühne. Dabei stellen wir eine Einheit zwischen Zuschauern und Spielenden her. Das macht die Eitner-und-Schanz-Produktionen aus. Bis heute vertrauen unsere Besucher auf diese Umsetzung.

Kein Theater hinter der Bühne

Stadtglanz: Christian, was würdest Du Deinem Ich in seinen Zwanzigern mit Deinem heutigen Wissen und den vielen Erfahrungen mit auf dem Weg geben?
Christian: Ich würde sagen: „Achte auf Deine Balance!“ Wir haben uns teilweise in der Sieben-Tage-Woche des Business verloren. Irgendwann merkt man nicht mehr, ob das eigene Handeln noch produktiv ist. Deswegen ist es so wichtig, auf sich zu achten und sich gegenseitig aufzufangen – genau das haben wir innerhalb der Band immer getan. Außerdem würde ich noch sagen: Lebe Deine Träume und vertraue deinem Bauch. Ich wollte mir nie vorwerfen, etwas nicht gewagt zu haben und zum Glück muss ich das auch nicht.

Stadtglanz: War es schon immer Dein Traum, mit Musik Dein Geld zu verdienen?
Christian: Ich habe mir das schon immer ausgemalt, aber ich hätte nicht gedacht, dass man so viel daraus machen kann. Manchmal denkt man, es gibt nur den einen Weg, um als Musiker erfolgreich zu werden. Mit der Jazzkantine haben wir gemerkt, wie vielfältig es sein kann, Musik vor Publikum zu spielen. Ob im Theater oder auf Tour – ich wollte immer ein Publikum mit dem, was ich tue, begeistern.

Stadtglanz: Die Jazzkantine besteht bereits seit 1994. Ein Teil der Band findet sich auch regelmäßig in den Produktionen Eurer Theaterstücke wieder zusammen. Was ist das Geheimnis eines über so viele Jahre hinweg funktionierenden Ensembles?
Christian: Gegenseitiges Vertrauen spielt eine große Rolle. Außerdem sind wir eine Projektband mit wechselnder Besetzung und müssen uns nicht ständig mit musikalischen Altlasten beschäftigen. Dass unsere Motivation und Lust am Spielen bestehen bleibt, kommt auch davon, dass wir für musikalische Neuerfindungen immer offen sind und keine enge Verknüpfung an bestimmte Stile haben.

Die Überlebenskünstler und Optimisten, wie sich Peter und Christian bezeichnen, haben die Zeit während der Pandemie genutzt, um ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Das Rap-Musical ‚Der Diamantenherzog und das brennende Schloss‘ soll im April 2022 im Großen Haus Braunschweigs uraufgeführt werden. Darauf dürfen auch nicht-heimatverliebte Theaterbegeisterte gespannt sein!

 

Lina Tauscher

Die 25-Jährige ist ausgebildete Kauffrau für Marketingkommunikation, fühlt sich aber im redaktionellen Bereich am wohlsten. Momentan studiert sie Journalismus und Public Relations und ist in der MediaWorld als Redakteurin sowie im Content-Management tätig. Sie begeistert sich für gute Geschichten, die von inspirierenden Menschen und Meinungen zum Leben erweckt werden.

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