Wirtschaft
Transformationsnetzwerk für die Fahrzeug- und Zuliefererindustrie
Die Region Braunschweig-Wolfsburg kann eine Vorreiterrolle für die gesamte Branche einnehmen.
Von Timo Grän
Die EU einigte sich im Oktober dieses Jahres darauf, dass die Flottengrenzwerte für Neuwagen bis 2035 auf null sinken sollen. Der Wandel der Automobilindustrie ist jedoch bereits längst eingeleitet. Ein Produkt, das in der Region Braunschweig/Wolfsburg seit über 80 Jahren perfektioniert wird, verändert sich in seiner Herzkammer: dem Motor. Flankiert wird die Veränderung von einer Vielzahl neuer Entwicklungen aufgrund der Digitalisierung und den damit einhergehenden Möglichkeiten wie dem automatisierten und vernetzen Fahren.
Was heißt das konkret für die Mobilitätsregion Braunschweig-Wolfsburg, ihren 1,1 Millionen Einwohnern und den über 200.000 Beschäftigen der Branche und warum kann die Transformation nur gemeinsam gelingen?
Mit diesen Fragestellungen beschäftigt sich die Allianz für die Region GmbH, die mit dem Transformationsnetzwerk für die Fahrzeug- und Zuliefererindustrie, kurz ReTraSON, den Bogen zwischen den Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Gewerkschaften, Verbände und Kammern spannt.
ReTraSON ist das einzige bundesgeförderte Projekt, dass die gesamte Region mit den Städten Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg sowie den Landkreisen Gifhorn, Goslar, Helmstedt, Peine und Wolfenbüttel im Kontext der Fahrzeugindustrie verbindet, um eine Plattform zu schaffen, aus der neue Projekte entstehen sollen. Gerade jetzt ist dieser Schulterschluss dringend notwendig, da sich die Unternehmen der Branche verändern werden und neue Unternehmen auf den Markt drängen.
Frühzeitig auf den Weg gemacht
Bereits Ende 2020 sickerte durch, dass die Bundesregierung für die Fahrzeug- und Zuliefererindustrie ein Zukunftsfonds aufsetzt, der die Regionen stärken soll, die maßgeblich von dem Wandel betroffen sind. Initiiert wurde das Projekt durch die IG Metall mit ihren drei Geschäftsstellen in Braunschweig, Wolfsburg und Salzgitter-Peine die fortan gemeinsam mit dem Bundesvorstand auf die Regierung zugegangen sind, um die Region Braunschweig-Wolfsburg in den Fokus zu rücken. Mit der Allianz für die Region GmbH verfügt man glücklicherweise über eine Institution, die in ihrer Struktur die oben genannten Akteursgruppen bereits unter einem Dach vereint. Viel wichtiger ist es jedoch, dass sie die Leistungsfähigkeit besitzt, solche zentralen Förderaufrufe zu bedienen und letztlich auch für die Region zu gewinnen.
Als Mastermind hinter dem Antrag steckt Thomas Ahlswede-Brech, der seit 2019 den Bereich Mobilität und seit April 2022 die Bereiche Wirtschaft und Fachkräfte bei der Allianz für die Region verantwortet. „Der Wandel kommt schleichend daher und trifft uns dann trotzdem sehr plötzlich“, so Ahlswede-Brech, der berichtet, dass die Strecke zwar ein Marathon darstellt, man aber an den richtigen Stellen zum Sprint ansetzen muss.
„Ohne Einbeziehung der regionalen Institutionen, ist die beste Strategie nur eine Bündelung von Papier. Wir wollen Kooperationen stärken und neue aufbauen.“ Thomas Ahlswede-Brech, Leiter Mobilität, Wirtschaft und Fachkräfte bei der Allianz für die Region GmbH
Die Vielzahl von Akteuren unter einem Hut zu bekommen, ist schier unmöglich. Das wissen die Projektverantwortlichen. Umso wichtiger ist es, zentrale Institutionen und Interessensvertreter für das Projekt zu gewinnen. Im sogenannten Transformationsrat sind unter anderem die Präsidentin der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), Prof. Dr. Cornelia Denz, Prof. Dr. Andreas Rausch von der Technischen Universität Clausthal sowie Oberbürgermeister Dr. Torsten Kornblum aus Braunschweig und Landrat Gerhard Radeck aus Helmstedt. Zusätzlich sind Vertreter der Industrie- und Handelskammer, des Arbeitgeberverbandes und der Gewerkschaft mit im Boot. Last but not least auch große Zulieferer wie Bosch und Siemens. Eingebunden ist ebenso das Niedersächsische Forschungszentrum Fahrzeugtechnik der TU Braunschweig, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt sowie die Ostfalia Hochschule.
„Um die Wettbewerbsfähigkeit dieses einzigartigen Wirtschaftsstandorts weiter zu sichern und die Transformation zu gestalten, sind regionale Kooperationen mit einer engen Verzahnung von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zwingend notwendig. Das ist unser Herzstück im Projekt ReTraSON.“ Wendelin Göbel, Geschäftsführer Allianz für die Region GmbH
Auftakt in der Autostadt Wolfsburg
Mit der Auftaktveranstaltung im Oktober sorgten die Projektverantwortlichen für große Aufmerksamkeit. Über 300 Gäste sind der Einladung gefolgt und durften sich selbst ein Bild machen. Als einer der renommiertesten und meist zitiertesten Automobilexperten des Landes wurde der Gründer und Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach, Prof. Dr. Stefan Bratzel als Keynotespeaker bestellt. Zusätzlich wurde der Zwischenbericht einer beauftragten Studie der Allianz für die Region GmbH zur aktuellen Situation durch das Strategieunternehmen Prognos AG vorgestellt. Im März 2023 wird diese veröffentlicht.
Aktuell wird dazu aufgerufen sich in Workshops zu den Themen Technologie, Infrastruktur, Geschäftsmodelle und Arbeitswelt zu beteiligen, um daraus neue Impulse zu erhalten, die in die Transformationsstrategie im regionalen Maßstab einfließen sollen. Ziel ist es, dass das Netzwerk seine Strategie für die Region erstellt. Ahlswede-Brech beschreibt es so: „Ohne Einbeziehung der regionalen Institutionen, ist die beste Strategie nur eine Bündelung von Papier. Wir wollen Kooperationen stärken und neue aufbauen.“
Beteiligung unter www.retrason.de
Dieser Artikel erschien zuerst in der Stadtglanz Print-Ausgabe 25 / Winter 2022.
Timo Grän
Herausgeber des Stadtglanz und der Service-Seiten. Verbrachte seine ersten Lebensjahre in Sambia und Botswana, bevor er Kind dieser Region wurde. Seitdem ein Förderer des Regionspatriotismus.
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