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Lifestyle

20. September 2021

„Wir Sportler sind auch nur Menschen“

Ein Interview mit Dennis Schröder

Von Tobias Bosse

(Fotografie: Joel Adu Poku)

Dennis Schröder ist aktuell der wohl populärste Braunschweiger Export. Der Basketballprofi begann seine Karriere im Prinzenpark und wird in der kommenden Saison für den amtierenden NBA-Champion Los Angeles Lakers im Staples Center an der Seite von Superstar LeBron James auflaufen. Zudem ist der 27-Jährige seit einigen Monaten alleiniger Owner der Braunschweiger Basketball-Löwen. Allerdings lief es nicht immer so glücklich für den Braunschweiger Jung. In der Kindheit wurde er mit Rassismus konfrontiert und verlor bereits früh seinen Vater. Wie er sich durch diese schweren Zeiten gekämpft hat, was die Löwenstadt für ihn bedeutet, welche großen Pläne er mit den Löwen hat und wie der Wechsel nach LA zu Stande kam, verriet Dennis Schröder im Stadtglanz-Interview.

Würdest du dich selbst als glücklichen Mensch bezeichnen?

Grundsätzlich sollte man immer schätzen, wo man im Leben steht. In Bezug auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben, wie Familie und Freunde, war ich immer schon sehr glücklich. Natürlich habe ich auch unglückliche und tragische Momente erlebt, wie wenn jemand von uns gegangen ist. Dann trauere ich selbstverständlich. Ansonsten bin ich aber ein durchweg positiver Mensch, der sich auch mit positiver Energie umgibt. Meine Frau und meine Kindern sorgen für unzählige tolle Momente – mehr Glück kann ich gar nicht haben.

Dabei hattest du es nicht immer einfach. Mit deiner Hautfarbe in einer Stadt wie Braunschweig aufzuwachsen, derartig früh deinen Vater zu verlieren und sportlich lange unter dem Radar zu fliegen, war bestimmt kein Zuckerschlecken. Fiel es dir manchmal schwer, dein Glück zu erkennen?

Na klar. Aber wenn ich heute zurückblicke und mich an die Menschen erinnere, die mich beleidigten oder mir sagten, ich sei nicht gut genug, bin ich stolz darauf, dass ich mich davon nicht aufhalten lassen habe. Immer weiter gemacht habe. Ob mein Trainer an mich glaubt oder nicht, kann ich ohnehin nicht kontrollieren. Deshalb ist es vergeudete Zeit, sich überhaupt damit zu beschäftigen.

War es eigentlich immer dein Traum, Basketballprofi zu werden?

Witzig, dass du fragst. Ich war von der 5. bis zur 10. Klasse an der IGS Franzsches Feld. Da mussten wir mal aufschreiben, welchen Beruf wir später erreichen wollen. Das Buch habe ich letztens gefunden und da steht tatsächlich Polizist oder NBA-Spieler.

Also darf die Braunschweiger Polizei sich Hoffnungen machen, nach deiner aktiven Karriere Verstärkung von dir zu bekommen?

(Lacht) Nee, das überlasse ich lieber den Beamten, die davon wirklich etwas verstehen. Da brauchen sie sich keine Sorgen zu machen.

Würdest du denn sagen, dass du insgesamt eine glückliche Kindheit hattest?

Schon, aber wie gesagt, ich habe in Deutschland auch negative Erfahrungen gemacht.

Heißt das, dass du auch mit Rassismus konfrontiert wurdest?

Natürlich. Im Kindergarten und in der Schule. Erst als ich angefangen habe, Basketball zu spielen, respektierten mich die Menschen etwas mehr. Seitdem ich Profi bin, ruft mir maximal noch irgendein unzufriedener Typ in der Stadt was hinterher. Das wirst du immer haben. Heute juckt mich das nicht mehr.

Wie hast du diese Zeit verarbeitet?

Mit der Hilfe meiner Familie. Meine Familie bedeutet alles für mich. Ohne sie wäre ich heute nicht, wo ich jetzt bin. Mir wurde früher alles ermöglicht – auch die Basketball-Camps. Meine Familie ist arbeiten gegangen, um mir meinen Traum zu erfüllen. Das ist einfach pures Glück. Denn so selbstlos würde lange nicht jeder Mensch handeln.

Liviu Calin ist zwar kein Blutsverwandter von dir, aber dennoch könntet ihr euch kaum näher stehen. Wie glücklich war es für dich, ihm begegnet zu sein?

Ich habe es einigen Menschen zu verdanken, dass ich heute dort bin, wo ich bin. Liviu steht ganz oben auf dieser Liste. Er hat immer an mich geglaubt, hat sich nie von anderen beirren lassen und stets zu mir gehalten. Klar hat er mich im Training völlig kaputt gemacht, aber diese Intensität und der Glaube an mich hat mir alle Türen geöffnet.

Dein Investment bei den Basketball Löwen hängt ja auch mit Liviu zusammen, korrekt?

Absolut. Ich wollte überhaupt nicht investieren. Auch weil ich mit einigen Vorgehensweisen des Klubs in der Vergangenheit nicht einverstanden war. Aber als ich mit der Zeit älter und reifer geworden bin, habe ich zunächst angefangen, die Löwen bei den Spielen zu unterstützen. Dann kam Liviu auf mich zu und regte an, dass ich doch bei den Löwen einsteigen könnte. Es wäre ohnehin gerade ein Anteil von 71 Prozent an der Gesellschaft freigeworden. Daraufhin habe ich mich zu dem Investment entschieden.

Du hast dich dann ja auch für ihn eingesetzt, als er von den Basketball Löwen gekündigt wurde.

So ist es. Als er in diesem Sommer seine Kündigung von den Löwen erhielt und zusehends von den Verantwortlichen in die Enge getrieben wurde, musste ich das machen, was für Liviu am besten war. Ich wollte die Kündigung rückgängig machen. Weil ich ihm etwas zurückgeben und ihn glücklich sehen wollte. Deshalb habe ich so gehandelt und schließlich alle Anteile übernommen.

Was hast du jetzt mit den Basketball Löwen vor?

Ich sehe sehr viel Potenzial in dem Verein. Oliver Braun hat uns in den zurückliegenden Monaten geholfen, wieder auf die Beine zu kommen. Dafür bin ich ihm außerordentlich dankbar. Jetzt haben wir mit Nils Mittmann einen neuen Geschäftsführer, den ich gut kenne und mit dem ich die­selben Vision teile – vor allem hinsichtlich der Nachwuchs­arbeit, die wir extrem stärken wollen. Er ist ein Braunschweiger und hat eine hohe Identifikation mit der Stadt und dem Verein, das ist schon viel wert. Was wir mit dem Verein vorhaben, hat diese Stadt noch nie gesehen. Dafür brauchen wir aber auch das Engagement und die Unterstützung der gesamten Region. Dazu zählen Fans eben­so wie die Sponsoren. Nur gemeinsam können wir hier einen Standort à la Alba Berlin, Bayern München oder Bamberg etablieren. Wir sind fest davon überzeugt, dass das möglich ist. Aber das braucht Zeit und wie ich bereits sagte das Commitment der Unternehmer.

Kannst du schon etwas Konkretes sagen, was ihr nächste Saison umsetzen wollt?

Wir wollen mehr NBA-Kultur integrieren. Das gilt sowohl für interne Strukturen als auch für die Heimspiele. Dabei will uns auch mein Arbeitgeber (Oklahoma City Thunder) mit Know-how unterstützen und womöglich sogar eine Kooperation ermöglichen. Ich versuche einfach Synergien zu schaffen und die Löwen bestmöglich davon profitieren zu lassen. Zudem soll der Unterhaltungswert deutlich steigen. Das wollen wir durch Aktionen wie beispielsweise einen Half-Court-Shot, wo der Gewinner bis zu 10.000 Euro erhält, schaffen.

Kannst du dir denn auch vorstellen, nach deiner aktiven Profikarriere zurück nach Braunschweig zukehren und das operative Geschäft der Löwen zu leiten?

Auf jeden Fall werden wir nach meiner Profikarriere nach Europa ziehen. Womöglich behalte ich noch eine Immobilie in den USA, um dort Urlaub zu machen, aber grundsätzlich wollen wir in einer schönen Stadt in Europa leben. Da zählt Braunschweig selbstverständlich dazu. Was das Berufliche anbetrifft, versuche ich aktuell bereits mein Geld so zu investieren, dass ich und meine Familie sich darum später keine Sorgen mehr zu machen brauchen.

In was genau investierst du?

Ich versuche das breit zu fächern und investiere in Immobilien, Aktien und diverse Unternehmen. Das soll meinen Kindern im besten Fall ermöglichen, sich einen Beruf auszusuchen, den sie wirklich machen wollen und nicht nur wegen des Geldes machen müssen.

Gibt es einen bestimmten Grund, weshalb du später nicht in den USA leben möchtest?

Ich ziehe die Strukturen in Europa beziehungsweise vor allem in Deutschland vor. Insbesondere die soziale Ungleichheit in den Vereinigten Staaten ist mir ein Dorn im Auge.

Nun wurde ja gerade ein neues Präsident gewählt. Wer war denn dein Favorit?

Zu politischen Themen habe ich mich noch nie geäußert und belasse es auch lieber dabei.

Verständlich. Nichtsdestotrotz formulierst du deine Meinung zu anderen Themen ja durchaus klar und deutlich. Teilweise haben dich Medien dafür aufs Korn genommen. Wie gehst du mit dieser Kritik um?

Ich respektiere jeden Menschen. Egal, ob er oder sie eine Reinigungskraft, Kassierer oder im gehobenen Management ist. So wurde ich erzogen: Mensch ist Mensch. Meine Persönlichkeit wird sich nie ändern. Ich habe meinen eige­nen Kopf und sage auch mal etwas Kontroverses. Wenn die Presse sich dann auf gewisse Äußerungen stürzt, ist das vollkommen okay. Nicht jeder muss meine Meinung teilen oder die Art wie ich spiele schätzen.

Das heißt, du hast überhaupt kein Problem mit deiner Wahrnehmung in Deutschland?

Am Ende sind das immer Leute, die meinen, dass sie es besser wüssten und in meiner Lage dieses oder jenes tun würden. Sie sind aber nicht in meiner Situation und können sich daher auch kein Urteil erlauben. Das ist meine Meinung.

Ist das hierzulande ein spezielles Problem?

Ich denke schon. In Deutschland gucken die Menschen mehr auf andere als auf sich selbst. In anderen europäischen Ländern genießt du als NBA-Spieler, der solche Werte abliefert wie ich, Superhelden-Status. Hier habe ich oft das Gefühl, dass lieber das Haar in der Suppe gesucht wird, als diese Leistung entsprechend zu würdigen. Das finde ich schade und auch traurig. Wir Sportler sind auch nur Menschen, die respektiert werden wollen.

Du bist ja nicht der erste Profi, der den Umgangston von Fans und Medien gegenüber Sportlern kritisiert. Die beiden Nationalspieler und Weltmeister von 2018 Andre Schürrle und Toni Kroos haben sich erst kürzlich dazu geäußert. Wie können Sportler damit umgehen?

Es ist auf jeden Fall wichtig, darüber zu sprechen. Sei es mit der Familie, Freunden oder einem Mentalcoach. Jeder hat Gefühle und sollte diese auch zum Ausdruck bringen dürfen. Wenn man solche negativen Gefühle zu lange runterschluckt oder verdrängt, führt das nur zu weiteren negativen Gefühlen.

Okay, dann lass uns abschließend wieder über Positives sprechen: Welchen Kindheitstraum willst du dir noch erfüllen?

Ich will auf jeden Fall noch sehr viele Reisen unternehmen. Meine Familie verzichtet während der Saison auf sehr viel. Ständig bin ich unterwegs; zum Training, Spiel, Work­outs oder irgendwelchen anderen Terminen. Meine Frau und meine Kinder sind da unglaublich verständnisvoll. Das ist wirklich Wahnsinn, wie viel Glück ich damit habe.

Was willst du in den nächsten 5 bis 10 Jahren noch erreichen, um anschließend sagen zu können, dass du glücklich bist?

Ich setze mir meine Ziele immer extra hoch. Damit ich jeden Tag hart arbeite. Ich trainiere jeden Tag um eine bestimmte Sache zu verbessern. Egal, ob auf oder neben dem Platz. Wenn man keine Ziele oder Ambitionen hat, kann man sich nicht verbessern und keine Ansprüche stellen. Sportlich arbeite ich auf jeden Fall darauf hin All-Star in der NBA zu werden, die Conference-Finals zu erreichen sowie zu gewinnen und natürlich auch mal in die NBA-Finals einzuziehen.

Vor kurzem wurde dein Wechsel zum aktuellen NBA - Champion, den Los Angeles Lakers, bekannt. Viele Me­dien haben berichtet, dass der Wechsel unfreiwillig zu Stande kam. Stimmt das tatsächlich oder wolltest du den Trade?

Nein, das war ein Missverständnis bei einem anderen Inter­view, das ich vor wenigen Tagen gegeben habe. Tatsächlich war ich beziehungsweise mein Berater mit verschiedenen Teams im Austausch. Die Lakers haben sich aber direkt stark um mich bemüht; Frank Vogel, Headcoach, Rob Pelinka, General Manager und LeBron James haben mich alle angerufen und wollten mich von einem Wechsel überzeugen. Dabei suggerierten sie alle, dass ich das Puzzlestück sein könnte, um den Titel im nächsten Jahr zu verteidigen. So habe ich mich gleich wertgeschätzt und abgeholt gefühlt. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich aufgrund der Fanbase sowie der Franchise zwar eigentlich nicht wechseln, aber als dann auch noch mein GM Doug Presti, General Manager bei den Oklahoma City Thunder, mir anbot, den Wechsel über die Bühne zu bringen, war ich einverstanden. Jetzt bin ich natürlich sehr glücklich, ein LA Laker zu sein!

Vielen Dank für das Gespräch, Dennis!

Tobias Bosse

Mein Name ist Tobias Bosse, aber Sie können mich gerne Bosse nennen. Anders als mein deutlich populärerer Namensvetter verdiene ich meine Brötchen jedoch nicht mit Musik – da wäre wohl auch nichts zu holen für mich. Nein, ich bin Redakteur und zwar vornehmlich für Sport. Womöglich ist Ihnen meine Sport­talkshow „Löwenrunde“, die ich vor knapp sieben Jahren mit einem Partner ins Leben rief, bekannt. Anschließend absolvierte ich eine redaktionelle Ausbildung bei der Braunschweiger Zeitung, war als Reporter für die Zentralredaktion der Neuen Osnabrücker Zeitung unterwegs und schreibe heute für die DVZ – Deutsche Verkehrs-Zeitung.

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