Wirtschaft
Bildungswesen in Deutschland
„Du lernst für das Leben“
Von Björn Försterling
„Du lernst für das Leben, nicht für die Schule“ – diesen Satz hat wohl jeder schon in seinem Leben gehört.
Im schulischen Kontext wiederum hat man oftmals den Eindruck, dass man in dem Satz das Wort Schule gerne durch Wirtschaft ersetzen wollen würde und der Satz dann lautet: „Du lernst für das Leben, nicht für die Wirtschaft“. Dahinter verbirgt sich ein jahrzehntelanges Fremdeln der Schule mit der Wirtschaft und auch umgekehrt. Erst in den letzten Jahren bricht diese starre Trennung durch mehr und mehr Berufsorientierung auf. Insbesondere dann, wenn man begreift, dass Bildung und Wirtschaft zwei wesentliche Säulen für Wohlstand und sozialen Frieden in unserer Gesellschaft bilden.
Bildung und Wirtschaft hängen unmittelbar zusammen. Gut (aus-)gebildete junge Menschen sind nicht nur die dringend benötigten Fachkräfte für Wirtschaftswachstum, sondern auch Innovationstreiber für jedes Unternehmen. Gerade in unserem Land und in der Forschungsregion Braunschweig-Wolfsburg sind es nicht Produktivitätssteigerungen, sondern Erfindungen und Innovationen, die den Wohlstand erhalten und die Wirtschaft wachsen lassen. Und eben dieses Wirtschaftswachstum und dieser Wohlstand geben uns die Möglichkeiten in Bildung zu investieren. Der Fokus sollte daher auf dem Miteinander von Schule und Wirtschaft liegen, nicht auf der Abgrenzung. Das bedeutet weit mehr als ein Girls´ and Boys‘Day, eine Kompetenzfeststellung oder ein dreiwöchiges Betriebspraktikum.
In einer im Februar 2024 von der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit veröffentlichten Studie zu „Marktwirtschaft und Unternehmertum in Schulbüchern“ zeigt sich immer noch ein tiefer Graben zwischen den Lehrinhalten auf der einen Seite und der unternehmerischen Realität auf der anderen Seite. Die Sicht des Unternehmers wird meist ausgeblendet und einseitig negativ dargestellt. Unternehmerisches Denken, unternehmerische Reaktionen auf Strukturwandel, notwendige Dynamik im Wirtschaftsleben, Unternehmensgründungen und Frauen als Unternehmer kommen so gut wie nicht vor. Im Vordergrund steht die Perspektive aus Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Rolle des Staates als Regulator.
Um eine Brücke zu schlagen zwischen Schule und Wirtschaft eignet sich aber der oben zitierte erste Halbsatz: „Du sollst für das Leben lernen.“
Niemand kann heute vorhersagen, was die Zukunft bringt und welche Herausforderungen auf die Gen Z und alle folgenden Generationen zukommen werden. Wir können ihnen aber das Rüstzeug mit auf den Weg geben diese Herausforderungen zu meistern. Ziel muss daher sein, dass alle Schulabgänger in der Lage sind ein selbstbestimmtes Leben zu führen, Verantwortung für sich, die Familie und Mitmenschen übernehmen zu können und durch Arbeit (ob selbständig oder nichtselbständig) für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Sie müssen mit erlerntem Wissen und erworbenen Fähigkeiten auf neue Herausforderungen reagieren und Lösungen entwickeln können. Und eben das gilt nicht nur für das Leben, sondern auch für die Wirtschafts- und Arbeitswelt. Das ist die Grundlage für Innovation, für Wachstum, Wohlstand und Bildung.
Aus Sicht der Wirtschaft stellt sich aber die berechtigte Frage, ob wir ausreichend und an den richtigen Stellen in die Bildung investieren. Der Rückgang der Basiskompetenzen zeigt sich nicht nur in den Bewerbungen um Ausbildungsplätze, sondern ist auch wissenschaftlich belegt. Es ist also an der Zeit für Schule – aber vielmehr für Bildungspolitiker und Kultusbürokraten – bei der Wirtschaft zu lernen, wie man Grundlagen für Innovationen schafft. Bildungspolitische Sonntagsreden oder Wunschträume aus Pädagogikseminaren haben uns die letzten 50 Jahre nicht vorangebracht.
Kein Unternehmen kann es sich heutzutage leisten die Arbeitsplätze und Sanitäranlagen für die Mitarbeitenden über Jahrzehnte nicht zu sanieren, den Mitarbeitern keine Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, diese im Gegenzug mit vielen sachfremden Aufgaben zu betrauen und immer neue Aufgaben zu verlangen, ohne die Mitarbeiter dafür zu qualifizieren. Schule kann das. Schulen müssen nicht auf Stand gehalten werden, Toiletten funktionieren auch in der dritten Generation, ein Lehrerzimmer mit 20 Stühlen genügt auch für ein Kollegium aus 40 Personen, der Rest passiert zu Hause und Inklusion, Integration von Flüchtlingskindern und Digitalisierung macht man nebenbei. Digitalisierung läuft auch überwiegend ohne IT-Ausstattung und IT-Support. Jeder Mittelständler, der die IT-Kosten in seinem Unternehmen kennt, weiß, dass das nicht günstig ist, man aber ohne diese Investitionen den Anschluss verliert. Schule kann das trotzdem. Schule muss das trotzdem können. Lehrkräfte, die erst in 2023 eine dienstliche E-Mail-Adresse bekommen haben, Lehrkräfte, die heute noch auf dienstliche Laptops oder Tablets warten oder Lehrkräfte, die Unterrichtsmaterialien einfach selbst kaufen, weil weder die Schule das Budget hat, noch jemand die Bürokratie des Erstattungsaufwands leisten will oder kann. Respekt für alle, die sich täglich darauf einlassen – zum Wohle der Kinder.
Wirtschaft und unternehmerisches Denken ist für Schule also keine Gefahr, sondern eine Chance sich schneller und zielgerichteter den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Schule braucht unternehmerische Freiheiten. Das Ergebnis muss stimmen, für den Weg dorthin müssen die Mitarbeitenden eine gute Ausstattung, gute Rahmenbedingungen, viel Vertrauen und Gestaltungsmöglichkeiten bekommen. Dann ist Innovation in Bildung möglich und daraus wiederum erwächst der Wohlstand der kommenden Generationen.
Mehr aus dieser Rubrik
Zur Startseite