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Wirtschaft

12. April 2023

Das Braunschweig-Wolfsburg-Sofa

Intensiv und facettenreich – so setzt sich die Region Braunschweig-Wolfsburg mit dem Thema Arbeitgeberattraktivität auseinander.

(Fotografie: Marc Stantien)

Das zeigen neben den über 100 ausgezeichneten ZUKUNFTGEBERN einmal mehr zwei Arbeitgeber der Region im Interview auf dem Braunschweig-Wolfsburg-Sofa. André Pause (Head of Content, mediaworld) und Cordula Miosga (Geschäftsführerin, Arbeitgeberverband Region Braunschweig) tauschten sich mit Antje Staffa (Vice President Global Human Resources, Mast-Jägermeister SE) und Marit Müller (Personalvorständin und Arbeitsdirektorin, Avacon AG) in Wolfenbrooklyn dazu aus. Im Gespräch beleuchteten sie die unterschiedlichen Erwartungshaltungen bei Bewerbenden, sprachen darüber, wie eine Arbeitgebermarke erlebbar gestaltet werden kann, und zeigten Faktoren für eine erfolgreiche Employer-Branding-Strategie auf.

Jägermeister ist eine global starke Marke, die man aus Konsumentensicht eher mit Feiern als mit Arbeit verbindet. Wie baut man zu so einer starken Konsumentenmarke eine passende Arbeitgebermarke auf?

 

AS:  Eine starke Arbeitgebermarke basiert auf der gelebten Unternehmenskultur und muss das halten, was sie verspricht. Die Werte und der Umgang miteinander sind maßgeblich dafür. Wir haben uns bei Jägermeister auf eine kulturelle Reise begeben, die uns in den letzten Jahren zukunftweisend vorangebracht hat. Wir sind sehr stolz, dass wir damit den Grundstein für eine authentische Arbeitgebermarke gelegt haben.

 

Wie wichtig ist die wahrnehmbare Präsenz der Marke Avacon für Ihr Recruiting?


MM:  Aufgrund der aktuellen Arbeitsmarktsituation können sich potenzielle Mitarbeitende ihren neuen Job aus vielen Angeboten aussuchen. Daher ist es sehr wichtig, eine Arbeitgebermarke auszuprägen und als Unternehmen für den Kandidaten erlebbar zu sein. Darüber hinaus hilft eine authentische Arbeitgebermarke auch dabei, die richtigen Interessenten zu finden. Denn eine Bindung zu dem Unternehmen funktioniert unter anderem dann, wenn die sich bewerbende Person in ihren Zielen und Werten zu denen des Unternehmens passt.

 

Jägermeister rekrutiert weltweit Talente. Gibt es eigentlich Unterschiede? Fragen Kandidaten in den USA zum Beispiel nach anderen Benefits als hier?


AS:  Das Land ist ein Grund für unterschiedliche Bedürfnisse von Benefits. So hat zum Beispiel in den USA eine Krankenversicherung einen viel höheren Stellenwert im Vergleich zu Deutschland. Aber vor allem die verschiedenen Lebenssituationen unserer Mitarbeitenden haben einen großen Einfluss darauf.

 

Avacon setzt in seinem Recruiting verstärkt auf weibliche Role Models. Führt das bereits zu einem messbaren Erfolg und mehr Bewerbungen von Frauen?


MM:  Ja, tatsächlich – wenn der Effekt auch nicht so groß ist, wie wir uns das gewünscht haben. Wir werden daher weiter an dem Thema arbeiten und haben schon neue gute Ideen entwickelt. Ein Schwerpunkt wird sein, noch stärker auf das Mindset von Frauen einzugehen. Ein Beispiel: Frauen bewerben sich nicht auf eine Stellenausschreibung, wenn sie nicht absolut sicher sind, alle Anforderungskriterien zu erfüllen. Männer bewerben sich ab circa 60 Prozent Passgenauigkeit. Wir wollen daran arbeiten, dass Frauen mutiger werden und sich bei uns bewerben oder sich bei Avacon entwickeln.

 

Frau Staffa, jetzt mal ehrlich, wir erleben einen Arbeitnehmermarkt, in dem Bewerbende deutlich mehr Ansprüche an Arbeitgeber richten als noch vor zehn Jahren. Gibt es auch Themen, wo Sie als Unternehmen sagen: Mag sein, dass das gewollt wird, aber wir machen es nicht?


AS:  Als Social Brand sind uns zwischenmenschliche Beziehungen und die Zusammengehörigkeit sehr wichtig. Kein Zoom Meeting kann die zufällige persönliche Begegnung und den informellen Austausch ersetzen. Deshalb ist uns eine ausgewogene Balance zwischen Arbeiten vor Ort und mobilem Arbeiten wichtig. Eine 100-prozentige Remote Arbeit können und wollen wir daher nicht anbieten.

 

Frau Müller, Sie bieten eine Vielzahl an Vorzügen für Ihre Mitarbeitenden. Wenn Sie die TOP 3 nennen müssten, die am häufigsten genutzt werden oder im Recruiting am stärksten wirken, welche sind das?


MM:  Kurz gesagt: Sinn, Kultur und Flexibilität. Wir bieten eine sinnstiftende Tätigkeit, nämlich die Umsetzung der Energiewende und der Gestaltung einer Energiezukunft. Wir fördern mit unseren Investitionen den Ausbau smarter Netze, regenerative Energien und neuer Technologien und geben unseren Mitarbeitenden dabei Raum, ihr Know-how einzubringen und ihre Ideen zu entfalten. Bewerbende und Mitarbeitende schätzen außerdem besonders unsere offene und kollegiale Unternehmenskultur. Wir denken nicht in Hierarchien, sondern kommunizieren auf Augenhöhe, fördern die Eigenverantwortung und den Innovationsgeist der Kolleginnen und Kollegen. Seit einiger Zeit ist bei uns das hybride Arbeitsmodell der neue Standard, sodass eine hohe Flexibilität bei der Arbeitsgestaltung gegeben ist. Homeoffice und mobiles Arbeiten, sogar aus dem Ausland, sind möglich. Darüber hinaus bieten wir viele Unterstützungsangebote, um Beruf und Privatleben in Einklang zu bringen. Von Eltern-Kind-Zimmer, Hundebüro, Sabbatical bis hin zu ganz konkreter Hilfe, zum Beispiel bei der Suche nach Kinderbetreuung oder Pflegeeinrichtung, ist das Angebot vielfältig.

 

Die coolsten Clubs der Welt sind in New York, Tokio, Berlin... Der Jägermeister für diese Clubs kommt aus Wolfenbüttel. Wie überzeugen Sie die Top-Talente in unserer Region zu arbeiten?


AS:  In Wolfenbüttel verwurzelt sind wir überzeugt, dass die Region viel zu bieten hat. Wir als globale Marke bieten ein internationales und inspirierendes Arbeitsumfeld, mit flexiblen Arbeitszeiten, Mitarbeiterevents und einer zeitgemäßen sowie verantwortungsvollen Unternehmenskultur.

 

In Wolfsburg VW und in Magdeburg bald Intel – wie schwer ist es inmitten dieser Schwergewichte in Helmstedt Recruiting zu gestalten?


MM:  Ich finde das gar nicht so schwer. Wenn man etwas genauer hinschaut, sind sowohl VW als auch Intel sowohl in den prägenden Geschäftsfeldern als auch in Kultur und gesuchten Tätigkeiten ganz andere Unternehmen als Avacon. Meiner Meinung nach spielt für die Arbeitssuchenden zunehmend die Frage eine große Rolle, für wen und mit wem man arbeitet. Also: Welche Ziele verfolgt das Unternehmen? Oder: Welchen Sinn hat meine Tätigkeit? Da kann sich Avacon als Gestalterin der Energiewende sehr gut behaupten. Zudem fühlen sich unsere Mitarbeitenden mit ihren Kolleginnen und Kollegen wohl, da entstehen auch Freundschaften, das ist ein sehr familiäres Miteinander. Das können Sie gern bei kununu nachlesen.

 

Purpose ist eines der wohl meistgenutzten HR-Buzzwords der letzten Jahre. Gibt es einen Jägermeister-Purpose?


AS:  Auch wir haben einen Purpose, aus einer festen Überzeugung heraus. Unser Handeln richtet sich nach “BEST NIGHTS OF YOUR LIFE – TODAY AND TOMORROW”. Dieser dient uns als Kompass. Wir glauben, dass die Wirkung von besten Nächten weit über den Nutzen für den Einzelnen hinaus geht und zwischenmenschliche Kontakte essenziell sind. Damit es auch morgen noch beste Nächte gibt, leisten wir unseren Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit. Und dafür benötigen wir Talente, die mit Begeisterung und Leidenschaft diesen Weg mit uns gehen.

 

Reden wir über ein weiteres Buzzword: Was bedeutet New Work für Mitarbeitende bei Avacon?


MM:  Aus meiner Sicht wird New Work zu oft auf räumliche Gegebenheiten reduziert – also auf die Einrichtung von Teamflächen oder Flying desks. Natürlich ermöglichen wir unseren Mitarbeitenden weitestgehend Flexibilität in Arbeitszeit und -ort. Darüber hinaus versteht Avacon unter New Work aber auch bestimmte Kulturwerte, wie Teamplayer:in, Macher:in oder Kundenversteher:in. Eine solche Unternehmenskultur halte ich für sehr wichtig! Es braucht eine gute Vertrauensbasis, um in der neuen Arbeitswelt zusammen zu arbeiten. Darauf achten wir sehr.

 

Funktioniert Arbeitgeberattraktivität eigentlich generationenübergreifend oder merken Sie große Erwartungsunterschiede über die Generationen hinweg bei Avacon?


MM:  Arbeitgeberattraktivität funktioniert generationsübergreifend, aber natürlich gibt es Erwartungsunterschiede. Das ist auch gar nicht schlimm – wenn man als Arbeitgeber bereit ist, auf die Erwartungen in den verschiedenen Lebensphasen einzugehen. Das machen wir bei Avacon in vielerlei Hinsicht.

 

Sind lange Betriebszugehörigkeiten in dieser Zeit für Sie noch ein wichtiges Ziel und falls ja, wie erreicht man es, Frau Staffa?

AS:  Eine lange Betriebszugehörigkeit ist aus meiner Sicht ein starkes Zeichen hoher Loyalität. Ebenso ist eine gesunde Fluktuation eine Chance für neue Perspektiven und Impulse. Für die Entwicklung der Organisation ist eine ausgewogene Balance wichtig.

 

Nie war es einer Generation wichtiger, Klima und Umwelt zu schützen. Und gleichzeitig interessieren sich immer weniger junge Menschen für technische Berufe und Studiengänge, die es zur Bewältigung der Herausforderungen unserer Zeit braucht. Wie erklären Sie sich diesen Missmatch bei Jägermeister und Avacon?

 

MM:  Ich denke, das liegt an der Fülle der Angebote und an der Unkenntnis über einzelne Tätigkeitsprofile. Wir sehen beispielsweise ein starkes Interesse an Nachhaltigkeitsstudiengängen, aber nicht in Elektrotechnik. Dass der Elektroingenieur bei Avacon nahezu ausschließlich in Sachen Nachhaltigkeit – nämlich der Energiewende – tätig ist, konnten wir vielleicht bisher nicht ausreichend gut vermitteln.

AS:  Bei Jägermeister sind wir überzeugt, dass jeder Job nachhaltig sein kann. Wir integrieren Nachhaltigkeit mittels Weiterbildungen und konkreten Zielen im ganzen Unternehmen. Mit Blick auf die technischen Berufe gilt es, den Beitrag, den diese leisten können für die Bewältigung der Klimakrise, noch stärker in den Fokus zu rücken, zum Beispiel durch die konkrete Formulierung in Stellenanzeigen.

Marit Müller:
Die gebürtige Cottbusserin arbeitete nach Abschluss des 2. Juristischen Staatsexamens im Jahr 2003 bei der envia Mitteldeutschen Energie AG auf verschiedenen Positionen und leitete unter anderem den Rechtsbereich, die Kommunalbetreuung und den Personalbereich. Seit 2022 ist sie Personalvorständin und Arbeitsdirektorin bei der Avacon AG.

Antje Staffa:
Antje Staffa ist seit Juli 2018 als VP Global HR bei der Mast-Jägermeister SE aktiv, dem global erfolgreichem deutschen Premium-Spirituosenhersteller mit rund 1.000 Mitarbeitern weltweit, neben Deutschland unter anderem auch in den USA, UK und CZ/SK. Die Volljuristin verfügt über mehr als 20 Jahre Berufserfahrung im Bereich Personal und war zuvor bei Unilever und Sanofi Pasteur MSD tätig.

 

Dieser Artikel erschien zuerst in der Stadtglanz Print-Ausgabe 26 / Frühling 2023.

André Pause

ist seit dem 01.03.2023 Head of Content der mediaworld GmbH sowie Chefredakteur des Magazins Stadtglanz. Nach seinem Studium an der FH Hannover schrieb und fotografierte der Diplom-Journalist freiberuflich für regionale Medien sowie die Deutsche Presseagentur (dpa) und Fachzeitschriften aus dem Bereich Kultur. Zuletzt verantwortete er als Chefredakteur der Industrie- und Handelskammer (IHK) Braunschweig sechs Jahre lang deren Mitgliederpublikation „IHK Wirtschaft“.

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