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Vor 50 Jahren kam der Hirsch auf die Trikots
Was heute in jeder Sportart und in jeder Liga ganz selbstverständlich ist, die Trikotwerbung für zumeist örtliche oder regionale Sponsoren, das war vor 50 Jahren noch undenkbar. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Zur Erklärung müssen wir uns zunächst den Bundesligaskandal am letzten Spieltag von 1971 in Erinnerung rufen. Die Braunschweiger Eintracht spielte dabei zwar nur eine untergeordnete Rolle, denn sie hatte nicht – wie andere Mannschaften – ein Spiel manipuliert. Allerdings hatte man eine Siegprämie mit Unterstützern von Arminia Bielefeld für das Spiel gegen Rot-Weiß Oberhausen ausgehandelt und von diesen 40.000 DM erhalten, obwohl das Match mit einem 1:1-Remis ausging.
Lange leugneten die Eintracht-Spieler diese Tatsache, im Februar 1972 aber mussten sie die Wahrheit zugeben. Das führte zu einem Bruch mit dem Publikum, die Zuschauerzahlen brachen ein und Eintracht rutschte erstmals in die „Miesen“. In dieser Situation trafen sich der umtriebige Geschäftsführer Günter Mast vom Spirituosen-Unternehmen „Jägermeister“ und Eintracht-Präsident Ernst Fricke. Sie entwickelten dabei die Idee, das Trikot der Spieler als Werbefläche zu nutzen. „Jägermeister“ erklärte sich dazu bereit, fünf Jahre lang jeweils 100.000 DM an den Verein zu zahlen, wenn dieser den roten Löwen auf dem Trikot durch das Firmensymbol, den Hirschkopf, ersetzen würde – die Trikotwerbung war geboren.
Das war, obwohl in Österreich schon seit einiger Zeit üblich, für die Bundesliga eine geradezu revolutionäre Idee, die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zunächst zu unterbinden versuchte. Man schenkte der Aktion große Bedeutung, weil es ein Präzedenzfall sei, ließ der DFB verlauten und fügte zur Begründung an: „Nach Beschluss von 1967 dürfen auf Sportbekleidungen Vereinsnamen, gegebenenfalls das Emblem und die Rückennummer des Spielers geführt werden, nicht aber andere Anschriften, insbesondere Werbung nicht.“
Die Lösung des Problems, das Schlupfloch für den Hirschen, offenbarte diese DFB-Stellungnahme bereits ungewollt: Anfang Januar 1973 stimmten die Mitglieder des Vereins dafür, dass das Vereinswappen der Amateurabteilungen zwar der Löwe bleiben soll, dass die Fußball-Lizenzspieler jedoch „als Wappen den Hubertus-Hirsch“ tragen sollen. Mast schwebte dafür zunächst eine Durchmessergröße von 20cm, später von 18cm vor, der DFB verlangte jedoch eine Verkleinerung auf 14cm und den Zusatz „EB“ für Eintracht Braunschweig im Wappen.
Solche Trikots (allerdings noch mit einem Durchmesser von 18cm) übergab ein strahlender Günter Mast am 17. Januar 1973 den Eintracht-Spielern in der Kabine. Sehr spaßig scheint es beim anschließenden Training zugegangen zu sein, denn die „Braunschweiger Zeitung“ berichtete: „Die Spieler röhrten wie die Hirsche und wirkten furchterregend.“
Bis zum ersten Auftritt mit dem Hirschen auf der Brust in einem Bundesliga-Spiel sollten jedoch noch einige Wochen vergehen. Wochen, die der Firma „Jägermeister“ die von Mast gewünschte bundesweite Aufmerksamkeit und Werbung bescherten. Am 24. März 1973 war es endlich so weit, die Eintracht trat mit dem vom DFB genehmigten Hirsch-Wappen gegen Schalke 04 an (1:1) und schrieb damit Geschichte. Bis zum Ende der Saison 1986/1987, die für die Blau-Gelben mit dem erstmaligen Sturz in die Drittklassigkeit (Regionalliga) endete, blieb der Hubertus-Hirsch nicht nur das Markenzeichen von „Jägermeister“, sondern auch von den Löwen.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Stadtglanz Print-Ausgabe 26 / Frühling 2023.
André Pause
ist seit dem 01.03.2023 Head of Content der mediaworld GmbH sowie Chefredakteur des Magazins Stadtglanz. Nach seinem Studium an der FH Hannover schrieb und fotografierte der Diplom-Journalist freiberuflich für regionale Medien sowie die Deutsche Presseagentur (dpa) und Fachzeitschriften aus dem Bereich Kultur. Zuletzt verantwortete er als Chefredakteur der Industrie- und Handelskammer (IHK) Braunschweig sechs Jahre lang deren Mitgliederpublikation „IHK Wirtschaft“.
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