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Wirtschaft

28. Juli 2022

Konsum. Luxus. Glück?

Macht es glücklich, sich etwas Besonderes zu leisten?

Von Jens Bölscher

Dr. Jens Bölscher, Geschäftsführer der WelfenAkademie, sprach mit Edith Gerhardt, Ehme de Riese und Tobias Rödiger über die Zusammenhänge zwischen dem Konsumieren von Luxusgütern und dem Empfinden von Glück.

Bölscher Frau Gerhardt, Sie ­versprechen den Gästen in Ihrem Hotel ein ganz besonderes Erlebnis.

Gerhardt Richtig. Das The Ritz-Carlton ist ein Hotel mit vielen Angeboten. Zum Beispiel haben wir in unseren Restaurants Terra und Aqua ganz eigenständige Küchen, im Falle des Aqua mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Ergänzend dazu unsere Lobby Lounge, das Deli und die Newman's Bar. Dann unseren Spa mit dem Pool, der auf dem Wasser schwimmt. Und natürlich die wunderschönen Zimmer und Suiten. Für alles, was wir tun, gilt: Weniger ist mehr. Wir überlegen uns ganz genau, was unseren Kunden ein besonderes Erlebnis verschaffen kann. Und dort legen wir dann unseren Fokus konsequent auf Qualität.

Bölscher Sie waren ja auch mal ­in einem Hotel auf Hawaii. Wie unterscheidet sich da Wolfsburg?

Gerhardt Ich glaube nicht, dass man ­Kundenbedürfnisse heute noch nach Regionen pauschalisieren kann. Jeder Gast sollte ganz einzigartig und persönlich behandelt werden.Das ist genau das, was wir versuchen. Natürlich ist das Konsumverhalten zum Beispiel in Hongkong, wo ich auch drei Jahre gelebt habe, schon anders als in Wolfsburg. Einkaufen und Geld ausgeben im großen Stil gehört dort zum guten Ton. Anders auf Hawaii, da reichen Shorts, Slippers und ein Barbecue hinten im Auto. Das ist eben ein anderes Lebensgefühl.

Bölscher Herr de Riese, mit welchen Ansätzen sind Sie am Markt erfolgreich?

De Riese Als ich 2002 nach Wolfsburg kam, habe ich versucht, hier zur guten Adresse zu werden. Möglichst zur besten. Ich will keine Menschen über Preise gewinnen, sondern ­ausschließlich über Atmosphäre, Lifestyle und mein Image. Möglichst einzigartig zu sein, das ist mein Thema. Ich führe keine Produkte, die auch andere Optiker haben. Grundsätzlich. Alle unsere Marken gibt es bei uns in Wolfsburg exklusiv, zum Beispiel Maybach und Bentley oder auch meine eigene Kollektion. Außerdem betrachten wir die Menschen, die zu uns kommen, nicht als Kunden, sondern als Gäste.

Bölscher Dieses Konzept verkörpern Sie ja mit jeder Faser. Ist es denn nicht schwierig, Mitarbeiter zu finden, die dem entsprechen?

De Riese Ich habe immer ganz viele Auszu­bildende genommen, die in das Konzept hineinwachsen und es dann auch ganz selbstverständlich umsetzen können. So haben wir es erreicht, dass die Mitarbeiter ein Eigenverantwortungs­gefühl für das Geschäft bekommen. Sich selbst um das zu kümmern, was ansteht, von der ersten Sekunde an aufmerksam mit unseren Gästen umzugehen – das ist allen im Team wichtig. Wir haben dafür einen Begriff geformt, die innere Qualität. Die ist entscheidend für Erfolg oder Misserfolg.

Bölscher Herr Rödiger, was machen Sie, damit Ihre Kunden bei Ihnen ein besonderes Konsumerlebnis haben?

Rödiger Heute vor genau 54 Jahren haben wir unser Geschäft eröffnet. Damals bestand unser Angebot zu etwa 20 Prozent aus Uhren und zu 80 Prozent aus Schmuck. Heute nehmen die Uhren dank des Wiederaufblühens der Schweizer Uhrenindustrie einen Anteil von rund 70 Prozent ein. Unsere Preise sind leider vom Schweizer Franken abhängig. Wir versuchen, diesen Spagat für Braunschweig hinzubekommen und uns nicht über die Preise zu definieren. Marken, bei denen wir uns in der Region mit anderen im Preiswettbewerb befinden würden, nehmen wir möglichst nicht ins Sortiment. Neben der besonderen Uhrenauswahl spielt bei uns auch das Arbeitsklima eine große Rolle. Wir sind ein Familienbetrieb, bei dem man in Rente geht. Ich glaube, es gab bei uns noch nicht eine einzige Kündigung. Dieses Klima spüren auch unsere Kunden.

Bölscher Frau Gerhardt, was ist Ihren Kunden wichtig und wie hat sich deren Konsumverhalten verändert?

Gerhardt Wir denken viel darüber nach, wie sich Service heutzutage anfühlen soll, und mir fallen dazu Worte wie unkompliziert, intuitiv, persönlich und liebenswert ein. Ich glaube, das ist es, was unseren Kunden und Gästen wichtig ist und was sie schätzen, wenn sie zu uns kommen. Das hört sich einfacher an, als es ist. Heute geht es weniger um Produkte, sondern mehr um emotionale Erlebnisse. Wir haben unsere Sache gut gemacht, wenn unsere Gäste sich zuhause gern und lange an ihre Zeit in Wolfsburg, der Autostadt und bei uns erinnern.

Bölscher Herr de Riese, wie ist das bei Ihnen?

De Riese Der Wolfsburger hat einen anderen Anspruch ­als der, der ihm offiziell zu geschrieben wird. Wir sind hier durch den Global Player Volkswagen geprägt. Darauf habe ich gebaut. Mein Ziel war es, einmal den Chef von Volkswagen zu bedienen. Ich lasse gerne offen, ob es mir gelungen ist. Auf jeden Fall haben viele darüber gelacht. Aber immer, wenn die Leute den Kopf schütteln und sagen, dass etwas unmöglich ist, dann mach ich es. Und die Entwicklung hat mir Recht gegeben: Der Anspruch an Individualität, Qualität, Niveau und Exzellenz ist in Wolfsburg stetig gestiegen.

Bölscher Die nächste Frage an Frau Gerhardt: Was tun Sie, um die sich verändernden Bedürfnisse der Kunden besser zu verstehen?

Gerhardt Wir haben einige Dinge, die parallel laufen. ­Da ist der persönliche Kontakt zu den Gästen, mit denen wir sprechen, um herauszufinden, welche Wünsche sie haben. Nach ihrem Aufenthalt lassen wir eine Online-Befragung ­durchführen, über die wir ganz viel Feedback bekommen. Außerdem nutzen wir Studien zu den globalen Trends.

De Riese So groß kann ich natürlich nicht denken. Aber im Grundsatz haben Sie Recht. Unser täglicher Kontakt zum Kunden, das ist unsere Chance. Aber zugleich bin ich überzeugt: Der sicherste Weg zum Misserfolg ist, es allen recht machen zu wollen. Wer kommt deswegen? Ich polarisiere im Angebot und hoffe, damit Menschen zu begeistern.

Gerhardt Ich sage auch immer zu meinen Mitarbeitern: „Wir können nicht alles für jeden sein.“ Wir treffen eine Vor­auswahl und laden unsere Gästen ein, immer wieder Neues und Interessantes zu erleben. Man sollte Vorreiter sein.

Rödiger Wir hören auch auf unsere Kunden. Aber man muss auch Trends erkennen. Und das geht nur, wenn man über den Tellerrand hinaus schaut. In schönen Hotels verweilen, in anderen Städten bleiben und gucken, was die Mitbewerber anbieten. Es gibt vieles, was wichtig ist, wenn man in diesem Bereich tätig ist. Daraus die richtigen Schlüsse für uns zu ziehen, das macht mir persönlich viel Spaß.

Bölscher Die nächsten beiden Fragen würde ich einfach gerne mal zusammenfassen. Was macht Sie persönlich glücklich und was hat aus Ihrer Sicht Glück mit Konsum zu tun?

Gerhardt Für mich ist Glück etwas anderes als Konsum. Wenn ich morgens durch den Wald laufe, wenn noch keiner draußen ist, ich die Luft fühlen kann, die Sonne aufgeht und es dampft. Das macht mich glücklich. Wenn ich mit lieben Freunden bei einem schönen Glas Rotwein und tollen Gesprächen zusammen sitze. Es gibt ganz viele Aspekte des Glücks.

De Riese Was macht mich persönlich glücklich? Gesundheit, Erfolg und Entwicklung, in allen Bereichen. Konsum hat für mich auch eine Funktion für mich selbst. Ich kann mich ab und zu selbst belohnen. Da hat Konsum etwas mit Glück zu tun.

Bölscher In welchen Lebensbereichen sollten Glück und Konsum nicht miteinander zu tun haben?

De Riese In der Liebe, die hat nichts mit Konsum zu tun. Auch mit der Erziehung unserer Kinder und mit unserer Gestaltungsfähigkeit hat Konsum nichts zu tun.

Rödiger Das Konsumieren von Luxus ist eine tolle Sache, die richtig Spaß macht. Wenn man sich an einem Auto, einer Brille, einer Uhr oder an einem Schmuckstück erfreuen kann, dann ist das schön. Schlimm ist es, wenn Leute Konsum oder Luxus mit Glück verwechseln und meinen, je mehr sie konsumieren, desto glücklicher werden sie.

Bölscher Was konsumieren Sie denn selbst besonders gerne und was sind dabei Ihre Lieblingsadressen in der Region?

Gerhardt Ich bin leidenschaftliche Teetrinkerin. In der Region gibt es viele schöne kleine Teeläden, in denen man viel schnuppern und probieren kann. Meine aktuellen Lieblingsrestaurants sind das 3 Naree und das Oniro, beides Restaurants, in denen hausgemachtes frisches Essen auf den Tisch kommt. Und dann der Sonnenschein Biomarkt, dort gebe ich unglaublich gerne Geld für Lebensmittel aus. Sie sehen, bei mir hat Glück auch etwas mit gutem Essen zu tun.

De Riese Meine Konsumleidenschaften sind meine Outfits und mein Auto. Meine Outfits stammen leider nicht aus Wolfsburg, sondern aus Bonn, aber Mode­macher in der Region können sich gerne bei mir melden. Meine Lieblings-Konsumadressen sind erstens die Vinothek Anders in Vorsfelde, weil es dort viele leckere Alternativen zum Alkohol gibt. Zweitens das Awilon im Kunstmuseum und drittens der Lindenhof in Nordsteimke, das ist die Gastwirtschaft meiner Jugend.

Rödiger Ich rauche ab und zu ganz gerne mal eine Zigarre oder trinke einen Rotwein mit Freunden. Und meine Top 3 Konsumadressen in der Region: das Aqua, auch wenn ich leider erst zweimal dort war. Dann liebe ich das Vapiano wegen des guten Kaffees dort. Ansonsten ist bei mir gegenüber das Restaurant Piccolo, wo ich gerne mittags bin. Aber ich koche auch gern und viel selbst.

Bölscher Welche Lebensregeln würden Sie im Hinblick auf Konsum Kindern mit auf den Weg geben?

Gerhardt Eigentlich keine, weil ich persönlich finde, das muss man den Eltern überlassen. Meine Eltern haben mir immer gesagt, dass meine Individualität wichtiger ist als Marken. Sie haben mich dazu erzogen, meine eigene Persönlichkeit zu finden und mich nicht über Marken zu definieren. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.

De Riese Man sollte Kindern immer zwei Dinge mitgeben: verzichte und genieße. Das Verzichten beziehe ich auf den Teil des Konsums, den man sich nicht leisten kann und für den man sich verschuldet. Wenn du aber ein gutes Gefühl bei etwas hast, dann genieße.

Rödiger Konsumverbot ist wahnsinnig schwierig, denn alles, was man verboten bekommt, will man besonders gerne haben. Das kann sehr schnell umkippen in die falsche Richtung. Es sollte ein langsames Heranführen an Konsum geben, das ist sicherlich sinnvoll. Aber man muss auch unterstreichen, was etwas Besonderes ist.

Bölscher Frau Gerhardt, Herr de Riese, Herr Rödiger, wir bedanken uns für das Gespräch.

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