Skip to main content

Wirtschaft

1. März 2018

Boutique Flughafen

Fliegen ab Braunschweig

Von Falk-Martin Drescher

(Fotografie: iStock/Rott7G)

Reiseveranstalter Der Schmidt aus Wolfenbüttel etabliert den Flughafen Braunschweig-Wolfsburg für Urlaubsflüge.

Der Medienrummel 2014 war groß, als „Der Schmidt“ im Jahr 2015 mit einem Premierenflug vom Flughafen Braunschweig-Wolfsburg nach Dubai startete. Seitdem bietet das Unternehmen unter der Marke „Fliegen ab Braunschweig“ Flüge zu diversen Reisezielen an. Ein aufwendiges und gleich wohl vielbesprochenes Unterfangen – im Gespräch zieht Geschäftsführer Philipp Cantauw ein Zwischenfazit und gibt Einblick in die Arbeit für den „besonderen“ Reiseabflugsort.

Wie ist es zu dem Format „Fliegen ab Braunschweig“ gekommen? Viele hatten den Flughafen Braunschweig-Wolfsburg vorher freilich nicht als Ausgangspunkt für die nächste Urlaubsreise auf dem Plan.

Eigentlich durch einen Zufall. Normalerweise stehen am Braunschweiger Flughafen keine Flugzeuge in der für uns notwendigen Größenordnung. Und nur mal einen Flug zu machen, bedeutet, dass jede Maschine für Hin- und Rückweg eingeflogen werden muss. Somit kommen auf einen Hin- und Rückflug vier Leerflüge inklusive der Positionierungen. Das rechnet sich einfach nicht.

2014 hatten wir aber die Chance, eine Air Berlin Rotation nach Dubai zu übernehmen,wo die Leerflüge schon anderweitig verchartert waren. Als wir gesehen haben, dass das Thema funktioniert, haben wir uns näher damit beschäftigt und sozusagen die Flucht nach vorn angetreten und eigene Flugketten aufgelegt. Wie haben die beteiligten Partner und einbezogenen Akteure auf Ihre Idee reagiert?

Erst einmal muss man sagen, dass der Braunschweiger Flughafen ein normaler Verkehrsflughafen ist. Diese Einteilung wird benötigt, um den Flugverkehr – auch für Forschung und die anderen Nutzer des Airports – zu gewährleisten. Wir sind uns aber der Verantwortung bewusst, dass der Begriff „Forschungsflughafen“ in aller Munde ist. Von daher war unser erstes Ansinnen, unseren Flugverkehr behutsam und beschwerdefrei in die Abläufe zu integrieren.

Wir kommen beispielsweise im Regelfall wochentags zwischen 10.30 und 15.30 Uhr mit unseren Flugzeugen. Immer dann, wenn die anderen Nutzer nicht vor Ort sind. Das Flughafenmanagement weist uns auch tunlichst auf diese Verantwortung hin. Die Mitarbeiter vor Ort –Groundhandling, Security und weitere – sind uns aber wirklich sehr positiv aufgeschlossen und wir haben ein sehr gutes Verhältnis. Die tun alles dafür, dass unsere Flüge perfekt laufen. Wir fliegen normalerweise mit einem Airbus A320 oder A321. Die freuen sich augenscheinlich, wenn sie einmal eine etwas größere Maschine abfertigen dürfen  …

Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere am Fliegen direkt aus „unserer“ Region? Zunächst ist es natürlich sehr bequem. Vom Absetzen am Flughafengebäude bis zum Flugzeug sind es manchmal nur 40 Meter. Und wenn wir fliegen, sind auch nur wir da. Da dreht sich alles um diesen Flug. Das ist schon ein bisschen Privatjetcharakter. Ich kann mich an einen Dubai-Flug erinnern, wo ein Gast zum Check-in ohne Reisepass kam. Da haben wir die Dame schnell zum Bürgeramt in die Innenstadt gefahren, sie hat einen vorläufigen Pass bekommen und konnte noch mitfliegen. An Großflughäfen undenkbar.

Aber mittlerweile unterscheiden wir uns auch in Sachen Erlebnis vor Ort. Die Art und Weise und die Zielgebiete sind so sorgsam gewählt, dass andere Flughäfen schon ein wenig neidisch schauen. Deswegen fliegen wir mittlerweile auch ab dem Flughafen Paderborn-­Lippstadt. Die wollten bewusst unsere Reisen dort anbieten, weil sie sich von den umliegenden Wettbewerbern abheben möchten.

Flüge an diverse Urlaubsorte ab dem Flughafen werden von Ihnen nun schon seit längerer Zeit angeboten. Wie lautet Ihr Zwischenfazit?

Sehr positiv. Wir sind ja keine Airline, sondern ein Reiseveranstalter. Deswegen machen wir auch vor Ort alles selbst. Wir sprechen mit jedem Hotelier und suchen in der Art hochgradig unterschiedliche Unterbringungen. Wahlweise vom guten, preiswerten Hotel, über Flair-Unterkünfte bis hin zu Luxusherbergen. Allein in Italien haben wir in diesem Jahr über 40.000 Übernachtungen eingekauft. Das honorieren die Gäste sehr. Genauso wie den Fakt, dass man sich seinen Urlaub modular zusammenstellen kann und so vom Badeaufenthalt bis zur Studienreise seinen Urlaub sehr individuell konfigurieren kann.

Dazu kommt, dass wir überall unsere eigenen Reisebegleiter stationieren. Die sollen nur dafür sorgen, dass man vor Ort nicht nur ein reibungsloses, sondern auch ein sehr persönliches Reise­erlebnis hat. Manchmal reicht es da schon, wenn man abends in der Bar angesprochen wird, ob alles in Ordnung ist und im Optimal­fall sogar mit Namen begrüßt wird.

Wie reagieren die Reisegäste auf das Angebot? Werden Ihnen neue Reiseziele vorgeschlagen – und wie reagieren Sie darauf, wenn sich Wünsche für ein bestimmtes Ziel häufen?

Da kommen tatsächlich viele Vorschläge und die hören wir uns auch sehr gern an. Oft sind wirklich gute Ideen dabei. Wir müssen dann prüfen, ob wir das Ziel in eine Kette einbauen können. Und natürlich prüfen wir das Potenzial des Zielgebietes genau. Da Vollcharterflüge wirklich sehr teuer sind, wollen wir da nichts dem Zufall überlassen.

Die mit den Starts verbundene logistische Herausforderung ist sicherlich nicht zu unterschätzen. Ich erinnere mich daran, dass mitunter spezielle Fahrzeuge aus anderen Städten kommen müssen …bietet es sich hier an, dass der Flughafen Braunschweig-Wolfsburg an der Stelle weitergehend investiert?

Das ist auch so. Allerdings sind wir da mittlerweile auf einem deutlich verbesserten Produktionsweg. Da wir den Flughafen Paderborn mit anfliegen, sparen wir pro Rotation einen Start und eine Landung. Wir haben also mit einem doppelt so großen Angebot nicht mehr Flugbewegungen in Braunschweig, da wir keine Leerflüge mehr brauchen. Aber nach wie vor kommt das Catering aus Hannover. Das ist allerdings bei fast allen norddeutschen Flughäfen der Fall, da Gate Gourmet nunmal dort sitzt. Wasser hat die Maschine bereits an Bord, da sie ja alles „live“ – also mit Passagieren – fliegt. Neuerdings haben wir in Braunschweig einen Crew­change. Das heißt, dass eine komplett neue Besatzung – vom Piloten bis zur Flugbegleitung – einsteigt, da die vorherige an diesem Tag bereits zwei Flüge hinter sich hat. Da kommt noch etwas Logistik dazu.

Mit dem Flughafen sollen, so heißt es, „neue Geschäftsfelder“ erschlossen werden. Erleichtert das Ihre Ausgangsbedingungen, das Angebot mittelfristig zu verstetigen oder zu erweitern?

Wir sind ja bereits Kunde des Flughafens. Und der Flughafen ist von der Gebührenordnung im deutschen Vergleich auch im oberen Bereich. Da wir als Reiseveranstalter an unsere Kunden nur Endpreise weitergeben dürfen, beinhalten diese Preise schon alle anfallenden Entgelte. Da kann man mal sehen, wie preiswert wir produzieren (lacht). Aber ernsthaft, eine deutliche Ausweitung des Passagierflugverkehrs wäre mit riesigen baulichen Investitionen verbunden. Und die Airlines zentralisieren sich ja mittlerweile lieber an Großflughäfen, um besser produzieren zu können. Selbst eine Ryanair fliegt ab Frankfurt-Main, weil sie eine Strategieänderung hinter sich haben. Und eine Airline kommt an dezentrale Flughäfen nur mit deutlichen Subventionen. Warum sollte der Braunschweiger Flughafen das tun? Die bekommen wir für unsere Flüge nicht. Es braucht also Individualisten wie uns, von hier attraktive Reiseangebote zu schnüren.

Natürlich möchten wir weiter wachsen. Nicht nur in Braunschweig, sondern auch in Paderborn oder an anderen Flughäfen. Aber das Wachstum wird allein schon im Hinblick auf Bettenkapazitäten vor Ort moderat ausfallen. Die Volumenzielgebiete wie Mallorca kann man ab Hannover besser, flexibler und auch deutlich preiswerter erreichen. Der Begriff „Boutique Flughafen“ gefällt mir in Bezug auf Braunschweig übrigens viel besser.

Welche Bedeutung hat Ihr Angebot aus Ihrer Sicht für die Region, sprich: Welche Strahlkraft geht davon in die Region und darüber hinaus aus?

Durch die Art und Weise, wie wir das Thema angehen, sind wir schon einzigartig. Exklusive Zielgebiete, modulares Zusammenbauen der eigenen Reise und ein sehr ausgeprägtes Hotelportfolio. Unser kleinstes Hotel hat zum Beispiel 19 Zimmer. Wir merken deutlich, dass unser Einzugsgebiet wächst. Wir haben schon einige Kunden, die auf dem Weg zum Flughafen Braunschweig am Flughafen Hannover vorbei müssen. Daher sorgen wir schon für etwas Strahlkraft.

Die Fachpresse hat das übrigens auch schon sehr gut aufgenommen. Für den Gast aus dem Braunschweiger Land ist es aber umso mehr das Tor nach Europa. Wir sagen ja immer spaßeshalber: Mittags eine Pizza zuhause und abends Spaghetti am Kollosseum in Rom. Angenehmer geht es doch kaum (lacht).

Falk-Martin Drescher

studierte Stadt- und Regionalmanagement und ist gelernter Quartiersmanager, engagiert sich selbst ehrenamtlich als Vorstandsvorsitzender des Braunschweiger Kultviertels. Im Medienbereich selbstständig, neben seiner journalistischen Tätigkeit als Konzepter, Moderator und im Bereich Influencer Relations aktiv. Mit dem The Dude-Newsletters (www.meett hedude.de) informiert er zudem jeden Montagmorgen über ausgewählte Events und Neuigkeiten aus der Region.

Mehr aus dieser Rubrik





Zur Startseite