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Lifestyle

16. Oktober 2025

Kneipengeschichten und Tresengeflüster aus Braunschweig und Wolfsburg

In diesem Herbst erscheint das Buch „Braunschweiger Kneipengeschichten – Von Klauen, Enten und Gespenstern“ von Marc Halupczok im Wartberg Verlag.

Fotografie: AdobeStock / hiro.y / Axel Bosse

Ob in der Barnaby‘s Blues Bar schon am Eröffnungstag ein Feuer ausbricht, ein silbern angemalter Nackter vor dem Café Riptide im Sommer das Weihnachtsfest ausruft oder Zapfmeister Achim aus der Funzel an einem Morgen den falschen Fußballfans die Tür öffnet – die Braunschweiger Kneipenszene war und ist ein Quell nicht enden wollender Anekdoten.

SG: Erzählt doch mal kurz etwas zu Euren Büchern.
Axel Bosse: „Mein Buch gehört zu einer erfolgreichen Buchreihe des Wartberg Verlags. In dieser Reihe erschienen bereits im vergangenen Jahr die „Wolfsburger Kneipengeschichten – Zwischen Tiffany und Hühner-
Rudi“. Ich erzähle darin, wie rund um Hühner Rudi, Eisbein Eck, Tannenhof und Wöhleke in den 1960er-Jahren die Töchter und Söhne der Kriegsgeneration das Stadtleben veränderten. Die Jugendlichen entzogen sich der elterlichen Kontrolle mit Wochendfluchten in die umliegenden Dörfer, wo sie z.B. im Star-Tanz-Club Ahnebeck feierten. Man traf sich Ende der 1960er-Jahre in der Commode 2000 und ab Anfang der 1970er in der Coquille mit ihrer alternativen, prä-queeren Wolfsburger Szene. Einige Kneipen Wolfsburgs erfüllten alle Klischees, die man mit einer Goldgräberstadt verbindet.“
Marc Halupczok: „In Braunschweig hingegen war die Kneipenszene in der erweiterten Innenstadt schon immer recht vital, was unter anderem an den vielen Studenten liegt. Auch hier lassen sich wunderbar Bögen vom den frühen 1950er-Jahren bis ins Hier und Jetzt spannen. 
Ich habe mein Buch eher als Spaziergang durch Braunschweig angelegt.“ 

SG: Was war der Auslöser für die Anfrage? Warum ist der Verlag auf 
euch gekommen? 
Axel Bosse: „Der Verlag kam auf mich zu und fragte, ob ich Interesse habe. Da ich 2018 die Ausstellung „Soundtrack Wolfsburg“ zur Musikszene im Stadtmuseum organisiert hatte, habe ich vorgeschlagen, ein Bucher die regionale Musikszene zu machen. Daraus wurde dann das Buch über die Kneipenszene. Wobei es allerlei Überzeugungsarbeit gekostet hat. Im Verlag konnte sich niemand vorstellen, dass das mit Wolfsburg funktionieren würde. Nach einigem Hin und Her konnte ich den Verlag überzeugen, den Versuch zu wagen.“
Marc Halupczok: „Ich habe bereits zahlreiche Artikel und Bücher, vor allem über Musik, bei Verlagen wie Reclam, Lapan oder Reiffer publiziert. Als freier Journalist und Autor arbeite ich mit einem Agenten zusammen, mit dem ich zusammen das Buch „111 Gründe Bier zu lieben“ gemacht habe. Ich bin also im Thema. Der Agent sitzt zwar in München, ist aber gebürtige Niedersachse. Ihm fiel auf, dass es in der Reihe ein Buch über Wolfsburg gibt, aber keines über Braunschweig. Also klemmte er sich dahinter, und ein paar Wochen später saß ich mit (ehemaligen) Wirtsleuten, Kellnern und Stammgästen an den Tresen und ließ mir die schönsten Geschichten erzählen. Manche dieser Etablissements haben die Zeiten überstanden, andere sind komplett von der Bildfläche verschwunden. Hier feiern sie unter viel Tabakqualm und Bierdunst ein Comeback. Wobei die aberwitzigsten Anekdoten meist gegen Ende des Gesprächs kamen. Am Anfang sagen immer alle, dass bei ihnen alles ganz normal läuft.“

SG: Hat das Wolfsburger Buch die Erwartungen erfüllt?
AB: „Als mir eine Wolfsburger Buchhändlerin sagte: 
,Herr Bosse, Ihr Buch geht weg wie warme Semmeln‘, war mir schon klar, dass ich den richtigen Weg eingeschlagen habe. “ 

SG: Was waren die größten Schwierigkeiten?
AB: „Neben der Recherchearbeit vor allem die Suche nach authentischen Fotos. Heute fotografiert ja jeder mit dem Handy alles um sich herum. Das war noch vor 15 Jahren ganz anders. Wenn man aber zu ehemaligen Wirtsleuten einen Draht gefunden hatte, konnte es sein, dass auf einmal alte Fotoalben und Gästebücher hervorgeholt wurden, die einen Blick in diese Zeit ermöglicht haben.“
MH: „Ja, die lieben Fotos. Ein Akt für sich, oft ging es nur über Umwege. Auch das Erinnerungsvermögen mancher Beteiligter ließ Sprünge von fünf bis zehn Jahren zu, das war praktisch nichts. Das dann zu sortieren, ist nicht immer einfach, macht aber Spaß.“

SG: Gab es auch kritische Anmerkungen?
AB: „Manchmal höre ich: „Warum ist diese oder jene Kneipe nicht dabei?“ Dann kann ich nur darauf verweisen, dass es niemals darum ging alle Kneipen zu erfassen, sondern die Stimmung und das Leben der Zeit exemplarisch wiederzugeben.“

SG: Gibt es eine Fortsetzung?
MH: „Ich habe ganz zu Beginn eine Liste mit Braunschweiger Kneipen erstellt, von denen nicht mal ein Drittel in dem Buch gelandet sind. Es wäre also noch Luft.“
AB: „Ich habe zwar allerlei Material, was mir erst nach dem Erscheinen des Buches zugeflogen ist, aber ob daraus mehr wird, weiß ich heute noch nicht.“

SG: Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen 
Braunschweig und Wolfsburg?
AB: „Ich kenne von Marcs Buch bisher nur die Verlagsankündigung. Die Funzel, die dort erwähnt wird, habe ich mit meinen Kommilitonen während des Maschnenbau- studiums häufig besucht, wenn die Vorlesungen zu langweilig waren. Ich denke aber schon, dass wir die Unterschiede zwischen beiden Städten auch in den Büchern finden werden.“
MH: „Siehst du, in der Braunschweiger Funzel habe ich meinen 40. Geburtstag gefeiert. Ich bin gebürtiger Gifhorner, war und bin also auch hin und wieder in Wolfsburg. Einige der Kneipen in Axels Buch kenne ich selbst, allerdings bei weitem nicht alle. Am Ende ist ein Tresen ein Tresen.“

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