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Lifestyle

9. März 2022

Was läuft eigentlich gut?

Es geht voran. Das sollten wir sehen und feiern!

Von Dr. Jan Plöger

(Foto: AdobeStock_ Orlando Florin Rosu)

Katastrophen ereignen sich schlagartig, sind aber zeitlich oder lokal begrenzt. Fortschritt ist langsam, findet aber auf breiter Front statt. Unser Gehirn ist darauf optimiert, schnelle Ver­än­de­rungen wahrzunehmen, kein Wunder, dass Dramatisches ins Auge springt. Das wissen natürlich alle, die Aufmerksamkeit erheischen wollen,um sie weiterzuverkaufen, wie Zeitun­gen, Funk, Fernsehen und Social Media.

Die Aufmerksamkeits-Erheischer zeichnen überwiegend ein erschüt­tern­des Bild unserer Welt:

Unterdrückte Minderheiten (zu denen aber durchaus auch Bevöl­ke­rungs­mehr­heiten zählen können) fristen ein tristes Dasein inmitten eines sterbenden, infizierten Planeten voller bösartiger Popu­lis­ten. Nur Panik und Empörung sind adäquate Reaktionen. Wer empörungsmüde eine Auszeit vom Katastrophenkino nimmt, entdeckt andere Aspekte der Welt. Davon handelt dieser Text: Was läuft eigentlich gut?

Als erstes ein ziemlich offensichtliches Beispiel: Die Lebenserwartung steigt kontinuierlich. Wer 1970 geboren wurde, hatte eine Lebenserwartung von knapp unter 74 Jahren. Im Jahr 2010 Geborene dürften eine Lebenserwartung von knapp 83 Jahren haben. Weltweit ist die Lebens­erwartung im gleichen Zeitraum von 50 Jahren auf 68 Jahre angestiegen. Und noch besser: die Lebensjahre, die gesund erlebt werden, steigt ebenso.

Weniger offensichtlich, aber ähnlich spektakulär sind die Fortschritte, die die Wenigsten direkt bemerken, aber einen gewaltigen Schritt vorwärts bedeutet.

Erstes Beispiel: Bei der mRNA-Impftechnik wird dem Körper ein Stoff gespritzt, der Zellen dazu veranlasst, ein Protein zu bilden (RNA: Ribonukleinsäure). Das Immunsystem erkennt das Protein als fremd und bildet Antikörper. Bei einer Infektion führen die Antikörper dazu, dass die Keime erkannt und vernichtet werden. Diese neue und bislang kaum verwendete Technik wird auch für COVID-Impfstoffe eingesetzt und daher im Moment in eher unfreiwillig großem Umfang getestet und scheinen sich zu bewähren.

Diese Technik ist flexibel, zwischen dem ersten Auftreten des SARS-CoV2-Virus und dem Antrag auf Zulassung als Impfstoff vergingen nur wenige Monate, was noch vor 10 Jahren als utopisch galt. Es zeichnet sich auch ab, dass mit der RNA-Technik effektive Impfungen gegen andere Krankheiten möglich werden, die bislang praktisch nur symptomatisch behandelbar waren, beispielsweise Malaria. Der Parasit produziert ein Protein, das das Immunsystem daran hindert, eine effektive Abwehr aufzubauen. Gegen genau dieses Protein richtet sich eine neue Impfung, die zu erschwinglichem Preis eine dauerhafte Immunantwort bei hoher Effektivität zu ermöglichen scheint.
https://patents.google.com/patent/US10842859B2/en?oq=US10842859.

Es besteht sogar die Aussicht, Krebs dadurch zu bekämpfen, dass mittels einer mRNA-Gabe das Immunsystem aktiviert wird und den Krebs angreift.

Zweites Beispiel: Eine Handvoll Unternehmen erzeugt mittlerweile nahrhaftes Tierfutter aus Luft oder Kraftwerksabgasen. Und das angeblich schon jetzt zu wettbewerbsfähigen Preisen https://solarfoods.fi und www.airprotein.com. Dazu wird CO2 aus dem Abgas oder der Luft abgetrennt und zusammen mit Wasserstoff an Bakterien verfüttert. Die Bakterien wachsen, werden abfiltriert und getrocknet. Der Wasserstoff kann regenerativ erzeugt werden. Das Verfahren hat gute Aussichten, eine Alternative zu Soja von Feldern abgeholztem Regenwald zur Eiweißproduktion zu werden.

Drittes Beispiel: Es ist möglich geworden, Fleisch auszudrucken. Was bis vor Kurzem nach Science Fiction klang, ist heute Stand der Technik und wird in Singapur bereits verkauft www.redefinemeat.com. Demnächst wird so hergestelltes Quasifleisch auch in Deutschland angeboten. Geschmacklich soll es von 90% der Tester kaum von normalem Fleisch zu unterscheiden sein. Wer aus Tierschutzgründen auf Fleisch verzichtet, kann in Zukunft wieder etwas auf den Teller legen, das dem Original zum Verwechseln nahe kommt.

Viertes Beispiel: Seit meiner Geburt konnten weltweit durchschnittlich jeden Tag (!) 120 000 Menschen absoluter Armut entkommen. Absolute Armut bedeutet ein Einkommen von weniger als 1,90 $ am Tag. Ich habe diese kaum zu glaubende Tatsache aber an keinem einzigen Tag als Schlagzeile gelesen.

Es geht voran. Das sollten wir sehen und feiern! Und mithelfen.

Sie haben Ahnung von dem, was wichtig ist in der Welt? Dann habe ich eine Bitte an Sie: Nehmen Sie Ihr Handy (ist bestimmt nicht weit weg…), gehen Sie auf die Seite www.gapminder.org und testen Sie Ihr Wissen über die Welt. Es geht schnell und kostet nichts. Aber sehen Sie selbst, es lohnt sich! Schreiben Sie uns, wie Sie abgeschnitten haben: feedback@mediaworldgmbh.de.

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