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Sport

10. Juli 2024

Emotionen und Ernüchterung

Eintracht & VfL Saison-Rückblick

Von Patrick Halatsch

(Fotografie: Eintracht Braunschweig und VfL Wolfsburg)

Party mit den Fans, Bierduschen und euphorische Stimmung hier, ernüchterte Anhänger, Selters und mehr Pfiffe als Applaus dort: Braunschweig feierte den Zweitliga-Erhalt der Eintracht fast wie einen Aufstieg, Wolfsburg registrierte den Erstliga-Verbleib nüchtern bis enttäuscht. So unterschiedlich können Klassenerhalte sein.

Die Zittersaison der Löwen wird ganz sicher als historische in die Vereins-Chronik eingehen, die der Wölfe als eine zum Abhaken in die Klub-Annalen. Platz zwölf am Ende einer Bundesliga-Saison, die reich war an Enttäuschungen. Denn natürlich war das Ziel ein anderes. Die Wolfsburger wollten um das internationale Geschäft mitspielen. Stattdessen durfte der VfL froh sein, nicht bis zum letzten Spieltag um den Klassenerhalt zittern zu müssen. Wobei, manch ein grün-weißer Anhänger hätte das Bangen vermutlich dem trägen Geplänkel im unteren tabellarischen Mittelfeld vorgezogen. Denn Abstiegskampf weckt und sorgt für reichlich Emotionen. Was das betrifft, dürfte manch ein Wolfsburger neidvoll in die Löwenstadt geblickt haben. Denn Gefühlsausbrüche jeglicher Art gab es dort in der abgelaufenen Spielzeit reichlich.

Mit „zu Tode betrübt“ dürfte die Stimmung bei den Eintracht-Fans Anfang November 2023 nur unzureichend beschrieben sein. Nach der enttäuschenden Derby-Niederlage in Hannover lag der BTSV mit lediglich fünf Punkten nach zwölf Spieltagen abgeschlagen am Tabellenende – mit sieben Zählern Rückstand auf den Abstiegsrelegationsplatz.

Schon zuvor hatte die Eintracht etwas wenig Originelles, aber doch Richtiges getan: sie hatte sich vom glücklosen Trainer Jens Härtel getrennt. Ehrlich gesagt, hatte man sich schon über dessen Verpflichtung wundern dürfen, aber das nur am Rande... Es kam Daniel Scherning. Und damit der Schlüssel zum Klassenerhalt. Auch wenn ihm den wohl nur die Wenigsten zugetraut hätten. Denn auch Scherings Verpflichtung war eine Überraschung, hatte er doch auf seinen beiden Stationen zuvor keine Glanzpunkte setzen können: Mit Zweitliga-Absteiger VfL Osnabrück verpasste er 2021/2022 als Tabellensechster den direkten Wiederaufstieg, beim Bundesliga-Absteiger Arminia Bielefeld konnte er 2023 die Talfahrt in Liga zwei nicht beenden und wurde auf Rang 16 liegend entlassen.

Doch der neue Mann feierte ein fulminantes Debüt bei den „Löwen“: Das Heimspiel ausgerechnet gegen seinen Ex-Club Osnabrück war in seiner Dramatik ein positiver Wendepunkt für die weitere Saison. Erst in der siebten Minute der Nachspielzeit traf damals Ermin Bičakčić zum 3:2-Siegtreffer, weitere quälende sechs Minuten dauerte es, bis der Treffer auch vom VAR anerkannt war. Dieser Erfolg schweißte das Team zusammen und brachte den Glauben zurück, das Unmögliche zu schaffen. Was mit dem Zittersieg am vorletzten Spieltag zu Hause gegen Wehen-Wiesbaden ja auch gelang und entsprechend euphorisch gefeiert wurde.

Auch bei Nachbar und Erstligist Wolfsburg gab es einen Trainerwechsel in der abgelaufenen Saison: den von Niko Kovac zu Ralph Hasenhüttl. Nicht wenige Anhänger hätten sich diesen früher gewünscht. Kovacs Idee vom Fußball passte nicht zum Kader – oder umgekehrt. Zudem weckte dessen introvertierte, distanzierte Art bei den wenigsten Anhänger Emotionen. Kovac und der VfL: das war keine Liebesbeziehung, nicht mal eine erfolgreiche Zweckgemeinschaft.

Immerhin: Auch der Einstand des neuen VfL-Trainers war, ähnlich wie in Braunschweig, ein Traum-Debüt: Ralph Hasenhüttl gelang zum Auftakt einen Auswärtssieg in Bremen. Es war der erste Dreier nach einer Sieglos-Serie von elf Spielen.

Der neue Coach jubelte nach dem Schlußpfiff ausgelassen, herzte jeden seiner neuen Spieler innig und sorgte so für lang nicht mehr erlebte Gefühlsausbrüche in Wolfsburg.

Unter Hasenhüttl machte der VfL den Klassenerhalt zeitig perfekt. Trotzdem blieben und bleiben Fragezeichen. Wofür steht der VfL? Welchen Fußball will er spielen? Wo will er hin?

Das größte Fragezeichen hinterließ eine Personalie: Das jähe und traurige Ende der Ära Marcel Schäfer, einer Klub-Identifikationsfigur, paßt zu dieser ernüchternden Saison.  Sportgeschäftsführer Schäfer kam einst unter Felix Magath als No-name-Spieler zum VfL und feierte mit den Wölfen die DM 2009. Eine Sensationsmeisterschaft, die sich kürzlich zum 15. Mal jährte. Eine, die auch Schäfers Augen nach so langer Zeit zum Leuchten brachte, wie er in unserer NDR-Dokumentation „Magaths Meisterwerk“ eindrucksvoll und authentisch bewies.  Sie hat die VW-Stadt in eine bis heute einzigartige Ekstase versetzt. Wer die Bilder von damals mit heute vergleicht, dürfte Wehmut empfinden. „Schäfi“, wie er nicht nur von Kultfanfrau Dorothea Hampel liebevoll genannt wurde, wird dem VfL fehlen.

In Braunschweig binden sie derweil weiter emsig Klub-Legenden in den aktuellen Betrieb ein. Benjamin Kessel, Dennis Kruppke, Marc Pfitzner, Jasmin Feijsic und Ken Reichel waren auch kürzlich beim Tag der Legenden vor 14.000 Fans dabei. Auch da gab es reichlich Emotionen. Emotionen, die Eintracht-Fans offenbar brauchen, wie andere die Luft zum Atmen. Die sind liga-unabhängig und für kein Geld der Welt zu kaufen.

Das dritte Zweitliga-Jahr soll weniger zittrig werden, aber nicht weniger emotional. In Braunschweig herrscht Aufbruchstimmung.

Die wünschen sie sich auch in Wolfsburg auch. Mit dem kommunikativeren und nahbareren Ralph Hasenhüttl ist der Anfang für einen Stimmungsumschwung zumindest schon mal gemacht. Es kann eigentlich nur besser werden.

 

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