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Wirtschaft

26. März 2024

In unruhigen Zeiten sind es Stabilität und Sicherheit, die einen Arbeitgeber attraktiv machen.

Schon der amerikanische Naturwissenschaftler, Gründervater und berühmte Erfinder des Blitzableiters Benjamin Franklin sagte vor mehr als 200 Jahren zum Thema Sicherheit: „Eine Unze Prävention ist mehr wert als ein Pfund Heilung.“

Von Volker Franck

( Fotografie: tippapatt )

Sicherheit in der Arbeitswelt bedeutet neben bestehenden Gesetzen und Verordnungen eben auch ein Stück weit Erfindergeist, Empathie und Verantwortungsbewusstsein von Führungskräften gegenüber ihrer Belegschaft. Zum einen geht es um den Schutz der Mitarbeitenden auf der einen Seite, unabdingbar ist aber auch Augenmaß bei der Abschätzung und Absicherung finanzieller Risiken für das Unternehmen. Und dann sind da noch die Rahmenbedingungen als großes Ganzes, wie die konjunkturelle Lage, die Krisen unserer Zeit, der demografische Wandel, welche enormen Einfluss auf das Thema Sicherheit in einer funktionierenden Arbeitswelt haben. Wir wollen in unserem Gastbeitrag einmal Entscheiderinnen und Entscheidern aus der Region „auf den Zahn fühlen“, wie sie mit den Sicherheitsdimensionen Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitssicherheit und Cybersicherheit in ihrem Unternehmen umgehen.

Wibke Berger ist Leiterin Personal- und Marketing, sowie Prokuristin bei Dachdecker-Einkauf Ost eG in Braunschweig, und sie ist ehrenamtliches Vorstandsmitglied bei uns im AGV:
Volker Franck: Frau Berger, ist denn aus Ihrer Sicht die Sicherheit von Arbeitsplätzen aus dem Fokus des öffentlichen und betrieblichen Interesses gerückt?
Berger: Ich glaube, der Fokus verteilt sich gerade auf viele verschiedene Bereiche. Wir erleben diese Zeit alle als unruhig und spüren, dass wir ein Stück Sicherheit in den letzten Jahren verloren haben. Der „War of Talents“ hat in den letzten Jahren sehr viel Raum eingenommen. Da kommt uns eine Konzentration auf andere Bereiche gerade vielleicht so vor, aber ich glaube, dass wir weiterhin sehr auf die Sicherheit der Arbeitsplätze für unsere Region schauen und neue Wege suchen, um diese auch in stürmischen Zeiten zu erhalten.


VF: Haben Sie dafür ein gutes Beispiel?
Berger: Ja, ich habe in der letzten Woche mit Wiebke Berner von Siemens Mobility zusammengesessen. Sie hat mir von einem schönen Best Practice Beispiel aus unserer Region erzählt. Siemens Mobility hat einen erhöhten Personalbedarf im Bereich Signal- und Bahnautomatisierungstechnologien. Bei Continental im Werk Gifhorn werden leider die Geschäftsaktivitäten schrittweise eingestellt. Beide Unternehmen haben eine Absichtserklärung zur „Zusammenarbeit“ unterzeichnet. Dadurch kann bei entsprechender Eignung bis zu 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Beschäftigungsperspektive in unserer Region bei Siemens Mobility gegeben werden. Ich denke, in diese Richtung sollten wir in diesen Zeiten mehr denken. Wir sollten achtsam mit den Menschen unserer Region umgehen und ihnen Möglichkeiten der Veränderung bieten, wenn bei uns Wege enden. Denn eins ist klar – wenn wir das Know-how erstmal an andere Regionen verloren haben, wird es schwer sein, dieses wieder zurückzugewinnen. Und wir werden jede Arbeitskraft, egal aus welchem Tätigkeitsumfeld, auf jeden Fall benötigen.


VF: Was sind also Ihre Handlungsempfehlungen für Führungskräfte?
Berger: Schaffen Sie psychologische Sicherheit im Team und am Arbeitsplatz. In unserem dynamischen Zeitalter ist es wichtig, für Mitarbeiter die Gewissheit zu haben, dass sie ihre Meinung, Ideen und Bedenken äußern dürfen. Wir sollten ein Netz aus Offenheit und Vertrauen schaffen. Geben Sie überall dort, wo es geht und Sie es bislang nicht getan haben, Sicherheit – wie z.B. über unbefristete Verträge. Erwägenswert wäre ein unbefristeter Vertrag direkt nach der Ausbildung. Und natürlich – vernetzen sie sich. Das Best-Practice-Beispiel wäre wahrscheinlich ohne das offene Handeln und auch gut informiert sein, nicht zu Stande gekommen.


VF: Welche Branchen versprechen Sicherheit und Zukunft in der Region?
Berger: Wie erwähnt haben die Bereiche rund um das Thema Bahnindustrie einen hohen Personalbedarf. Davon sind somit auch andere Marktteilnehmer neben Siemens Mobility Braunschweig beteiligt. Diese befinden sich ebenfalls in der Region – wie Alstom und Stadler. Auch die Deutsche Bahn sucht qualifiziertes Personal. Im Gesundheitswesen und Life-Science-Bereich werden kontinuierlich Fachkräfte und Quereinsteiger gesucht. Unsere Krankenhäuser und auch Verbände wie die AWO und die Stiftung Neuerkerode suchen Menschen, die einen Beruf mit Purpose ausüben möchten. Der demografische Wandel wird auch in den nächsten Jahren eine steigende Nachfrage nach Gesundheitsleistungen befeuern. Unternehmen, die sich mit Solarenergie, Windenergie und anderen Formen der erneuerbaren Energieerzeugung befassen, könnten ebenfalls langfristig wachsen. Und last but not least: das Handwerk. Viele Familienunternehmen suchen Fachkräfte und Auszubildende. Letztere werden gefördert und weiterentwickelt, um langfristig im Betrieb zu bleiben. Und eins ist klar – keine KI wird einen guten Dachdecker ersetzen. Abschließend sollten wir alle versuchen, weiterhin positiv in die Zukunft zu schauen. Wenn das große „Außen“ es nicht schafft, uns Sicherheit zu vermitteln, sollten wir alle etwas für die Gesellschaft tun und unseren Mitmenschen ein Lächeln schenken. Manchmal schenkt schon das Sicherheit.

 

Dr. Philip Bosse ist Geschäftsführer bei PROTEGO, Braunschweiger Flammenfilter GmbH. Er spricht beim Thema Arbeitsplatzsicherheit von großen Herausforderungen für die Industrie und am Arbeitsmarkt:
VF: Wie sicher sind, mal abgesehen von den Global Playern der Automobilbranche, die Industriestandorte Braunschweig, Wolfsburg und Salzgitter? Und auf was müssen sich Unternehmen einstellen?
Bosse: Für uns als familiär geprägtes Familienunternehmen ist der Industriestandort BS sicher. Wir sind ein Traditionsunternehmen und bauen gerade auch am hiesigen Standort auf die Erfahrung und Kompetenz unserer Mitarbeiter. Allerdings wird es am Braunschweiger Standort kein großes Wachstum geben, die Wachstumsmärkte liegen für uns im außereuropäischen Ausland und den dortigen Standorten. Besondere Herausforderungen sehen wir in der Fachkräftegewinnung, den starken Kostensteigerungen bei Entgelten und tariflichen Forderungen, dem Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, den ständig steigenden zu erfüllenden Regulierungen und der Bürokratie.


VF: Mit welchen Herausforderungen müssen Unternehmen aktuell beim Thema Cybersicherheit umgehen?
Bosse: Leider steigt die Bedrohungslage, gerade auch in der metallverarbeitenden Industrie, immer weiter an. Durch Angriffe auf unsere Firewall, und die damit verbundenen Strukturen, ist schon jetzt die Bedrohungslage sehr hoch. Cyberkriminelle entwickeln immer neue Methoden, wodurch die Angriffsszenarien immer vielfältiger werden. Die Unternehmen müssen immer stärker in den Bereich der Security investieren, um den Angriffen standhalten zu können. Verstärkt sind Phishing-eMails im Umlauf, um Passwörter sowie interne Accounts zu erbeuten. Bei solchen Angriffen kann nur bedingt Technik einen Schutz bieten, da in letzter Instanz durch einen Mitarbeiter die eMail beantwortet wird. In solchen Fällen müssen die Mitarbeiter durch die IT oder ein Awareness-Training geschult werden, damit die Bedrohungslage durch den Mitarbeiter erkannt werden kann.


VF: Welche Rolle spielt die Arbeitsplatzsicherheit in der Unternehmenskultur Ihrer Firma, etwa im Hinblick auf die Arbeitsvertragsgestaltung?
Bosse: Die Arbeitsplatzsicherheit spielt eine große Rolle. Wir versuchen, die Mitarbeiter langfristig für das Unternehmen zu gewinnen. Wir müssen also die Attraktivität als Arbeitgeber hoch halten und möglichst flexibel auf die Anforderungen der Gen Z reagieren. Hierbei spielen nicht nur attraktive Verdienstmöglichkeiten eine entscheidende Rolle, sondern auch flexible Arbeitszeiten, Teilzeitangebote, mobile Arbeitsplätze, Digitalisierung, Personalentwicklung und Qualifizierung, soziale Angebote – deshalb ist für uns auch die Auszeichnung als Zukunftgeber sehr wichtig.

 

Den Stimmungs-Barometer zum Leitthema Sicherheit in Unternehmen komplettiert Nicole Both als geschäftsführende Gesellschafterin der Firma AL-Elektronik Distribution GmbH aus Braunschweig. Auch sie ist ehrenamtliches Vorstandsmitglied beim AGV und beschäftigt sich regelmäßig mit Security-Fragen:
VF: Frau Both, wie gehen Sie mit dem Thema Cyber-Sicherheit in Ihrem Unternehmen um?
Both: Wir haben bei uns im Haus die IT-Abteilung erweitert, Wirtschaftsinformatik-Studenten zum Aufbau weiteren Personals eingestellt, mit den IT-Dienstleistern geänderte Anforderungen an unser System besprochen und umgesetzt. Ferner wurde der Versicherungsstand der Cyber-Versicherung überprüft und optimiert. Sicherheitsschulungen wurden für die IT verschärft. Es gibt noch Awarness-Tage für das Thema IT.


VF: Ein gesundes Unternehmen, braucht gesunde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,  welche Angebote machen aus ihrer Sicht einen attraktiven Arbeitgeber aus?
Both: Wir bieten die Option, den Arbeitsplatz zu verändern und auch alternative Sitzmöglichkeiten (z.B. ein Ball), um sich entsprechend seiner Wünsche den Arbeitsplatz zu gestalten. Mehrmals im Jahr finden gesundheitliche Schulungen statt. Gesunde Ernährung ist ebenso wichtig und wird durch ein Hochbeet und die zur Verfügungsstellung von Obst unterstützt.

VF: Werfen wir noch einen Blick auf die Ausbildung: Welche Chancen, Trends und Benefits, gibt es für Nachwuchskräfte?
Both: Wir arbeiten in einer Zukunftsbranche – Elektronik ist so gut wie überall enthalten, dies versuchen wir zu kommunizieren und haben im Jahr 2022 angefangen, verschiedene Kanäle zu bespielen, die für die jungen Leute wichtig sind. Wir bilden aus, um zu übernehmen und unterstützen auch bei der Weiterbildung, wie z. B. bei einem Masterstudium, Abend-Kolleg oder gar fachspezifischen Weiterbildungen, die für unsere Branche wichtig sind. Alle Kosten werden von uns übernommen. Flexible Arbeitszeiten und Homeoffice gehören mittlerweile zum guten Ton und werden von uns ebenfalls angeboten. Bereits beim Schülerpraktikum berichten wir, was unsere Branche ausmacht und welche Optionen sie für die Zukunft bietet.

 

Randnotiz:
Zukunftgeber ist eine Auszeichnung, die besonders attraktive Arbeitgeber der Region erhalten können, wenn sie am Zertifizierungsverfahren des Arbeitgeberverbandes Region Braunschweig e.V. teilnehmen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Stadtglanz Print-Ausgabe 30 / Frühling 2024.

 

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