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Kultur

3. Januar 2023

Highway to Hell oder Stairway to Heaven?

Auf einem Roadtrip in die Welt von Harley-Davidson Braunschweig

Fotografie: Marc Stantien/AdobeStock/Anatoliy

Kaum vorstellbar, dass die große Geschichte der international bekannten und begehrten Marke Harley-Davidson in einem kleinen Schuppen in Milwaukee beginnt. 1901 haben der 20-Jährige William S. Harley und sein Freund Arthur Davidson genug davon, mühsam auf ihren Drahteseln die Berge Milwaukees hochzustrampeln. Ein Motor soll Abhilfe schaffen – das ist der Plan, der nach zwei Jahren werkeln in der Garage Formen annimmt.

Der Triumph ist jedoch nur von kurzer Dauer, denn schnell wird klar, dass der selbst gebaute Motor zu wenig Antrieb hat. Der Antrieb der beiden lässt jedoch nicht nach, im Gegenteil. Sie beginnen umgehend mit der Arbeit ein neues, leistungsfähigeres Modell zu konstruieren. Das Endprodukt ist ein Meilenstein in der Geschichte von Harley-Davidson und besticht das Vorgängermodell mit einer deutlich höheren Leistung. Mit diesem Motor ist kein Berg der idyllischen Stadt in Wisconsin mehr eine Herausforderung für die beiden Bastler. Der Highway vom motorisierten Fahrrad in Richtung Motorradbranche ist geebnet und es geht von nun an steil bergauf.

„Mit Liebe zum Detail“

Auch André Rodemüller entdeckt schon früh seine Leidenschaft für Motorräder – mit gerade mal 19 Jahren macht er die Straßen auf seiner ersten Harley unsicher. Während des Studiums im Bereich Maschinenbau jobbt er in einem Harley-Davidson-Store und eröffnet 1990 als Vertragshändler seinen ersten eigenen Laden in Braunschweig in der Hafenstraße.

Seit 2014 ist das Geschäft, das gleichzeitig auch ein kleines Museum und eine Werkstatt beinhaltet, am Waller See zu finden. André kann zu jedem der Modelle in seinem 1.000 Quadratmeter großen Laden eine Geschichte erzählen. Neben Oldtimern, die nur noch als Ausstellungsstücke zu begutachten sind, findet sich hier für jede Vorliebe ein passendes Modell. Die riesige Auswahl geht von besonders sportlich hin zu abenteuertauglich, elektronisch angetrieben oder auf drei Rädern. „Auch die raffinierte Technologie der neuen Maschinen macht einiges möglich.

Über ein integriertes Display können digitale Anzeigen, Kontrollleuchten, Fahrmodi und Navigation angezeigt werden. Außerdem besteht die Möglichkeit, eine Bluetooth-Verbindung herzustellen“, so der Inhaber des Stores. Aber was hält der Diplom-Ingenieur von diesen modernen Möglichkeiten? „Ich finde es immer schön, wenn trotz moderner Technik nicht mit der Tradition gebrochen wird. Ansonsten würde ich sagen alles kann, nichts muss. Es kommt in erster Linie auf das Fahren an“, antwortet derHarley-Liebhaber unverblümt.

Mit mindestens genauso viel Liebe zum Detail wie sie in einer Harley steckt, wurde auch der Store am Waller See konzipiert. Von der Anzahl der verschiedenen Modelle und sogar E-Bikes bin ich vorerst so fasziniert, dass ich dem kleinen Häuschen mitten in der großen Halle gar keine Beachtung schenke. Hier befindet sich ein Büro für Termine und Gespräche mit KundInnen. „In Anlehnung an die Harley-Historie ist das Design der rechten Seite wie ein Schuppen aufgemacht und die linke Seite sieht aus wie eine kleine Fabrik mit roten Backsteinen – die erste Fabrik, in der 1906 erstmals „richtig“ produziert wurde“, klärt mich André auf.

Die lange Geschichte ist seiner Meinung nach unter anderem ein Grund dafür, dass Harley-Davidson als vielleicht der Inbegriff des Motorades in der Branche gilt. Seit 119 Jahren sind die Motorräder auf dem Markt und bestechen laut André auch durch ihre Langlebigkeit.

„Natürlich ist klar, dass wir Benzin verbrennen. Jedoch steckt meiner Meinung nach in einer Harley, die man über mehrere Jahrzehnte fahren und dann restaurieren kann, auch eine gewisse Nachhaltigkeit.“ Anders als beispielsweise Autos verliert sie nicht oder kaum an Wert. Im Gegenteil, der Wert steigt sogar über die Jahre, zumindest bei einer Vielzahl der Modelle. Somit hat eine Harley-Davidson in einer schnelllebigen Zeit, in der mehr weggeworfen als wiederverwendet wird, einen echten Sammelcharakter.

Die Frage, wie viele verschiedene Modelle André selbst in seiner eigenen Garage zu Hause hat, lässt er unbeantwortet, vielleicht auch weil er es nicht beantworten kann. Er hat wohl aufgehört zu zählen.

„Ruhe zwischen lärmenden Motoren“

André, die Gelassenheit in Person und die Seele des Ladens findet seine Ruhe auf zwei Rädern zwischen lauten Motoren. Für ihn bedeutet Motorradfahren frei sein in der Natur, loslassen und Spaß haben. Vor allem für Roadtrips und auch Partys der Szene ist er immer zu haben.

Was antwortet André, wenn Leute erwähnen, dass Motorradfahren gefährlich sei? „Ist es ja auch.“

Jedoch gibt ihm die Gewissheit, mit einem robusten Modell unterwegs zu sein, mehr Sicherheitauf den Straßen. Dort trifft man ihn übrigens auch öfter im Beisein seiner beiden Harley-Hunde Caspa und Paul an, die gerne im Beiwagen mit zur Arbeit fahren und das 13-köpfige Team tatkräftig unterstützen. Nachdem ich die gemütlichen Vierbeiner kennenlernen konnte, die Lounge in der oberen Etage mit Flipper im Harley-Design, inklusive einer Bar und Vin-tage-Couch, verabschiede ich mich und steige wieder ins Auto. Motorrädern, die auf der Autobahn an mir vorbeisausen, schaue ich gebannt hinterher.

Lina Tauscher

Die 25-Jährige ist ausgebildete Kauffrau für Marketingkommunikation, fühlt sich aber im redaktionellen Bereich am wohlsten. Momentan studiert sie Journalismus und Public Relations und ist in der MediaWorld als Redakteurin sowie im Content-Management tätig. Sie begeistert sich für gute Geschichten, die von inspirierenden Menschen und Meinungen zum Leben erweckt werden.

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