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Wirtschaft

11. August 2022

Das Braunschweig-Wolfsburg-Sofa

Entwicklung der Digitalisierung

(Fotografie: Thomas Gasparini)

Die Entwicklung im Bereich der Digitalisierung hat nicht nur einen außer­ordentlichen Einfluss auf unsere Region, sie wird auch durch Experten und Netzwerker aus Wolfsburg und Braunschweig stark beeinflusst.

Dipl.-Ing. Sven-Ove Wähling, Geschäftsführer der Netzlink Infomationstechnik GmbH und Oliver Körber, CEO bei TE-SYSTEMS GmbH, sind zwei dieser Experten unserer Region. Für STADTGLANZ trafen sich Holger Stoye, Geschäftsführer der WMG Wolfsburg und Gerold Leppa, Geschäftsführer der Braunschweig Zukunft GmbH, mit den beiden Herren. Sie tauschten sich über die Rolle unserer Region im Digitalisierungsprozess aus. Dieser Austausch fand an einem außergewöhnlich faszinierenden Ort statt: Der aktuellen Ausstellung Hans op de Beecks, im Kunstmuseum Wolfsburg.

Redaktion: Die Industrie 4.0 ist geprägt von intelligenten Maschinen und vernetzten Fabriken. Ist die konsequente Digitalisierung aller Geschäftsprozesse Voraussetzung dafür, die Zukunft eines Unternehmens zu sichern?

Wähling: Wir erleben gerade, wie viele vormals analoge Prozesse plötzlich in digitale Abläufe überführt werden und die Informations- und Kommunikationstechnologien in einem rasanten Tempo an Bedeutung gewinnen. Ein gutes Beispiel ist hier das Thema Elektromobilität oder autonomes Fahren. In diesen Dienstleistungen und Produkten stecken völlig neue Angebote, die ohne Digitalisierung nicht möglich wären. Aber auch für die Unternehmen selbst sind die Vorteile enorm, die das Internet bereits heute bietet. Mithilfe von Sensoren können Daten nicht nur erhoben, sondern schließlich auch in Beziehung zueinander gesetzt werden. Dies macht scheinbar bislang verborgene Zusammenhänge sichtbar. Denkt man an die zunehmende Komplexität heutiger Geschäftsprozesse, so ist es offensichtlich, dass eine gute Datenbasis und intelligente Maschinen viele Entscheidungen erleichtern und Managern eine wichtige Unterstützung sind. Die Digitalisierung macht dabei vor keinem Geschäftsprozess halt und ist damit notwendige Voraussetzung für die kontinuierliche Weiterentwicklung von Unternehmen. Als IT-Unternehmen treiben wir auch mit unseren Kunden die Themen der Digitalisierung jeden Tag ein Stück weiter voran.

Körber: Natürlich muss nicht alles digitalisiert werden. Jedem Unternehmen sollte aber klar sein, dass der Weg dorthin die eigentliche Aufgabe ist. Digitalisierung sehe ich als Chance vieler Unternehmen, sich für die Zukunft aufzustellen. Oft werden Prozesse von Generation zu Generation vererbt und niemand schaut hin, ob es vielleicht Potenzial zur Verbesserung gibt. Muss ich den Prozess digital abbilden, so muss jeder Schritt analysiert und somit auch hinterfragt werden. Alleine damit bereitet sich das Unternehmen für die Zukunft vor.

Stoye: Ja, das sehe ich auch so. Der technologische Wandel schafft immer wieder neue Märkte und wälzt brancheninterne Spielregeln komplett um. Darum ist es wichtig, dass Unternehmen sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Digitalisierung ändert jeden Lebens­bereich, im privaten wie im beruflichen. Der exponenziell verlaufende Fortschritt der IT und damit die sich immer wieder neu ergebenden technologischen Möglichkeiten führen dazu, dass der Veränderungsdruck unglaublich groß ist. In einigen Branchen mehr als in anderen. Die Möglichkeiten der nächsten Jahre sollten nicht unterschätzt werden. Redaktion Welche Herausforderungen, zum Beispiel mit Blick auf die Infrastruktur, ergeben sich daraus für die Städte und Kommunen in der Region?

Körber: Die Städte und Kommunen sind natürlich ein wichtiger Partner für alle Unternehmen. Der Glasfaserausbau ist genauso wichtig wie der Wasseranschluss für jeden Haushalt. Das Funknetz sehe ich eher als Plan B. Am Ende wird eine gesunde Mischung aus verschiedenen Netzen und Anbietern die beste Wahl sein. Neben der eigentlichen Infrastruktur sehe ich die größte Herausforderung in den Inhalten und Diensten, die diese neue digitale Welt nutzen sollen. Ende der Neunziger gab es bereits die Initiative „Schulen ans Netz“. Auch da haben schon die Inhalte gefehlt. Heute habe ich eigene Kinder in der Schule und muss 20 Jahre später mitverfolgen, dass ein PC mit Internetanschluss noch keine Medienkompetenz vermittelt. Es hängt hier ganz einfach immer am Engagement der einzelnen Personen. Andere Städte und Länder sind hier einfach weiter und haben verstanden, dass in der Ausbildung die eigene Zukunft liegt. Hier muss unsere Region noch stärker dran arbeiten.

Wähling: Die Bürgerinnen und Bürger sind zunehmend mit digitalen Themen, Anwendungen und mobilen Geräten vertraut. Kommunikation und Geschäfts­abwicklung sind digital geworden. Diese heterogene, schnell wachsende und sich laufend weiterentwickelnde Infrastruktur bietet jede Menge Chancen. Viele Menschen wünschen sich daher diese Flexibilität auch im Bereich ihrer eigenen Stadt. Offene IT-Lösungen und -Architekturen sind notwendige Voraussetzungen, um Mitgestaltung, Mitbestimmung und Unabhängigkeit zu gewährleisten. Alle Bewohner einer Stadt müssen Zugang zu verfügbaren Informationen, Diensten und Anwendungen haben. Die private Anbindung an schnelles Internet ist dabei eine genauso wichtige Anforderung wie die Versorgung mit WLAN im öffentlichen Raum – zum Beispiel an Bushaltestellen oder auf Marktplätzen. Aber auch intelligente Apps oder die Bereitstellung von ohnehin öffentlichen Daten werden gerade für die jüngeren Bürgerinnen und Bürger ein Thema. Gerade in unserer Region mit größeren Verkehrsknotenpunkten sind smarte Lösungen gefragt, um die Lebensqualität trotz des hohen Verkehrsaufkommens zu erhöhen.

Leppa: Die ersten Schritte zur „Smart City“ haben wir in Braunschweig bereits auf den Weg gebracht. In der Innenstadt haben unsere Partner BS Energy und htp ein öffentliches WLAN-Netz eingerichtet. Mit Wolfsburg und Salzgitter erörtern wir die Möglichkeiten, ein regionales WLAN aufzubauen. Seit vergangenem September gibt es das Handyparken, das in Braunschweig bereits sehr gut angenommen wird. Mittelfristig haben wir den Wunsch, weitere mobile Services zusammen­zuführen und so die „Smart City Braunschweig“ greifbar und zugänglich zu machen. Ich stimme Herrn Wähling zu, dass eine Open-Data-Lösung erstrebenswert ist, um Bürgern, aber auch Unternehmen die Möglichkeit zur Mitgestaltung und zur Entwicklung neuer Innovationen zu geben, die unsere Städte Stück für Stück smarter machen.

Stoye: Mit der Entscheidung für „#WolfsburgDigital“ gehen wir den richtigen Weg, um Wolfsburg als zukunftsfähigen Wirtschafts- und Lebensstandort zu sichern. Jetzt folgen die konkreten Konzepte und Projekte, die – da muss ich zustimmen – mit machbaren Inhalten gefüllt werden müssen. Zum Beispiel durch den Anschluss an das Glasfasernetz, den die städtischen Stadtwerke im Rahmen von #WolfsburgDigital schon jetzt forcieren und bis 2022 jedem Unternehmen und jedem Haushalt im Stadtgebiet ermöglichen. High-Speed-Internet ist eine Grundvoraussetzung für Unternehmen sowie für deren Arbeitnehmer bei der Wohnungssuche. Auch das mobile Internet ist eine wesentliche infrastrukturelle Maßnahme. Mit „freeWolfsburg“ hat das öffentliche WLAN in der Innenstadt jüngst einen Relaunch erfahren – eine Ausweitung im Stadtgebiet ist geplant, genauso wie ein flächendeckendes 5G-Netz, dieses auch über die Stadtgrenzen hinaus. So werden größere Projekte aus den Bereichen SmartHome, SmartCity oder SmartMobility erst ermöglicht. Projekte wie eine Parkapp werden auch in Wolfsburg schon heute erfolgreich durch die Stadt betrieben. Insgesamt hat die Infrastruktur eine herausragende Bedeutung für die digitale Zukunft einer Stadt.

Redaktion: Sie betreuen als IT-Dienstleis­ter hauptsächlich Firmenkunden. Welche Ri­si­-ken sind mit der Digitalisierung für die Unter­nehmen verbunden und wie begegnen Sie diesen? Wähling Die Vorteile der Digitalisierung sind leider auch Fluch und Segen zugleich. Die Digitalisierung ermöglicht den Zugriff auf interne Netze der Unternehmen – bis auf die einzelne Produk­tionsmaschine. Daher sind Sicherheitsfragen für unsere Kunden ein großes Thema. Einbrüche finden heute also verstärkt auf digitaler Ebene statt. Wir be­obachten ebenfalls, dass die Zusammenhänge der Digitalisierung erhöhte Anforderungen an die verantwortlichen Fachleute stellen. Es reicht heute nicht mehr, sich nur mit den Produktionsmaschinen auszukennen. Vielmehr muss deren Vernetzung von Experten gesteuert werden, die auch übergreifende Funktionen im Unternehmen haben. Insgesamt steigen die Anforderungen an die Mitarbeiter, die jederzeit in der Lage sein müssen, alles zu beherrschen. Als IT-Dienstleister unterstützen wir unsere Kunden dabei, diesen Herausforderungen mit Sicherheitskonzepten und Managed Services zu begegnen. So findet eine teilweise Auslagerung und Verteilung der Risiken auf mehrere Menschen statt. Gemeinsam mit den Unternehmen erstellen wir maßgeschneiderte Konzepte, beraten mit unserer breiten Expertise in diesen Feldern und unterstützen unsere Kunden regelmäßig bei Auditierungen. Sollte dann doch einmal etwas schiefgelaufen sein oder es zu Störungen kommen, beheben wir natürlich auch akute Probleme.

Körber: Das Risiko besteht einfach darin, dass man sich immer auf seine Kompetenzen konzentrieren muss. Fast jeder hat schon einmal den Satz gehört: „Wir führen gerade ein neues Warenwirtschaftssystem ein und haben gerade ein Problem eine Bestellung zu schicken.“ Einen Kunden nicht bedienen zu können, ist sicherlich kein positiver Schritt in die digitale Welt. Jeder Schritt sollte so ausgelegt sein, dass während der Migration alles funktioniert und nicht das ganze Unternehmen gebunden ist. Auch hier gilt immer das alte Sprichwort: „Der Weg ist das Ziel.“ Wenn man als Unternehmen die letzten 10 Jahre die Digitalisierung erfolgreich ignoriert hat, sollte man sich Schritt für Schritt dem Thema nähern und keineswegs versuchen, den Weg im Sprint zu absolvieren. Empfehlen kann ich hier einfach nur den Erfahrungsaustausch mit anderen Unternehmen.

Redaktion: Digitalisierung verbindet die Menschen weltweit. Aber welche Auswirkungen wird sie hier bei uns vor Ort haben? Wie wird die Digitalisierung unsere Städte und unsere Region verändern?

Körber: In vielen Berufen ist es einfach nicht mehr wichtig, wo man wohnt und lebt. Die Arbeit kann ohne Probleme im Homeoffice erfolgen. Wenn das Kind mal krank ist, bleibt man einfach zu Hause und arbeitet von dort. Das hat für Arbeitnehmer und auch für Arbeitgeber enorme Vorteile. Die ständige Verfügbarkeit im Arbeitsumfeld erhöht aber auch den Leistungsdruck. Das kann nur durch entsprechenden Ausgleich kompensiert werden. Damit sind die Städte noch mehr gefordert, nicht nur die digitale Infrastruktur zu fördern, sondern gleichzeitig auch für ein schönes Lebensumfeld in Form von Familienförderung und Freizeit­angebot zu schaffen.

Stoye: Unser städtische Weg, mehr für Familie & Freizeit zu tun, scheint gerade aus diesem neuen Blickwinkel doppelt sinnvoll zu sein. Das Internet > erleichtert schon heute unser Leben und Wirtschaften. Durch das Autonome Fahren, E-Mobiliät, Car-Sharing oder intelligente Verkehrssteuerungen wird die Digitalisierung noch konkreter erlebbar werden. In Wolfsburg werden aktuell zukunftsweisende SmartMobility- und SmartHome-Lösungen in dem entstehenden Stadtquartier Steimker Gärten im LivingLab@SteimkerGärten erprobt.

Wähling: In wenigen Jahren werden über 70 % aller Menschen in Städten leben. Unsere Zukunft hängt ganz wesentlich davon ab, wie wir die damit verbundenen Herausforderungen bewältigen werden und wie schnell wir unsere Städte intelligenter und smarter machen können. Die technische Entwicklung und der gesellschaftliche Wandel fordern die Städte natürlich auch heraus. Die Infor­mationstechnik hat dabei eine Schlüsselfunktion. Unsere Region und insbesondere die Stadt Braunschweig ist geprägt durch eine große Freude an Wissenschaft und Forschung und daher Vorreiter, wenn es darum geht, Neues zu entdecken und Innovationen aufzuspüren. Dieser Gedanke ist eng mit den Anforderungen der Digitalisierung verknüpft, immer wieder flexibel auf Veränderungen reagieren zu müssen.

Leppa: Die größte sichtbare Veränderung in unseren Städten wird langfristig sicher der Verkehr erleben. In Braunschweig wird mit der Anwendungsplattform Intel­ligente Mobilität (AIM) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt schon seit Jahren am intelligenten Verkehr der Zukunft geforscht. Auf der Teststrecke am Stadtring kommunizieren Fahrzeuge mit der Verkehrsinfrastruktur und umgekehrt. Die Digitalisierung bildet ja letztlich auch die Grundlage für das Autonome Fahren. Wenn sowohl die Autos als auch die öffentlichen Verkehrsmittel sowie die Infra­struktur digital gesteuert werden und miteinander vernetzt sind, ergibt sich eine völlig neue Art des Straßenverkehrs. Eine Entspannung der Verkehrssituation wird zudem das wachsende Angebot an Sharing-Konzepten mit sich bringen.

Redaktion: Gibt es Aspekte der Digitalisierung, in denen unsere Region führend ist?

Stoye: Im Bereich IT ist Wolfsburg und die Region schon heute beliebter Anlaufpunkt. Neben TE Systems ist beispielsweise auch das internationale IT-Unternehmen Hexad in Wolfsburg angesiedelt, das sich als Dienstleister auf Software-­Innovationen spezialisiert hat. Erst im Mai feierte Volkswagen die Eröffnung seiner IT-City, in der 1.600 VW-Mitarbeiter neue Entwicklungen in der Automobilbranche vorantreiben werden. Ebenfalls weitere weltweit angesiedelte Volkswagen Labs werden vom Standort Wolfsburg aus gesteuert.

Leppa: Braunschweig und die Region spielen insbesondere in der Mobilitätsforschung eine treibende Rolle. Die Großforschungsanlage AIM des DLR ist deutschlandweit einzigartig und bildet das gesamte Spektrum der Verkehrsforschung ab. Die Volkswagen Financial Services AG baut ihre Expertise im Bereich Smart Services und mobile Bezahlsysteme stetig aus. Darüber hinaus gibt es viele hochkom­petente Firmen, die auf dem Gebiet der Informationstechnologie spitze sind. Braunschweig ist mit dem landesweit höchsten Anteil an IKT-Beschäftigten die IT-Hochburg Niedersachsens. Das unterstreicht den Stellenwert, den die Digitalisierung bei uns hat.

Körber: Ich denke mal, wir liegen in unserer Region in einem guten Mittelmaß. Die Dinge verändern sich in der digitalen Welt von heute auf morgen. Natürlich ist unsere Region durch die Automobilbranche geprägt, aber die Digitalisierung findet dort nur sehr langsam statt. Ich bin mir sicher, dass Volkswagen die Integration des Autos in die digitale Welt schaffen wird und den Massenmarkt bedienen kann. Wähling Gerade die Region Braunschweig ist für ihre Forschung und Wissen­schaftsarbeit bekannt. Einige der weg­weisenden Entwicklungen hatten sogar in Braunschweig ihren Anfang oder wurden durch Braunschweiger Köpfe vorangetrieben. Schließlich hat die Region eine lange Computer-Geschichte. Auch Netzlink steht mit einigen wegweisenden Forschungs- und Entwicklungsprojekten in enger Zusammenarbeit mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Das Spektrum reicht hier von der vollständigen, standortunabhängigen Virtualisierung der IT-Infrastruktur bis hin zu OpenStack-Plattformen für Smart Cities. Mit unserem eigenen Firmenneubau wollen wir einige dieser führenden Unternehmen in unserem IT-Campus am Braunschweiger Westbahnhof verbinden und Synergien nutzen. In einer Art „Industrie-4.0-Zentrum“ werden ab kommendem Winter viele kleinere und größere Unternehmen der IT-Branche Tür an Tür arbeiten und gemeinsam einige Themen voranbringen.

Redaktion: Die Digitalisierung hat längst auch unseren privaten Alltag erreicht. Einerseits bringt das viele Vorteile und Annehmlichkeiten mit sich, andererseits ist mit Blick auf Datenschutz und Privatsphäre nicht jedem wohl dabei. Wie transparent sind wir denn schon?

Körber: Leider viel zu viel! Das liegt aber nicht an der Technik, sondern ganz einfach an jedem selbst. So richtig bewusst wird das den meisten aber erst, wenn Sie negative Erfahrungen gemacht haben. Die Vorteile überwiegen in vieler Hinsicht. Aber es macht sich kaum jemand Gedanken über die Daten, die heute schon gespeichert werden. Überall auf der Welt wird alles per Bild und Ton festgehalten und unachtsam verschickt, gepostet und auf Instagram hochgeladen. Firmen wie Alphabet Inc. (Google) oder Facebook haben sich darauf spezialisiert, diese Informationen zusammenzubringen. Damit ist es mir heute schon bei einer Bewerbung möglich, mehr Informationen über eine Person zu bekommen, als der Bewerber mir persönlich preisgibt. Wir müssen bereits in der Schule den Kindern bewusstmachen, wie man mit persönlichen Daten umgehen muss. Denn löschen kann man die digitale Welt nicht mehr!

Wähling: Bereits heute geben wir schon sehr viel von uns preis. Unsere Nutzungsdaten von Apps, das Einkaufsverhalten im Supermarkt oder unser Onlineshopping – alle Prozesse generieren Unmengen von Daten. Alles, was wir tun, wird ausgewertet. Bislang sind diese Vorgänge nur unzureichend für jeden von uns steuerbar und es findet kaum Regulierung statt.

Redaktion: Wagen wir doch mal einen kleinen Ausblick in die Zukunft: Wird Digitalisierung weiter so rasant unsere Welt verändern und ständig neue Innovationen bringen?

Körber: Ja, das wird sie! Und jeder, der sich dagegenstellt, wird sich wie ein Einwohnerin einer mittelalterlichen Stadt fühlen. Auch lokale Geschäfte werden nur überleben, wenn Sie sich der Herausforderung stellen. Die Beratung zu einem Produkt bekomme ich heute bestimmt nicht beim Händler vor Ort. Beratung hole ich mir als Fakten direkt beim Hersteller auf der Internetseite und die Anwendung per Video auf YouTube. Hier kann der Einzelhändler aber ganz einfach mit Service überzeugen. Auch das Anfassen und Riechen ist digital noch nicht möglich. Man sollte immer die Augen offenhalten und sich mit den Innovationen beschäftigen. Man kann es ja kaum glauben, dass wir das Smartphone erst vor ca. 10 Jahren erfunden haben. Heute bestimmt das Smartphone unser Leben wie nie ein Gerät zuvor.

Stoye: Wir wissen, dass der Wandel im Bereich der IT und KI gewaltig sein wird, teils über unsere Vorstellungskraft hinaus. Hieraus ergeben sich neue Voraussetzungen. Diese führen immer zu neuen Innovationen. Dennoch sollte das soziale Miteinander nicht aus den Augen verloren werden. Es lohnt sich mit Sicherheit, echten Austausch im echten Leben zu fördern. Menschen mit dieser Erfahrung werden Kompetenzen haben, die ihnen Vorteile bringen sollten. Sowohl im Job als auch in „echten“ Beziehungen.

Wähling: Ja, es wird sogar immer schneller gehen. Wenn die Digitalisierung irgendwann vollzogen ist, werden die Veränderungen stetig weitergehen und weiter neue Innovationen entstehen. Damit wird es zunehmend selbstverständlich, gläsern zu sein. Technisch ist bereits heute schon fast alles möglich. Die ersten Computer programmieren schon jetzt vollkommen selbstständig. In nicht allzu ferner Zukunft können wir damit rechnen, dass Computer mit Gefühlen, Ideen und Meinungen umgehen und darauf reagieren können. Maschinen werden in der Lage sein, Erfahrungen zu machen, selbst zu lernen und daraus schließlich Konsequenzen zu ziehen.

Leppa: In Bezug auf die Entwicklung unserer Städte ist es ähnlich. Eine Innovation öffnet die Tür für die nächste und so weiter. Deshalb beschreibt der Begriff „Smart City“ auch keinen fest definierten Zustand, sondern eher einen dynamischen Innovationsprozess. „Smart“ zu sein, heißt für eine Stadt daher, durch die intelligente Vernetzung der wachsenden digitalen Angebote die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass sich Innovationen fortlaufend und sinnvoll ergänzen können.

Stoye: Herr Körber, Sie sind unter anderem in den USA aktiv. Welche Erfahrungen konnten Sie dort in Bezug auf die Digitalisierung machen?

Körber: Im direkten Vergleich sehe ich in Deutschland eine deutlich bessere Infrastruktur in Bezug auf Verfügbarkeit und Auswahl der Anbieter. Auch die Qualität ist in vieler Hinsicht hier bei uns auf einem höheren Niveau. Die Akzeptanz der digitalen Dienste ist in den USA viel höher. Dabei steht die Optimierung von Bestell- und Zahlungsvorgängen im Vordergrund. Digital Signage informiert den Kunden bestmöglich über das Angebot und die optionale Bestellung per Touchscreen ist dort inzwischen in den kleinsten Läden Standard. Man lässt den Kunden einfach nicht warten. Bei uns ist die Bezahlung per Kreditkarte oft noch die digitale Revolution. Geht es in den USA um Bankgeschäfte wie Überweisungen oder Einzahlungen, so dominiert dort der gute alte Scheck. Eine Mischung aus beiden Ländern wäre für alle ein digitaler Fortschritt.

Stoye: Im VW Käfer geht schon seit Jahrzehnten automatisch das Licht an, wenn die Türen geöffnet werden. In deutschen Wohngebäuden sind automatisierte Lösungen noch heute Seltenheit. Wie aufgeschlossen sind die Wolfsburger Ihrer Meinung nach, Herr Körber, gegenüber neuen Technologien?

Körber: Bestellt man ein neues Auto, so kann es nicht genug Technik sein. Anders sieht es im eigenen Zuhause aus. Selbst der Bewegungsmelder im Flur oder die zentrale Steuerung der Jalousien wird als teurer Hightech angesehen. Für Gadgets, die man per Smartphone bedienen kann, wird schon gerne mal viel Geld ausgegeben. Ich kann aus persönlicher Erfahrung nur jedem empfehlen, sich von zeitraubenden und immer wiederkehrenden Aufgaben zu befreien. Natürlich stehe ich gerne mal im Garten und bewässere meine Pflanzen. Aber eigentlich sitze ich viel lieber im Gartenstuhl und überlasse es meiner automatisierten Gartenbewässerung. Genauso gibt es für mich keinen plausiblen Grund, jeden Tag die Rollläden von Hand zu steuern. Die Technik kann jederzeit individuell an unsere Bedürfnisse angepasst werden und hilft uns einfach, mehr Zeit für wichtige Dinge zu haben. In unserer Region ist die Digitalisierung im Haus- und Wohnungsbau noch nicht angekommen. Solange es hier noch einen Mangel an Wohnraum gibt, wird sich dieser Markt nicht ändern. Da verkauft sich eine Immobilie mit einer Elektroinstallation wie vor 30 Jahren kaum schlechter als ein Smart Home.

Redaktion: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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