Skip to main content

Lifestyle

27. März 2024

In der Schule der Löwen

Gerade eben hat Sadibou noch mit sichtbarer Freude seine Pässe an die Mitspieler verteilt und gekonnt seine Würfe im Korb versenkt. Doch jetzt liegt ihm eine Frage auf den Lippen, die ihn mindestens genauso beschäftigt.

Von Stefan Boysen

( Fotografie: Patrick R. Goldmann, Basketball Löwen, Florian Bonau )

Etwas schüchtern blickt er zu Brandon Tischler hoch, der ihm mit seiner imposanten Statur fast doppelt so groß erscheint. „Lebst du eigentlich in einer Luxusvilla?“, fragt er vorsichtig. Brandon hält einen Moment inne und lächelt dann: „Nein, das ist nicht, was mir wichtig ist. Ich liebe den Spaß am Sport und das Gefühl, mit meinem Team zu gewinnen.“

 

In der beschaulichen Turnhalle der Grund- und Hauptschule Pestalozzistraße wird klar: Basketball ist hier mehr als nur ein Spiel. Die Schul-AGs, ins Leben gerufen von den Basketball Löwen Braunschweig, zielen darauf ab, „die Kinder für den Sport zu begeistern“, betont Markus Meisner, Leiter für soziale Projekte bei den Löwen. Es geht darum, Mädchen und Jungen die Freude an der Bewegung nahezubringen, sie zu motivieren, sich körperlich zu betätigen, und ihnen die wertvollen Aspekte des Basketballs – Teamgeist und Fairness – zu vermitteln. Kurzum: Sport soll zu einem festen Bestandteil ihres Lebens werden.

Der Braunschweiger Erstligist verzeichnet dabei beeindruckende Erfolge. Das knappe Dutzend Dritt- und Viertklässler, die in der Pestalozzischule leidenschaftlich dribbeln, passen und werfen, sind Teil einer größeren Bewegung, die sich über fast 30 Schulen in Braunschweig, Wolfsburg, Salzgitter sowie den Landkreisen Wolfenbüttel, Peine und Gifhorn erstreckt. Rund 500 Kinder gehen in die LöwenSchule. Gefragt nach dem Erfolg ihrer Initiative, zeigen sich die Löwen grundsätzlich zufrieden, doch ihr Tatendrang ist unverkennbar: „Mehr geht immer“, kommentiert Markus Meisner.

Damit trifft er genau den Nerv von Brandon Tischler, der als Basketballprofi das Prinzip des ständigen Besserwerdens im Training mit seinen Teamkollegen und auf dem Parkett der Basketball-Bundesliga verkörpert. Trotz seiner professionellen Einstellung zum Sport hat sich der Flügelspieler der Löwen seinen jugendlichen Enthusiasmus bewahrt.

Der 23-jährige Flügelspieler setzt sich auf eine Holzbank, bereit, für Sadibou, Justus und die anderen der Star des Tages zu sein und ihnen tolle Momente zu bescheren. „Es ist fast surreal, wie lebendig die Erinnerungen an meine Kindheit sind, als ich mich in genau solchen Momenten wie die Kinder befand“, sagt er. „Ich hoffe, dass ich heute ein Ansporn sein kann, um ihre Leidenschaft für den Sport zu wecken.“

Die Trainingseinheit von Julian Fösch macht den Anfang. Er ist einer von mehreren Coaches, die von den Löwen entsandt werden, um den Schülern die Grundlagen des Basketballs näherzubringen. Der 25-Jährige beobachtet aufmerksam das Training und verteilt sowohl Anweisungen als auch Lob, während die Kinder Dribblings und Pässe üben – bis schließlich der Zeitpunkt gekommen ist, dass Brandon Tischler ihnen eine zusätzliche Dosis Inspiration verleiht.

Leicht außer Atem bilden die Kinder mit Brandon Tischler einen Kreis in der Mitte der Turnhalle. Anfangs etwas zögerlich, gewinnen die Fragen schnell an Tempo. „Wann hast du mit Basketball begonnen?“, „Kannst du deinen Tag beschreiben?“, „Du hast einen Zwillingsbruder – worin unterscheidet ihr euch?“ Als jemand neugierig nach seiner Schuhgröße fragt, antwortet Brandon lachend: „50einhalb.“

Als Brandon erkundet, wer von ihnen schon einmal ein Spiel der Löwen in der Volkswagen Halle erlebt hat, strecken sofort drei Kinder ihre Arme hoch. Er verrät, dass Fragen zu seiner Körpergröße am häufigsten gestellt werden, weil alle hoffen, einmal so groß wie er zu werden. Sein ermunterndes Echo darauf: „Keine Sorge, das kann alles noch kommen.“

Für die Kinder ist es ein großer Augenblick, einen echten Profi hautnah zu erleben. Die Löwen bemühen sich, solch einen Besuch jährlich für jede Schul-AG zu organisieren. Darüber hinaus gibt es für alle ein T-Shirt mit dem Aufdruck „LöwenZukunft“, die Einladung zu einem Spiel in der Volkswagen Halle und die Teilnahme an einem schulübergreifenden Turnier, wo man gemeinsam die Begeisterung für Basketball unter Beweis stellen kann.

Bei all dem Eifer bleibt die spannende Frage: Könnte hier der nächste Dennis Schröder entdeckt werden? Markus Meisner hört diese Frage häufig. „Das wäre ein Traum“, gibt er zu, ist sich jedoch bewusst, dass Talente des Kalibers eines NBA-Stars die absolute Ausnahme sind. Doch für die Löwen zählen auch andere Ziele: Nachwuchstalente für regionale Basketballvereine zu gewinnen, eine größere Fanbasis für die Löwen zu schaffen und generell die Liebe zum Sport zu fördern. „Sollte dabei ein deutscher Meister im Turnen entstehen, wäre das für uns ein ebenso wertvoller Erfolg.“

Die Löwen haben sich vorgenommen, die LöwenSchule auszubauen, indem sie mehr Schulen ins Boot holen. Ihre Vision: Sie möchten jeder Schule ein AG-Angebot machen können. Je mehr sich beteiligen, desto höher ist die Chance, dass aus diesem Engagement ein herausragendes Talent oder sogar ein Kandidat für den Bundesliga-Kader hervorgeht. Allerdings weiß Markus Meisner, dass es nicht allein darum geht, mehr Schulen als Partner zu gewinnen. Genauso entscheidend ist es, dass die Löwen die notwendigen Voraussetzungen schaffen, um das Projekt in dieser Größenordnung erfolgreich umzusetzen.

Nils Mittmann, Geschäftsführer und sportlicher Leiter der Löwen, fasst das Thema Talentsichtung und -förderung treffend zusammen: „Der beste Basketballer hat noch nie einen Basketball in der Hand gehabt.“ Brandon und Julian sei Dank: Die Schülerinnen und Schüler der Basketball-AG an der Pestalozzischule sind in dieser Hinsicht schon einen Schritt weiter.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Stadtglanz Print-Ausgabe 30 / Frühling 2024.

Mehr aus dieser Rubrik





Zur Startseite