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Kultur

1. Dezember 2016

Sounds like Hollywood

„In diesem Augenblick wollte ich nur noch Musik komponieren“

Von Ingo Bartels

(Fotografie: Kolja Brand SAHNEFOTO Fotolia/izumikobayashi)

Im Sommer 2012 lernte ich den jungen Wolfsburger Komponisten Kolja Brand kennen. Ich saß in seinem „Studio“ – dem Kinderzimmer in der Wohnung seiner Mutter im Wolfsburger Stadtteil Reislingen. Seitdem beobachte ich das Talent, das seit 2014 in Berlin an dem Durchbruch nach Hollywood arbeitet und berichte über ihn.

Den Satz werde ich nicht mehr vergessen. Ich fragte den damals 19-jährigen Kolja Brand, ob es sein Traum wäre, nach Hollywood zu gehen. Er schaute mich verdutzt an und meinte, „es ist kein Traum, es ist nur eine Frage der Zeit bis ich in Hollywood bin.“

Was im ersten Moment arrogant oder naiv klingt, ist allerdings die Story eines Vollblutmusikers, der ziemlich früh weiß, dass er Musik machen möchte. Schon im Babybauch ließ der Vater klassische Musik abspielen, weil er glaubte, eine positive Entwicklung des Zöglings zu erzielen. In der Grundschule trommelte Kolja Brand vor Unterrichtsbeginn mit den Händen auf dem Tisch herum. „Meine Lehrer erkannten hier nicht mein Talent, sondern stuften mich als verhaltensauffällig ein“, erklärt er mir im STADTGLANZ-Interview und muss lachen.

Mit sieben Jahren schickten ihn seine Eltern zum Keyboardunterricht in der Musikschule „Neue Melodie“ in Fallersleben, allerdings blieb er nicht lange, da er mit der Autorität des Musiklehrers nicht zurecht kam. Das Keyboard stand jahrelang verstaubt in der Ecke, bis er es mit 15 Jahren wiederentdeckte und mittels YouTube Klavier spielen lernte. „Ich schaute den Pianisten auf die Finger und übte solange, bis ich Pirates of the Caribbean besser spielen konnte als der Pianist im Video“, erklärt Kolja seinen Drang zum Perfek­tionismus und den Willen, eine musikalische Laufbahn zu betreten.

Daraufhin fängt er an zu komponieren. Im Sommer 2008 ist er mit seinem besten Freund in der französischen Bretagne und komponiert einen Blues – intuitiv. Er wird gefragt, ob er den aufführen kann und lernt kurz vor dem Auftritt einen Trompeter des London Symphony Orchestra kennen, der die Passagen so spielt, wie es der 15-jährige Komponist möchte. „Das hat mich nachhaltig geprägt“, erklärt er rückblickend und ergänzt, „in diesem Augenblick wollte ich nur noch Musik komponieren.“ Das bedeutet auch zeitgleich, dass das Interesse an der Schule gen Null sinkt. In den Pausen setzt er sich lieber ans Klavier am Theodor-Heuss-­Gymnasium und übt die Klaviatur rauf und runter. Er fängt an, den Unterricht zu hassen und ist viel im Internet, um nach Komponisten zu schauen. Dabei trifft er auf Hans Zimmer, der die Schule in Deutschland oft wechseln musste und schließlich in England die Schule besuchte, da dort mehr Verständnis vorhanden war, dass Musik wichtiger ist für den jungen Hans Zimmer. Bekanntlich ist der Komponist sehr erfolgreich in Hollywood. Das bestätigt ihn, die Schule zu vernachlässigen, da er keine guten Noten braucht, um zu komponieren. 2009 verlässt er die Schule nach der Klasse ohne nennenswerten Abschluss. „Das Abschlusszeugnis liegt heute noch in der Schule“, sagt er zu seiner Schulkarriere und fügt an, dass es keinen Plan B gäbe. Er versucht sich ein paar Euros hinzu­zuverdienen und wäscht Teller ab.

Parallel bewirbt er sich 2011 bei der Jugendsendung „Dein Song“ von ZDF und KIKA. Mit seinem Song Mission Hollywood schafft er es überraschend ins Finale des Nachwuchskomponisten-Wettbewerbes. Erste Aufträge kommen rein für Kurzfilme, wie z.B. Internal. Im Laufe des Jahres erhält er zudem beim Amateur Film Festival für den Soundtrack Augen Blick den AFF Movie Award für den „Best Original Score“. Trotz weiterer Musikprojekte reichen die Einnahmen nicht, um professionelles Equipment zu kaufen. Er lernt 2012 einen Investor kennen, der ihn mit € 20.000 unterstützt. „Das war notwendig, um meine Kompositionen weiterzuentwickeln. Dafür war besseres Material wichtig“, zeigt er sich dankbar für die Finanzspritze.

Aber in Reislingen fällt ihm langsam die Decke auf den Kopf. Er überlegt nicht lange bei der Frage, welche Zwischenstation ihm helfen könnte, nach Hollywood zu kommen. Wenige Wochen später zieht er ins kreativere Berlin. Das ist jetzt zwei Jahre her und seitdem ist viel passiert, weil er in Berlin viel mehr musikalische Kontakte knüpfen kann als in der Heimat. Kurz nach Ankunft in der Hauptstadt wird er von einem Musiklabel als Talentscout engagiert und tingelt daraufhin durch zahlreiche Clubs. Aber das wird ihm irgendwann zu aufwendig und die Arbeit an seinem Demo bleibt liegen. „Das Demo ist die Tür nach Hollywood“, sagte Kolja Brand selbstbewusst, „ich habe nach Aufgaben gesucht, die ich von zu Hause aus machen kann und angefangen, kleinere WordPress-­Websiten zu programmieren.“ Mittlerweile hat er einige Kundenaufträge abwickeln können und ließ diese von Star-Cellistin Tina Guo und Star-Geiger Yury Revich einspielen. Mit seiner Stradivari spielte er bei „The Lost Children“ mit. Diese CD hat Kolja Brand 2016 aus eigenen Mitteln finanziert, geplant und produziert. Mit dem Verkaufserlös möchte er die Kosten zum einen decken und zum anderen nutzen, um das nächste Projekt anzugehen. Er plant ein Klassik-Album. Neben der CD soll es auch Konzerte auf zahlreichen Bühnen geben. Auch hier zeigt sich wieder sein visionäres Denken aber auch Selbstverständnis, dass er zu den ganz großen Komponisten in Hollywood gehören kann.

 

Dieser Artikel erschien zuerst in der Stadtglanz Print-Ausgabe 2 / Dezember 2016.

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