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Lifestyle

3. Juni 2019

Auf einmal macht alles Gin

Wie eine Reise ins Allgäu unsere ersten Schritte als Destiller ebnete

Von Fabian Haars

(Fotografie: StreetFoodBros, fotolia/Dionisvera)

Seit Jahren verfolgen wir aufmerksam die Entwicklung der Gin-Szene. Waren 2017 noch weltweit ca. 2.000 Hersteller gelistet, waren es in 2018 bereits über 5.000, Tendenz steigend. Für uns also Grund genug, es auch einmal auszuprobieren. Also entschlossen wir uns, Anfang März ein Ginseminar in Tirol zu buchen um Gin zu brennen.

In Deutschland geht das nicht

Warum Österreich? Weil in Deutschland das Brennen von Alkohol für Privatleute grundsätzlich verboten ist. Scheinen in Südeuropa alle Stoffeigner, die einen Aprikosenbaum oder Weinreben haben, zu brennen wie die Kesselflicker, ist ein Brennrecht in Deutschland ein Buch mit sieben Siegeln. Regelungen hinsichtlich Verschlussbrennereien und Abfindungsbrennereien zwingen den Kleingartenbesitzer zum Moonshining, und genau das kam für uns nicht in Frage.

Theorie

Und so begann der Kurs. Freitagmittag mit 25 weiteren Brennwillige. Andreas, unser Dozent, führte uns in die schicken Räumlichkeiten seiner Akademie: toller Eingangsbereich mit Whiskeyflaschen aus aller Welt, ein bestens ausgestattetes Labor, eine schicke Showbar mit schier unzähligen Sorten Gin, Rum, Whiskey und Tonics. Und dann der Workshop -Raum mit großen Tischen, an dem jeder Teilnehmer seine eigene kleine Tischdestille vorfand. Hier waren wir richtig.

Tag eins widmete sich der Theorie

Historie, Grundstoffe, gesetzliche Grundlagen und so weiter. „Ohne Brennrecht dürft ihr in Deutschland nicht brennen. Aber wenn ihr eine GbR habt, benötigt ihr nur eine Genehmigung vom Zoll, und schon könnt ihr Gin herstellen. Denn ihr brennt keinen Schnaps – ihr betreibt alkoholische Reinigung. Den Alkohol, den ihr bei Gin für den Brennvorgang nutzt, ist bereits versteuert, und somit ist das Ganze recht unproblematisch.“
Jetzt war klar: Wir werden demnächst Gin herstellen.

Aber wie? Praxis

Schon am Freitag beruhigte uns Andreas: „Morgen wird jeder von euch drei Durchgänge destillieren: Einmal Basic und dann kann jeder experimentieren.“ Und so kam es dann am Samstag auch. Zuerst zeigte Andreas uns, worauf es ankommt: 15 % alkoholische Grundlösung wurde in unsere Brennkessel geschüttet in ein Dämpfsieb die Botanicals wie Koriander, Lavendel, Piment und Veilchenwurzel gegeben und natürlich ordentlich Wacholderbeeren hinzugefügt. Und dann wurde gebrannt.

Als die Kesseltemperatur bei ca. 65 Grad lag, fing der Auslauf plötzlich an zu tropfen. „Flamme runterdrehen, sonst schießt der Gin durch. Nur tropfenweise!“ Alle Teilnehmer waren wie verzückt. Die nächste halbe Stunde gingen alle mit einem Teelöffel reihum und probierten die Varianten jedes Einzelnen. Wahnsinn – was für Aromen. Ich probierte Varianten mit Himbeeren und Rosenblüte, Ben hatte Lust auf asiatische Noten mit Zitronengras und exotischen Gewürzen.

Basti ließ sich nicht lumpen und versuchte sich an der Destillation eines Eisbocks mit 15%. Im Aromakorb viel gestoßener Wacholder, Hopfen, Orangenschale und weitere Botanicals. Sein Ergebnis war verblüffend: Eine klare Linie von Wacholder und die runden, warmen Aromen des Bieres von Karamell, Kaffee und Holz.

Fast wie ein Whiskey.

Bei ca. 89 Grad war Schluss. Der Durchlauf wurde wässrig, und knapp ein halber Liter 54% Roh-Gin stand vor uns. Damit ging es ins Labor und mit destilliertem Wasser wurden unsere Aromabomben auf 45 % eingepegelt. Schnell noch in kleine Flaschen abgefüllt und los ging die Gin Tonic Zeremonie.

Zeremonie mit 75 Gin Tonic

Andreas wies uns in die fachgerechte Zubereitung mit allerlei Bar-Magie ein und erklärte, dass es prinzipiell zu jedem Gin auch das passende Tonic gibt: „Nimmst du einen mediterranen Gin, bietet sich Fever-Tree Mediterranean an. Hast du einen floralen Gin, dann gibt es von Thomas Henry das Cherry Blossom.“ Oder: „Als Aroma-Kick immer nur das hinzugeben, was auch im Gin dominiert: Zitronenspalte bei citruslastigem Gin, Hibiskus bei floralen Gins.“, und so weiter. Zum Glück hatte Ben sich bereit erklärt zu fahren, und so konnten Basti und ich uns durch die mittlerweile 75 Tagesergebnisse in Longdrinkform durchprobieren. Alles war dabei: Schoko-Banane, Hibiskus, Pfeffer, Mittelmeer-Kräuter – und am Ende ein ordentlicher Rausch. Gegen 17 Uhr wurde die Gruppe unter viel Applaus von Andreas verabschiedet und jeder ging seiner Wege. Im Handgepäck das Tagesergebnis mit jeweils drei Sorten Gin.

Und jetzt wir

Auf unserer Rückreise fiel im Auto die Entscheidung: Wir schaffen uns eine Destille an. Der Gang zu Hauptzollamt war unkompliziert, die Formulare schnell ausgefüllt und nach einer Woche flatterte ein Schreiben vom Zoll auf unseren Schreibtisch: „Genehmigung zur Herstellung von Alkohol zu Trinkzwecken außerhalb des Steuerlagers.“ Schnell noch die Destille bestellt und beim Zoll gemeldet, fertig.

Für jeden, der mit seinen Freunden einmal in die Welt des Gins eintauchen möchte, können wir dieses Seminar nur ans Herz legen. Eine wunderschöne Location in einer imposanten Landschaft mit dem Top-Dozenten Andreas bleiben nachhaltig in bester Erinnerung. Und bei uns bekommt man ab sofort custom-made Gin aus der Aroma-Destille. Lohnt!

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