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Lifestyle

6. September 2022

Schwierige Beziehung

Der Mensch hängt an seinem Tier

Von Axel Milkau

(Fotografie: Andreas Rudolph)

Seit Jahrtausenden verbindet Menschen und Tiere eine gemeinsame Geschichte. Ihre Beziehung zueinander hat sich im Lauf der Zeit und abhängig vom jeweiligen Kulturkreis gewandelt. Manche Tiere gelten noch heute als heilig, manche werden als Freunde oder Familienmitglieder behandelt und wieder andere als Nutzvieh unter grausamen Bedingungen gehalten. Offensichtlich ist die Haltung der Menschen den Tieren gegenüber sehr widersprüchlich. Stadtglanz sprach mit Axel Milkau, Inhaber des Pferde-Sportzentrums „Löwen Classics“ und Veranstalter des gleichnamigen Weltranglistenturniers, sowie Präsident des Pferdesportverbands Hannover über dieses schwierige Thema.

Lieber Axel Milkau

Ihr Name ist eng mit Pferdesport auf Weltklasseniveau verbunden. Wie sind Sie eigentlich zum Pferd gekommen?
Ich bin mit dem Thema Pferd durch meine Eltern schon sehr früh in Berührung gekommen. Meine Eltern hatten damals einen kleinen Hof in Mascherode, auf dem ich mit vielen verschiedenen Tieren eine wundervolle Zeit verbringen durfte, auch mit Pferden. Diese Kindheitserlebnisse haben mich nie losgelassen und heute genieße ich es jeden Tag, auf meinem eigenen Hof in Lehndorf mit Pferden unter einem Dach zu wohnen. Pferde strahlen eine besondere Energie aus und mit ihnen zusammen wohnen zu dürfen, stärkt mich in ruhigen Minuten innerlich.

Haben Sie außer Pferden noch andere Tiere?
Wir haben viele Katzen und Hunde, die auf unserem Hof rumtollen und im Moment bereite ich den Einzug von Eulen und Störchen vor.

Manche Tierarten – zum Beispiel Pferde oder Hunde – gelten als enge Freunde des Menschen. Wie beziehungsfähig sind Tiere denn in Bezug auf Menschen?
Grundsätzlich kommt es auf die Empathie des jeweiligen Gegenübers an. Das Innere eines Tieres zu erkennen, ist die Grundvoraussetzung, um von einer Beziehungsfähigkeit zu sprechen.Wer mit sich im Reinen ist, kann durchaus im Zuge seiner eigenen Wahrnehmung eine tiefe Bindung zu Pferden oder Hunden aufbauen.

Der Mensch hängt an seinem Tier. Geht es dem Tier umgekehrt ge­-nauso? Sind z.  B. die Be­ziehungen zwischen dem Menschen und seinem Pferd einseitig oder beruhen sie auf Gegenseitigkeit?
Die Zusammenarbeit oder das Zusammenleben mit einem Pferd basiert auf Vertrauen und stetiger Umsicht. Insofern ist schon zu erkennen, dass sich auch Pferde auf ihren Versorger einstellen und Signale und Eigenschaften zu erkennen geben, aus denen sich Rückschlüsse darauf ableiten lassen.

Sind Tierhalter glücklichere Menschen?
Jeder Mensch strebt möglichst nach einem täglich angelegten Lob. Bekommt er dieses nicht, sucht er nach Wegen, auf denen er ein Lob erhalten kann. In vielfacher Form ist dieses ja der Grunderfolg der heutigen Online- Portale (Fishing for Compliments). Ein Tier gibt einem täglich dieses „Lob“, von daher sind Tierhalter Menschen, die jemanden an ihrer Seite haben, durch den sie dieses Lob erhalten. Darüber hinaus ist ein Tier ein treuer Freund, auf den man sich verlassen kann. Insofern möchte ich es so formulieren, dass Tierhalter das Privileg genießen, ihr eigenes Glück ergänzen zu dürfen.

Kann es zwischen Mensch und Tier Beziehungen auf Augenhöhe geben oder nimmt der Mensch immer eine Leitrolle ein?
Vielen Tieren (z. B. Pferden) haben wir Menschen ihre natürlichen Lebensräume genommen. Insofern sind wir in der Pflicht, eine Leitrolle zu übernehmen. Ein Tier steht mehr in der Balance, wenn wir dieses tun. Jedoch gibt es gerade in der Zusammenarbeit im Sport Situationen, in denen Mensch und Tier auf Augenhöhe agieren müssen. Insofern steht eher die Augenhöhe für gegenseitige Ergänzung im Umgang miteinander.

Sollten Kinder ein Haustier haben, um z.  B. ihre Be­ziehungsfähigkeit und ihr Verantwortungsgefühl zu stärken? Welche Tiere sind dafür besonders geeignet?
Wenn es das Umfeld hergibt und die Familie dahintersteht, dann ist diese Frage gerade im Zeitalter der Online-Präsenz unbedingt mit JA zu beantworten. Sowohl unsere Kinder als auch unsere ganze Gesellschaft leiden doch immer mehr unter der voranschreitenden Anonymität. Tiere sind gerade für Kinder ein gutes Regulativ, um bestimmte Werte wie Empathie, Vertrauen, Verant­wortung und Selbsteinschätzung auszubilden. Ein Tier funktioniert nicht auf Knopfdruck. Man muss investieren, um Freude und einen Freund zu haben. Die Eignung eines Tieres für einen jeweiligen Halter ist am Umfeld festzumachen und nicht am Menschen selbst.

Das Tier ist dem Menschen nicht nur ein Freund, sondern auch Nahrungsquelle, Sportgerät, Kapitalanlage, Sammelobjekt, Therapiehilfe oder Transportmittel. Steht das nicht teilweise im Widerspruch zu einer wertschätzenden Beziehung? Wird da mit zweierlei Maß gemessen oder kann man das Thema „Beziehung zu Tieren“ gar nicht verallgemeinern?
Diese Frage ist sicherlich nicht allgemein zu beantworten. Der Mensch selbst lebt schon im stetigen Widerspruch und von daher ist der Gedanke für mich nicht explizit nur auf die Beziehung zwischen Mensch und Tier herunterzubrechen. Wir leben in einer Nehmergesellschaft und jeder verfolgt ein für sich angelegtes Ziel. Von daher sind auch die Tiere ein Teil unseres Handelns geworden. Es ist gut, dass es durch Menschen immer wieder Organi­sationen und politisch Getriebene gibt, die versuchen, durch Regulierung eine Balance im Miteinander herzustellen. Solange es diese Möglichkeit der Regulation innerhalb unserer Kultur gibt, ist die Wertschätzung eines Tieres im Erhalt und in seiner Bestimmung anzulegen.

Kann man unabhängig von der Frage der persönlichen Beziehung zu einzelnen Tieren oder Tierarten davon sprechen, dass allen Tieren ohne Ausnahme Würde zukommt?
Da ich nicht den Überblick über alle globalen Tierorganisationen und internationalen Rules habe, kann man diese allgemeine Frage auch nur allgemein beantworten. Es wird nie einhundert Prozent geben und es wird immer wieder Kulturkreise geben, die unterschiedliche Meinungen und Positionen im Umgang mit Tieren vertreten. Wichtig ist es jedoch, dass man im Gespräch bleibt und sich für seine Position und Sichtweise stark macht, die jedes Tier als Lebewesen respektiert. Aus meiner Verbandsarbeitheraus weiß ich, dass unsere politischen Ebenen hierzulande aktiv und sehr intensiv mit der jeweiligen Basis im Austausch sind.

Umweltaktivisten, Tierschützer und die Bio-Branche fordern zunehmend artgerechte Haltung, Tierwohl & Artenschutz. Die Realität sieht aber oft noch anders aus. Setzt er­folgreicher Tierschutz ein verändertes Verhältnis zu Tieren voraus?
Ein klares JA. Ein Schlüssel zur Weiterentwicklung ist sicherlich, dass die jeweiligen Fachverbände und Organisationen noch mehr innerhalb ihrer Fachkompetenz anerkannt und in die politischen Entscheidungen mit einbezogen werden müssen. Uns nutzt keine Propaganda und Populismus, sondern es ist Fachkompetenz in der Bewertung des jeweiligen Handlungsfeldes gefragt. Viele Verbände müssen sich auch neu strukturieren, um ihre Fachkompetenz klar erkennen zu lassen. Fachwissen muss vor Lobbyismus stehen. Nur so kann auch der Mensch mehr aufgeklärt werden.

Wir haben bisher über die Beziehung zwischen Mensch und Tier gesprochen. Lassen Sie uns abschließend noch kurz auf das Miteinander von Tier zu Tier eingehen. Gibt es Freundschaften zwischen Tieren?
Das ist zumindest in meinem Bereich der Pferdehaltung und Ausbildung deutlich zu erkennen. Hierbei beurteilt der Fachmann sicherlich ein Freundschafts­signal anders als der Laie. Unsere Pferde zeigen untereinander schon Gewohnheiten, die der Akzeptanz und Freundschaft zuzuordnen sind und wo wir deutliche Signale der Sympathie transportiert bekommen.

Wir haben gehört, dass in Dänemark Pferde nur noch in Gruppen gehalten werden dürfen, damit sie ein natürliches Herdenverhalten ausleben können. Kommt das ihrer Beziehungsfähigkeit untereinander zugute?
Dass dieses in Dänemark so vorgegeben ist, kann ich nicht bestätigen. Wir diskutieren und beurteilen gerade in unseren Fachverbänden und mit der Wissenschaft, wie wir Grundlagen ermitteln und festlegen können, die zum Beispiel den freien Auslauf eines Pferdes in unseren Ställen und Vereinen regeln könnten. Der natürliche Lebensraum eines Pferdes ist nicht mehr gegeben und somit ist ein Pferd nicht mehr in der Stresssituation, sich auf ständige Futtersuche zu begeben und dabei große Entfernungen zurücklegen zu müssen. Ist ein stetiger Sozial­kontakt der Pferde untereinander im Stall gegeben und Parameter, wie freier Auslauf und ergänzende Arbeit ausreichend vorhanden sind, erleben wir täglich zufriedene Pferde, die voll in der Balance sind. Ich wohne und lebe mit den Pferden zusammen und schlafe mit ihnen unter einem Dach. Das führt zu dem Schluss, dass ein Wiederaufleben des Herdenverhaltens nicht zwingend notwendig ist, weil der Mensch im gewandeltem Lebensraum der Pferde die Position des Leittieres einer Herde übernommen hat.

Vielen Dank, Herr Milkau!

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