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Lifestyle

5. September 2022

Kollektiv effektiv

Mehr Identifikation & Zusammenhalt

Von Tobias Bosse

Eintracht ist zurück in der 2. Bundesliga. Nach nur einem Drittliga-Jahr mit fußballerischen Leckerbissen wie gegen Verl oder Zwickau gelang den Blau-Gelben der direkte Wiederaufstieg. Jetzt warten wieder die großen Kaliber wie der Hamburger SV, Fortuna Düsseldorf und natürlich das Derby gegen die Roten.

Hoffentlich, ist man geneigt zu sagen, wird es dieses Mal mehr als nur ein einjähriger Ausflug in das Bundesliga-Unterhaus. Genährt wird diese Hoffnung durch das neue Trainer-Team um Chefcoach Michael Schiele. Als der gebürtige Heidenheimer im Sommer vergangenen Jahres seinen Posten an der Hamburger Straße antrat, machte sich unmittelbar Optimismus im Eintracht-Umfeld breit.

Denn trotz seines missglückten Engagements beim SV Sandhausen in der Spielzeit 2020/21, das lediglich zehn Wochen andauerte, wusste man in Braunschweig um die Qualitäten des damals 43-Jährigen. Schließlich stieg Schiele nur eine Saison zuvor mit den Würzburger Kickers in die 2. Bundesliga auf. Darüber hinaus schien die Chemie zwischen Verein und Coach auf Anhieb zu matchen.

Mehr Identifikation & Zusammenhalt
Auch, weil Schiele authentisch wirkt und weiß, wie man sich in die Herzen der Eintracht-Fans redet. Bereits auf seiner ersten Pressekonferenz haute er einen Satz raus, der vielen Anhängern Bock auf mehr machte: „Wenn man hier als Gegner hergekommen ist und gerade vorne um die Tankstelle herum gefahren kam, hat man schon Angst bekommen und musste vorsichtig sein, weil das ein oder andere geflogen kam. Da müssen wir wieder hinkommen, dass wir das so leben wie die Fans und die Stadt.“

Vor dem Hintergrund der vorhergehenden Saison war das eine äußerst ambitionierte Zielsetzung. Denn Identifikation und Zusammenhalt waren bei der Kaderzusammensetzung seines Vorgängers Daniel Meyer nicht zwangsläufig die wichtigsten Kriterien. So musste Schiele zunächst aus den kleinen Grüppchen wieder eine homogene Mannschaft formen. Dafür wurde mit Marc Pfitzner einerseits eine lebende Legende ins Trainerteam berufen, die den Verein sowie die Mannschaft kennt wie kaum ein zweiter, und andererseits kräftig am Personal-Karussell gedreht. Insgesamt 21 Zu- sowie 20 Abgänge stehen in der abgelaufenen Spielzeit zu Buche.

Gemeinsam mit dem Geschäftsführer Sport Peter Vollmann sowie seinem neuen Assistenten Dennis Kruppke gelang es Schiele, eine ausgewogene Mannschaft zusammenzustellen, die nicht nur auf sowie neben dem Platz harmonierte, sondern auch echte Leitlöwen beinhaltete. Und zwar in jedem Mannschaftsteil; mit Jasmin Fejzic im Tor, Brian Behrendt in der Innenverteidigung, dem dynamischen Duo Bryan Henning und Robin Krauße im Mittelfeld sowie dem jungen Strafraumstürmer Lion Lauberbach.

Getragen von Moral & Mentalität
Nach einem eher holprigen Start in Kaiserslautern (0:0) sowie einer herben Klatsche gegen Aufsteiger Viktoria Berlin beim Heimauftakt an der Hamburger Straße, kam die Schiele-Elf am dritten Spieltag mit einem 2:0 Auswärtssieg gegen den Hallenschen FC richtig in Tritt. Es folgten fünf Spiele ohne Niederlage, bis sich die Löwen mit 3:2 beim MSV Duisburg geschlagen geben mussten. Nach dem verpatzten Saisonstart war dies der ersten Rückschlag für den neuen Headcoach.

Doch gerade als aufgrund zweier Punkteteilungen gegen Mannheim und Saarbrücken in einschlägigen Foren bereits eine handfeste Formkrise herbeigeredet wurde, meldete sich die Mannschaft mit zwei deutlichen Siegen gegen Dortmund II (4:2) und Havelse (4:0) eindrucksvoll zurück. Es sollte nicht das letzte mal gewesen sein, dass das Team seine enorme Mentalität und Moral unter Beweis stellt.

Allerdings, und das gehört eben auch mit zur Wahrheit, fehlte es über die gesamte Saison betrachtet immer wieder an der nötigen Konstanz. Gerade als man dachte, jetzt haben sie einen Lauf und spielen ihren Schuh runter, wurde das nächste Spiel konsequent verloren. Nur um das nächste Spiel wieder zu gewinnen. Dieses ständige Auf und Ab sorgte auch dafür, dass sich die Euphorie in der Fanszene lange in Grenzen hielt beziehungsweise nicht alle überzeugt von den Aufstiegsambitionen des Teams waren.

Was den Spielern – völlig unabhängig, ob sie in der Startelf standen oder eingewechselt wurden – aber nie abgesprochen werden konnte, waren absoluter Wille, Entschlossenheit und Einsatzbereitschaft. Und wenn man diese Tugenden in Braunschweig auf den Platz bringt, hat man bei den Fans schon mal die halbe Miete. So wurden gelegentliche spielerische Mängel sowie technische Unsauberkeiten immer wieder verziehen, weil die Einstellung dauerhaft stimmte. Die Top-Stars im Kader suchte man ohnehin vergebens. Die Stärke lag im Kollektiv.

Vom Problem zum Erfolgsfaktor
Die Leistung in der Hinrunde reichte für einen hervorragenden 2. Tabellenplatz. Nachdem im Sommer zuvor der 8. Platz als Minimalziel von der Sportlichen Leitung ausgegeben wurde, befand sich das Team um Michael Schiele also mehr als nur auf Kurs. Allerdings offenbarten sich bis zu diesem Zeitpunkt in der Winterpause auch immer wieder Schwächen im Flügelspiel der Blau-Gelben – insbesondere bei den Außenverteidigern. Zum Glück sollte sich das bald ändern.

Zum einen durch die Rückkehr von Niko Kijewski, der die halbe Spielzeit verletzungsbedingt nur zusehen konnte. Und zum anderen durch den Neuzugang Jan-Hendrik Marx, der zur Rückrunde vom FC Ingolstadt in die Löwenstadt wechselte. So wurde aus einer Achillesferse im Spiel der Eintracht ein Schlüssel zum Erfolg. Denn nicht nur defensiv war die Außenbahn nun besser abgesichert, auch offensiv steuerten Kiwi (5) und Marx (7) insgesamt 12 Scorerpunkte bei.

Jetzt stand einer erfolgreichen Rückrunde inklusive Aufstieg eigentlich nichts mehr im Wege. Oder doch? Naja, sagen wir einfach, sie wollten es spannend machen… ;) Anders sind die extremen Leistungsschwankungen zumindest kaum zu erklären, die Eintracht-Fans teilweise bezeugen mussten. Da folgte zum Beispiel auf einen 6!:0 Heimsieg gegen Viktoria Berlin eine 0:1-Auswärtsniederlage beim FSV Zwickau. Da fragst du dich schon: „Häää, was ist hier bitte los?“

Brutale Effektivität
So richtig an den Aufstieg geglaubt haben Fans und wahrscheinlich auch die Spieler selbst erst nach einer bemerkenswert effektiven Siegesserie, die am Montagabendspiel des 31. Spieltags bei der Reserve von Borussia Dortmund startete und erst am 37. Spieltag mit einer 2:3 Niederlage in Meppen endete. Eintracht holte in dieser Zeit 15 von 15 möglichen Punkten. Das Besondere war aber das Torverhältnis. Denn jedes dieser Spiele wurde mit lediglich einem Tor Differenz gewonnen. Ein gutes Pferd springt halt echt nicht höher als es muss.

Bei aller Kollektivität und Geschlossenheit muss man aber insbesondere in dieser Phase die außergewöhnliche Leistung von Eintracht-Schlussmann Jasmin Fejzic hervorheben. Mit seinen grandiosen Paraden verhinderte er nicht nur etliche Tore, sondern gab seinen Mannschaftskollegen in entscheidenden Situationen immer wieder den nötigen Rückhalt. Jeder gehaltene Ball setzte Emotionen frei und beflügelte das Spiel der Blau-Gelben. Nach der Saison wird die Eintracht-Torwartlegende mit 12,8 Gegentoren die meisten Tore im deutschen Profifußball verhindert haben. Sein Anteil am Aufstieg ist dementsprechend groß!

So befand sich der BTSV in der luxuriösen Situation, nur eines der letzten beiden Saisonspiele gewinnen zu müssen, um sicher aufzusteigen. Man hatte es also selbst in der Hand. Doch, wie bereits erwähnt, haben die Jungs offenbar ein Faible für Dramatik. Dementsprechend gingen beide Spiele verloren, aber durch die gütige Mithilfe des Aufstiegskonkurrenten 1. FC Kaiserslautern, der die entscheidenden Spiele ebenfalls verlor, schafften die Löwen doch den direkten Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga.

Gelingt der Klassenerhalt?
Ob der Klassenerhalt in der kommenden Saison gelingt, wird maßgeblich von der Kaderplanung abhängen. Peter Vollmann, Geschäftsführer Sport, hat bereits angekündigt, nicht dieselben Fehler wie vor zwei Jahren machen zu wollen. Mehr ins Detail ging er dazu kaum. Leider ist aber zu befürchten, dass der Verein auch in der aktuellen Transferphase wieder auf moderne Hilfsmittel wie Datenscouting verzichten wird. Obwohl es bereits etliche positive Beispiele gibt, die den Nutzen dieser technischen Unterstützung beim Spielerscouting eindrucksvoll belegen.

Dabei wäre gerade Eintracht Braunschweig, die finanziell vergleichsweise schwach auf der Brust sind und daher nur geringe personelle Kapazitäten im Scoutingbereich haben, auf diese technische Unterstützung angewiesen, um geeignete Spieler ausfindig zu machen. Doch hier sind die Verantwortlichen teilweise deutlich zu hemdsärmelig und konservativ unterwegs. Deshalb war schon der Aufstieg vor zwei Jahren nicht nachhaltig. Bleibt nur zu hoffen, dass die handelnden Personen in der kommenden Transferphase ein glücklicheres Händchen haben…

Eine Saison zum Vergessen

Die Abschlusstabelle der Saison 2021/22 wird sich beim VfL Wolfsburg wohl niemand ausdrucken und über den Schreibtisch hängen. Ganz im Gegenteil. Denn nachdem sich der Werksklub in den Jahren zuvor wieder zurück in die obere Tabellenhälfte und zuletzt sogar die Champions League gekämpft hatte, stellt die abgelaufene Spielzeit mit einem 12. Platz und lediglich 42 Punkten einen herben Rückschlag in der Entwicklung dar. Hinzu kommen zwei Trainerwechsel, die sich ebenfalls nicht besonders positiv auf die Außendarstellung des VfL ausgewirkt haben dürften.

Dabei ging alles ziemlich vielversprechend los. Obwohl das auch nicht so ganz stimmt. Denn das erste Kuriosum ereignete sich bereits vor dem Ligastart im Pokal beim Viertligisten Preußen Münster. Denn der neue Headcoach Mark van Bommel, der für den nach Frankfurt abgewanderten Oliver Glasner in die Autostadt kam, leistete sich direkt im ersten Spiel einen – so hart muss man es sagen – äußerst peinlichen Wechselfehler. Dieses Malheur sorgte dafür, dass der ebenso knappe wie hart in der Verlängerung erkämpfte 3:1-Sieg später annulliert wurde und der VfL somit in der 1. Runde des DFB-Pokals ausschied.

Wenn der Schein trügt
Bereits zu diesem Zeitpunkt deutete sich an, dass es eine abenteuerliche Spielzeit für die Wölfe werden würde. Nichtsdestotrotz behielten die Verantwortlichen in Person von Jörg Schmadtke, Geschäftsführer Sport, zunächst die Ruhe: „Es gilt jetzt, sich den bevorstehenden sportlichen Herausforderungen zu stellen und diese in großer Geschlossenheit und ohne jegliche Vorbehalte anzugehen. Wir alle sind natürlich enttäuscht, aber dennoch überzeugt, unsere sportliche Entwicklung weiter voranzutreiben, ohne personelle Konsequenzen aus dieser ärgerlichen Situation zu ziehen." Und das schien genau die richtige Reaktion zu sein. Denn anschließend legte der VfL in der Liga einen Saisonauftakt nach Maß hin.

Aus den ersten fünf Spielen holte die van Bommel-Elf 13 Punkte – darunter auch ein Sieg gegen den späteren Pokalsieger RB Leipzig. Alles schien in Butter. Scheinbar zumindest. Denn in den folgenden Wochen brach das Team förmlich zusammen. In der Bundesliga hagelte es eine Niederlage nach der nächsten, und auch in der Champions League wussten die Wolfsburger nicht zu überzeugen. Nach einer 0:2-Heimniederlage gegen den SC Freiburg zog der Klub dann schließlich die Reißleine und entband den ehemaligen Bayern - Spieler von seinen Pflichten. Die Überzeugung, das Ruder noch einmal rumzureißen, habe schlicht gefehlt, wurde Sportchef Jörg Schmadtke zur Entlassung zitiert. Van Bommel hingegen äußerte sich überrascht und enttäuscht zum jähen Ende seines VfL-Engagements. Aber so ist der Fußball nun einmal. Platz für Fehler gibt es selten und beim VW-finanzierten Klub aus Wolfsburg erst recht kaum.

Tobias Bosse

Mein Name ist Tobias Bosse, aber Sie können mich gerne Bosse nennen. Anders als mein deutlich populärerer Namensvetter verdiene ich meine Brötchen jedoch nicht mit Musik – da wäre wohl auch nichts zu holen für mich. Nein, ich bin Redakteur und zwar vornehmlich für Sport. Womöglich ist Ihnen meine Sport­talkshow „Löwenrunde“, die ich vor knapp sieben Jahren mit einem Partner ins Leben rief, bekannt. Anschließend absolvierte ich eine redaktionelle Ausbildung bei der Braunschweiger Zeitung, war als Reporter für die Zentralredaktion der Neuen Osnabrücker Zeitung unterwegs und schreibe heute für die DVZ – Deutsche Verkehrs-Zeitung.

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