Lifestyle
David Kebekus: Überragend
Jenseits der abgespaßten Pfade
Von Susanne Jasper
Der Comedian David Kebekus tourt derzeit mit seinem Programm „Überragend“ durch die Republik. Vor seinem Auftritt im Braunschweiger Kulturzentrum Brunsviga trafen wir ihn zum Interview. Kantine oder Garderobe? Der 40-Jährige lässt sich lieber auf dem sonnenblumengelben Sofa in der Künstlergarderobe nieder. Als Tisch für mich ist schnell ein Bügelbrett ans Sofa geschoben. Improvisation ist alles. „Mich stört dat nicht“, sagt Kebekus. Hinter ihm an der Wand schauen uns von zahllosen signierten Fotografien Künstler beim Gespräch zu, die einst in der Brunsviga gastierten. Über die Schulter blickt dem Rheinländer mit schelmischem Blick der Kabarettist Dieter Hildebrandt. Eine Instanz. Nicht die schlechteste Referenz, oder? „Nö, dat passt schon“, findet auch der gebürtige Kölner Kebekus, der im Interview immer mal wieder die rheinische Klangfarbe anklingen lässt. Los geht‘s.
In nicht mal drei Stunden musst oder besser darfst Du raus auf die Bühne. Schon Lampenfieber?
Kebekus Nicht wirklich. Bisschen angespannt bin ich schon, aber Angst hab` ich keine. Ich muss mich jetzt noch um die Zugabe kümmern. Und was essen muss ich auch noch.
Was gibt`s denn?
Kebekus (lacht): Das, was aufgetischt wird.
Gehst Du eigentlich tatsächlich nur mit Mikro raus? Oder gibt es Spickzettel?
Kebekus Olaf Scholz hat das Ende der Koalition ja vom Teleprompter abgelesen. Bei meiner Show ist alles frei! Ich hab` allenfalls ein paar Stichworte in der Hosentasche. Sonst nix.
Mit dem Programm „Überragend“ bist Du schon eine Weile unterwegs. Seit 2021, glaube ich. Nutzt sich das nicht ab mit den Jahren?
Kebekus Auf jeden Fall! Aber die Premiere hat nicht mehr allzu viel mit dem aktuellen Programm zu tun. Das entwickelt sich ja weiter. Das, was mir selbst irgendwann auf den Sack geht, das schmeiße ich dann auch raus. Anderseits kommen die Leute ja auch, weil sie vielleicht was auf YouTube gesehen haben, was über das Programm gelesen haben. Dann musst du das auch bringen. Aber vielleicht sage ich heute auch mal was zu Trump, beim nächsten Mal womöglich dann schon nicht mehr. Dass ich mit dem Programm „Überragend“ schon so lange auf Tour bin, ist auch der Corona-Pandemie geschuldet. Es ist in dieser Zeit entstanden, hat sich weiterentwickelt. Nächstes Jahr komme ich aber mit einem neuen Programm raus. Bestenfalls gibt`s alle zwei Jahre etwas Neues.
Ich schreibe ja alles selbst. Das braucht seine Zeit.
Apropos Trump: Ich habe gelesen, dass Du aktuelle Nachrichten fast komplett aus Deinem Leben gestrichen hast? Dass Trump zum 47. Präsident der USA gewählt worden ist – an dieser Nachricht kommste aber nicht vorbei?
Kebekus (lacht): Nee, da kommste nicht dran vorbei. Mir geht‘s aber um etwas anderes. Bei dem Schweizer Autor Rolf Dobelli habe ich gelesen, dass man generell viel zu viele Nachrichten konsumiert. Dabei ist unser Hirn gar nicht darauf ausgelegt, 24 Stunden am Tag über das Handy mit all den Katastrophen auf der Welt konfrontiert zu werden. Dadurch ist man ständig betroffen, schockiert, alarmiert. Aber ganz viel von dem, was da so auf uns einprasselt, hat ja gar nichts mit mir, meinem Leben und Alltag zu tun.
Und deshalb beherzigst Du Dobellis Lebenstipp: weniger Nachrichten konsumieren?
Kebekus Ja. Ich erzähle dir mal eine kuriose Geschichte dazu, die das ganz gut veranschaulicht. Ein Freund von mir war bei der Quatsch-Comedy-Club-on-Tour dabei. Die zweite Show hat er verpasst. War total besoffen. Die haben den natürlich zig Mal angerufen, bestimmt 30 Mal. Als er wieder klar im Kopf war, hat er nur die letzte SMS gelesen: „Wir haben Ersatz. Hat sich erledigt.“ So ist ihm der Schockmoment erspart geblieben. Weil er die ganzen Nachrichten nicht gelesen hat.
Du schreibst auf Deiner Homepage so sinngemäß, dass Du null Bock auf ausgenudelte Themen hast, keine Lust auf den 8000. Witz über die Deutsche Bahn. Worüber witzelst Du denn jenseits der abgespaßten Pfade? Ich zitiere dich mal: „Entweder ist mein Blickwinkel neu oder die Geschichte so persönlich, dass niemand außer mir diesen Witz machen kann“
Kebekus Was doch echt langweilig ist, ist der tausendste Gag über die Deutsche Bahn, Ikea und so Standardpolitikkram. Wenn ich über meine Schwester Carolin rede, dann ist das sehr unique. Es gibt nur mich, zum Beispiel als Onkel von ihrem Kind. Das ist dann außergewöhnlich. Dieses Alleinstellungsmerkmal habe nur ich.
In Deinem Programm thematisierst Du auch Cancel Culture. Du hast Dir überlegt, was wir heute bereits falsch machen, was aber gesellschaftlich noch gar nicht als solches gesehen wird. Und kamst auf Haustiere. Crazy!
Kebekus Ich kam ungefähr so auf die Nummer: Die Welt dreht sich doch immer weiter und irgendetwas verbieten wir immer. Früher haben alle im Flugzeug geraucht. Das war völlig normal. Wäre heute doch unvorstellbar. Und so kam ich auf Haustiere. Ich glaube natürlich nicht wirklich, dass Du irgendwann keinen Hund mehr haben darfst. Aber wenn man ehrlich ist, ist es schon merkwürdig, dass man Hundewelpen von ihrer Familie entführt, um sie dann als eigenes Familienmitglied zu behandeln. Um selbst mit dem Entführten Family zu spielen. Ist doch eigentlich irre! Wäre doch viel schöner, wenn die Hundemami und ihr Baby zusammen sein könnten. So gesehen ist es doch echt komisch, Tiere daheim einzusperren, aber eben auch Normalität. Hunde sind in Deutschland unantastbar. Ich mag die ja auch! Hätte auch einen, wenn ich nicht ständig auf Tour wäre.
Wenn es um Tiere und insbesondere Herrchen und Frauchen geht, geht das Publikum da nicht steil…so shitstorm-mäßig?
Kebekus (schmunzelt): Ich bin da schon mutig.
Ich sage dann immer, wenn ich Bewegung im Publikum merke oder unruhig auf den Stühlen rumgerutscht wird: „Noch nicht sauer werden“. Bei Hundewitzen kommt deshalb immer ein wenig Unmut im Publikum auf. Über Fische und Vögel kannst Du absauen ohne Ende, das ist egal. Aber für mich ist es natürlich auch spannend, sich an so eine heilige Kuh zu wagen und eine gute Nummer daraus zu machen. Wenn ich die Hundenummer auf der Bühne bringe, beruhigt sich das Publikum meist auch wieder. Als sie aber mal im WDR ausgestrahlt wurde, gab es schon einige negative Kommentare. Und was soll ich dir sagen: alle hatten im Profil ein Hundebild.
Wenn wir gerade dabei sind: Wie weit darf Satire deiner Meinung nach gehen?
Kebekus Also, wenn ich jetzt alles darauf abklopfen würde, was jemanden triggern könnte, dann könnte man ja über gar nichts mehr reden. Man muss immer auf der Suche nach dem besseren Witz sein, nach einem speziellen, feinen Humor. Lachen muss erlaubt sein, aber die Gags sollten nicht stumpf sein, nicht platt draufhauen. Depressionen sind ja so ein heikles, düsteres Thema. Ich habe da eine Statistik gelesen, dass von allen Depressiven weniger als ein Prozent von Beruf Handwerker sind. Das ist Fakt. Ist irgendwie auch logisch, weil wenn du, sagen wir mal, Tischler bist, dein Produkt wachsen und werden siehst – das ist doch geil. Leute, die eher mit Zahlen und Tabellen zu tun haben, fragen sich vielleicht am Ende des Tages, wenn der Chef ihnen noch irgendeine falsch errechnete Zahl reinwürgt, was sie eigentlich geleistet haben. Am Ende des Tages. Das ist nicht gut. Da kann man schon depressiv werden. Schlimmstenfalls suizidgefährdet. Aber um sich wegzuhängen fehlt ihnen ja das Handwerkszeug. So sollte man die Nummer natürlich nicht enden lassen. Muss irgendwie positiv enden. Also so vielleicht: Wenn der Finanzyuppie so ein Seil, so ein richtig dickes Ding, geknüpft kriegt, hat er doch am Ende des Tages auch noch was hinbekommen. Über diese Nummer freue ich mich richtig. Die ist neu, die will raus an die Leute.
Hast du eigentlich registriert, dass ich eben gar nicht auf deine berühmte Schwester Carolin angesprungen bin als du auf sie zu sprechen kamst?
Kebekus grinst.
Ich habe gehört, dass es Dich nervt, wenn sich Interviewer entschuldigen, dass sie nach Deiner Schwester fragen. Also direkte Frage: Ist Carolin deine kritischste und darum beste Beraterin?
Kebekus Nee! Aber meine beste Anlaufstelle, um Rat zu bekommen. Wir quatschen auch darüber, was auf Plakate gedruckt werden soll, wie der Name des Programms sein könnte. Das geht wechselseitig. Aber hinter Carolin steht ja eine ganze Maschinerie. Ich bin ein One-man-Unternehmen, allerdings bei einer Agentur unter Vertrag. Manchmal kommen Leute nach meiner Show zu mir und sagen: „Sorry, ich finde auch Carolin toll!“ Dann sage ich denen: „Ist doch okay, guckt Euch einfach beide Shows an!
Bei meiner Recherche bin ich auf allerlei Launiges von Dir zu Deiner Schwester gestoßen: „Das ungeborene Kind von Carolin ist jetzt schon bekannter
als ich.“ „Carolin ist politisch, setzt sich für Gleichberechtigung ein. Gender pay Gap – ganz ehrlich, merke ich nix von in meiner Familie.“ Ist das Kokettereie? Oder nervt Dich Carolins Bekanntheitsvorsprung insgeheim doch?
Kebekus Carolins Erfolg – das ist ein bisschen Fluch und Segen. Sie ist meine erste Ansprechpartnerin, auch privat ist es super-cool, lustig, ich bin gern Onkel. Aber wenn ich mal bei ihr Support mache, zehn Minuten oder so, dann ist das toll, fühle ich mich wohl und es ist ein runder Abend, aber Fakt ist natürlich auch: die braucht mich nicht. Eigentlich so gar nicht. Und wegen mir ist niemand hier. Da komme ich mir schon ein bisschen blöd vor, aber das ist halt auch Werbung für mich.
Mann – Frau , das ist ja auch so ein Selbstläufer-Satire-ding. Bist Du verliebt, verlobt, vergeben?
Kebekus Kein Kommentar.
Wenn Du nicht auf der Bühne stehst, machst Du einfach mal nix. Heißt es. Stimmt das? Kein Fußball oder so was?
Kebekus Ich mache natürlich dauernd irgendwas. Bin derzeit fokussiert auf das neue Programm, das gärt quasi in mir. Social Media musst Du auch bespielen, ohne geht‘s nicht.
Rechnet sich das eigentlich?
Kebekus Ich komme über die Runden. Oder sagen wir so: Auf Instagram beantworte ich alles. Wenn das mal nicht mehr geht…dann würde es richtig gut
laufen.
Susanne Jasper
ist in Braunschweig aufgewachsen. Sie studierte Germanistik sowie Geschichte und volontierte später bei der Braunschweiger Zeitung. Wie die Journalistin und Mutter zweier mittlerweile erwachsener Söhne dem Leben mit Humor begegnet, lässt sich seit 15 Jahren in der dort regelmäßig erscheinenden Kolumne „Kinder, Kinder“ nachlesen. Zudem schreibt sie für verschiedene Medien in der Region und gelegentlich auch für Fachzeitschriften wie das Fußballmagazin 11 Freunde.
Mehr aus dieser Rubrik
Zur Startseite