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Wirtschaft

18. September 2024

Wissenschaftsrevolution am HZI

Prof. Dr. Josef Penninger über seinen Plan, Braunschweig zum Forschungs-Hotspot zu machen – Eduard Klein im Gespräch mit Prof. Dr. Penninger

Von Eduard Klein

Prof. Dr. Josef Penninger

(Fotografie: Marc Stantien; Adobe Stock/ Blickfang)

Klein: Herr Penninger, nach einer langen Karriere in internationalen Forschungsinstituten und Ihrer Zeit in Kanada haben Sie sich 2023 für Braunschweig entschieden. Was hat Sie dazu bewegt, gerade hier Ihre Forschung fortzusetzen?
Penninger: Ich habe 18 Jahre in Nordamerika gelebt und kenne die großen Institutionen dort, von Harvard bis Stanford und von Tokio bis zu den Universitäten in China, wo ich oft war. Mich reizte die Möglichkeit, unter dem Helmholtz-Dach eine Institution von Weltklasse aufzubauen. Meine Zeit in Wien, wo ich ein Forschungsinstitut leitete, hat mir gezeigt, wie man solch eine Vision realisieren kann. Braunschweig war mir vorher nicht vertraut, aber Helmholtz ist mir bekannt. Dies ist mein erster Job in Deutschland, und ich bin positiv überrascht von den Möglichkeiten, die uns hier geboten werden.

Klein: Braunschweig wird oft als „Stadt der Wissenschaft“ bezeichnet. Wie schätzen Sie den Standort für Innovationen und wissenschaftliche Durchbrüche ein?
Penninger: Als Neuzugang in Braunschweig entdecke ich gerade erst die Stärken der Region. Es gibt beeindruckende Einrichtungen wie die Physikalisch Technische Bundesanstalt mit der Atomuhr, die TU Braunschweig mit ihrer Weltraum- und Luftfahrtforschung sowie Volkswagen. Doch ich glaube, dass wir noch mehr tun können, um Braunschweig international sichtbarer zu machen. Bei Gesprächen mit Kollegen in Tokio, China oder Kanada ist der Name Braunschweig oft nicht auf dem Radar. Wir müssen stärker gemeinsam auftreten und Braunschweig als Forschungsstandort international besser positionieren. Am Ende geht es darum, dass dieser kleine Punkt namens Braunschweig auch auf der Weltkarte in China, Japan oder Australien wahrgenommen wird. Die Bedeutung von Branding und internationaler Wahrnehmung ist heute im globalen Wettbewerb um Talente entscheidend. Andere Institutionen investieren viel und Deutschland muss hier aufholen, insbesondere wenn es darum geht, Talente mit attraktiven Anreizen zu gewinnen.

Der Weg zur Weltspitze

Klein: Ihre Vision für das Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI) ist es, das beste Forschungsinstitut für Infektionsbiologie weltweit zu werden. Wie lautet Ihr Zwischenfazit nach einem Jahr am HZI?
Penninger: Das war eine ambitionierte Ansage, die nicht ohne Widerstand blieb. Es ist vergleichbar mit einem Fußballteam, das das Ziel hat, Meister zu werden: Man braucht nicht nur die besten Spieler, sondern auch eine starke Organisation und klare Ziele. Unser Ziel ist es, unter die besten Drei zu kommen. Wir arbeiten hart daran, die richtige Struktur und Motivation zu schaffen, um dieses Ziel zu erreichen. Auch wenn wir bereits eine hervorragende Basis haben, sind die letzten 10 % entscheidend, um an die Spitze zu gelangen. Es ist auch wichtig, realistisch zu bleiben, wenn man den Standort Braunschweig betrachtet. Wir sind in einer großartigen Stadt, aber sie hat nicht den weltweiten Ruf von Harvard oder Stanford. Die Frage ist, wie wir es schaffen können, eine Kultur und ein Umfeld zu entwickeln, das uns an die Spitze bringt. Anstatt zu versuchen, wie ein Top-Fußballclub die teuersten und besten „Spieler“ einzukaufen – was finanziell nicht immer möglich ist – sollten wir uns darauf konzentrieren, junge Talente zu fördern. Wir müssen ihnen die passende Organisation bieten, um den nächsten Lionel Messi in der Forschung zu entwickeln.

Klein: Haben Sie in diesem Jahr Fortschritte gemacht? Haben Sie die Erwartungen erfüllt?
Penninger: Ja, wir haben Fortschritte gemacht. Eine wichtige Maßnahme war die Förderung junger Talente. Dank einer großzügigen Förderung von 70 Millionen Euro durch das Land Niedersachsen und 30 Millionen vom Bund können wir bis zu 30 herausragende Wissenschaftler nach Braunschweig holen. Wir haben bereits vier Talente gewonnen und arbeiten daran, weitere sieben oder acht zu rekrutieren. Dies ist ein bedeutender Schritt, um eine erstklassige Forschungsgruppe aufzubauen.

Wissenschaft im Wettlauf gegen die Zeit: Die vier großen Herausforderungen und Visionen des HZI

Klein: Welche großen Herausforderungen stehen auf der Agenda des HZI?
Penninger: Ein interessanter Ansatz, den wir verfolgen, ist das Verständnis von Mikroben wie Bakterien und Viren, die seit 3,8 Milliarden Jahren existieren. Diese Mikroben sind extrem widerstandsfähig und produzieren Chemikalien, die wir Menschen nicht herstellen können. Statt sie nur als Bedrohung zu betrachten, wollen wir von ihnen lernen und ihr Potenzial nutzen, um neue Therapieansätze zu entwickeln. Das HZI fokussiert sich auf vier wesentliche Herausforderungen: Erstens, den Kampf gegen antimikrobielle Resistenzen, indem wir neue Medikamente entwickeln. Zweitens, die Vorbereitung auf zukünftige Pandemien, um Resilienz und Reaktionsfähigkeit zu verbessern. Drittens, die Auswirkungen des Klimawandels auf Infektionskrankheiten, da sich die Verbreitung von Krankheiten durch Mücken und Zecken verändert. Viertens, personalisierte Medizin: Wir nutzen Künstliche Intelligenz, um Vorhersagen über Krankheitsverläufe zu treffen und individuelle Therapien zu entwickeln. Diese Forschungsbereiche könnten entscheidend für die Gesundheit der Zukunft sein.

Klein: Welche Rolle spielen wissenschaftliche Ausgründungen für die Verwertung von Forschungsergebnissen am HZI?
Penninger: Wissenschaftliche Ausgründungen sind zentral für die Verwertung von Forschungsergebnissen. Mit meiner Erfahrung in der Unternehmensgründung weiß ich, wie wichtig es ist, Forschung in die Praxis umzusetzen. Ein Beispiel ist ein Medikament zur Behandlung von Hirntumoren bei Kindern, das wir erfolgreich auf den Markt gebracht haben. Das HZI strebt an, Innovationen in konkrete Produkte und Anwendungen zu überführen, wie neue Medikamente und Technologien. Um diese Vision weiter voranzutreiben, planen wir, ein „Pioneer Center“ auf dem Campus einzurichten. Dieses Zentrum soll nicht nur für das HZI, sondern auch für die TU Braunschweig und andere Institutionen offen sein. Es soll neue Firmen unterstützen und gemeinsame Infrastrukturen bereitstellen. Auch lokale Investoren und die Stadt Braunschweig sind gefordert, um dieses Zentrum aufzubauen.

Zukunftsausblick: Wie Braunschweig in 10 Jahren zum globalen Forschungszentrum aufsteigt

Klein: Wie sehen Sie die Zukunft der Forschungsregion Braunschweig in zehn Jahren?
Penninger: In zehn Jahren wird Braunschweig ein führender Standort für Forschung und Innovation sein. Wir werden 30 bis 40 junge Forschungsgruppen etabliert haben, die international anerkannt sind und bedeutende Beiträge zur Infektionsforschung und Mikrobiologie leisten. Braunschweig wird als bedeutender Forschungsstandort bekannt sein, sodass Talente aus Städten wie Guangzhou oder Shanghai hierherkommen wollen, um zu forschen. Unser Ziel ist es, ein Biotop für Forschung zu schaffen, das globalen Einfluss hat und die Region als Spitzenstandort etabliert.

Klein: Welche persönlichen Ziele haben Sie sich für Ihre Karriere gesetzt?
Penninger: Meine Leidenschaft für die Wissenschaft bleibt stark. Ich möchte weiterhin bedeutende globale Projekte entwickeln. Aktuell arbeiten wir an dem ersten Organoid-Roboter in Europa namens „MOLLE“, der bis zu 40.000 menschliche Gewebeproben pro Monat züchten kann. Dies wird uns ermöglichen, Infektionsbiologie zu betreiben und neue Medikamente zu entwickeln. Zusätzlich engagiere ich mich in der Brustkrebsforschung, insbesondere bei der Entwicklung von Präventionsstrategien. In Vancouver arbeite ich an einem „Human on a Chip“-Projekt, bei dem wir menschliche Organe auf einem Objektträger simulieren, um ihre Kommunikation zu erforschen. Diese Projekte könnten die Zukunft der Präzisionsmedizin revolutionieren.

Kunst trifft Wissenschaft: Das revolutionäre „Sound and Science“-Event erobert Braunschweig

Klein: Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) und der Förderverein des HZI realisieren erstmals am 25.10.2024 eine Konzertveranstaltung aus der Reihe der Wiener „Sound and Science – Musik und Infektionen“ Konzerte in Braunschweig  in Kooperation mit dem Staatstheater Braunschweig. Was hat Sie dazu bewogen, das Format, das bereits 2014 in Wien gestartet ist, nach Braunschweig zu bringen?
Penninger: Die Verbindung von Kunst und Wissenschaft war mir immer wichtig. „Sound and Science“ ermöglicht es, Forschung in einem kulturell ansprechenden Kontext zu präsentieren. Kunst und Wissenschaft teilen die Prinzipien von Kreativität und Originalität. Dieses Format bietet eine einzigartige Möglichkeit, wissenschaftliche Arbeit emotional und intellektuell zu vermitteln. Es hat sich bereits in Wien und Vancouver bewährt und bietet dem Publikum ein tiefes und bewegendes Erlebnis, das Forschung und Musik vereint.

Klein: Vielen Dank, Herr Penninger, für Ihre Zeit und die aufschlussreichen Antworten.
Penninger: Sehr gerne, ich freue mich auf die weitere Entwicklung in Braunschweig und die kommenden Herausforderungen und Chancen.

 

 

 

 

 

 

 

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