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Lifestyle

13. Januar 2021

Die Italiener von Braunschweig

Zwei Männer leben Motorrad

Von Johanna Feckl

(Fotografie: Marc Stantien)

Seit 2012 sind Benjamin Künnecke und Alexander Kreibke Händler für Ducati-Motorräder, 2019 kam die Marke „Beta“ hinzu. Von Beginn ihres beruflichen Lebens an begleiten die beiden Geschäftsführer italienische Motorrad-Marken – aus gutem Grund, denn eine Ducati bereitet ihrem Besitzer einen Extra-Schuss Glück.

Benjamin Künnecke steht vor einer Siebträgermaschine. Er hantiert mit Tassen, Kaffeebohnen und Milch umher, schiebt ein paar Regler nach oben und wenig später wieder nach unten. „2004? Oder 2003?“, fragt er und blickt zu Alexander Kreibke, der ihm gegenüber auf einem Barhocker sitzt. „Irgendwie so, ja, es ist auf jeden Fall ziemlich lange her“, antwortet er. Wann sich die beiden Männer kennenlernten, daran kann sich keiner von beiden so genau erinnern. Es dürfte aber bald 20 Jahre zurückliegen. Künnecke stellt vor Kreibke eine Tasse mit einer üppigen Milchschaumkrone ab und setzt sich neben ihn, vor ihm eine zweite Tasse ohne Milchschaum. „Wir haben uns super ergänzt“, sagt Künnecke.

Künnecke und Kreibke sind die Geschäftsführer von „BenLex Motorrad“ in Braunschweig. Dort verkaufen und vermieten sie Motorräder der Marken Ducati und Beta sowie eine große Auswahl an gebrauchten Motorrädern; außerdem betreiben sie eine Motorrad-Werkstatt für alle Marken. Mittlerweile arbeiten für die beiden zwölf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen; als sie den Laden in der Braunschweiger Innenstadt Ende 2012 übernahmen, gab es dort nur die beiden Männer und Ducatis.

„Wir verkaufen Glück“, sagt Künnecke. Motorrad als ein Innbegriff von Glück also? Ja. Die Natur beinahe mit allen Sinnen wahrnehmen: Hitze und Kälte auf der Haut spüren. Das Rauschen des Windes hören, mal als sanften Hauch, mal als dröhnenden Bass. Unterschiedliche Flora und Fauna, Architektur und Menschen beobachten, wie sie in Zeitraffer an einem vorbeifliegen. Die unterschiedlichen Nuancen der Jahreszeiten in der Luft riechen. Und das alles, während man sich fortbewegt. „Genau daraus besteht das Glück des Motorradfahrens“, erklärt Künnecke. „Es ist eine Art von Freiheit.“ Kreibke nickt. „Motorradfahren ist eine Lebenseinstellung.“ Bei einer Ducati sei das Glücksgefühl meist stärker als bei anderen Marken, so der 40-Jährige weiter. „Da geht man auch mal im Winter in die Garage, zieht die Abdeckung herunter und freut sich einfach, sie anzusehen.“ Warum? Weil Ducati neben der technischen Ausstattung ein besonderes Augenmerk auf Design legt.

Bei einer Familie, in der Vater und Bruder Motorradfahrer sind, begleitet Kreibke die Leidenschaft für das Motorradfahren von klein auf. Als der 40-Jährige seinen Motorrad-Führerschein machte, war er als erfolgreicher Motocross-Fahrer auf den Pisten in der Region seit beinahe zehn Jahren ein bekanntes Gesicht; mit dem Reparieren und Tüfteln an Maschinen begann er noch viel früher. Kein Wunder, dass er ein „exzellenter Schrauber“ ist, wie Künnecke sagt. Auch bei ihm wurde die Motorrad-Liebe früh gesät. Da wären etwa die Fahrten gemeinsam mit seinem Vater auf dessen Honda bis nach Dänemark, als er ein kleiner Junge war. Immer mal wieder ging es los. Einfach so.

So kam es, dass Kreibke vor bald 20 Jahren gelegentlich in einer Motorradwerkstatt in Braunschweig arbeitete – zunächst um die Zeit bis zum Semesterstart seines Studiums zu überbrücken. Und eines Tages stand dort Künnecke vor ihm. Es war der Zufall, der den 42-Jährigen in die Werkstatt trieb. Ein paar mehr Zufälle passierten und Künnecke begann dort seine Ausbildung zum Zweiradmechaniker mit der Fachrichtung Motorradtechnik. Einige Zeit später sattelte auch Kreibke um, die zwei Männer wurden Azubi-Kollegen. „Ich habe mich darüber ziemlich gefreut“, sagt Künnecke heute. Nicht nur hätten sich er und Kreibke gut verstanden, sie bildeten auch ein erfolgreiches Team in der Werkstatt, kontrollierten gegenseitig ihre Arbeiten, lernten voneinander. Das war der Grund, weshalb sich der ausgelernte Künnecke, als er den Betrieb verließ, von Kreibke mit den Worten verabschiedete: „Wenn du fertig bist und Lust auf etwas Neues hast, dann gib Bescheid und lass uns gemeinsam etwas starten.“

Moto Guzzi, Benelli, Moto Morini und auch Ducati – fast nur italienische Marken gab es im Ausbildungsbetrieb von Kreibke und Künnecke. Die Werkstatt war damals die einzige in der Region, die italienische Motorräder reparierte. Im Vergleich zu anderen Marken verfolgt die Italiener der Ruf, besonders komplex gebaut zu sein und dadurch schwierigere Reparaturen nach sich zu ziehen. Bis heute hält sich dieser Ruf. Ist er gerechtfertigt? „Teils teils“, da sind sich die BenLex-Geschäftsführer einig. Ja, es sei auf jeden Fall so, dass eine Ducati-Maschine eine sehr hohe Expertise vom Mechaniker verlangt. Aber wer diese einmal erlangt hat, für den ist eine Ducati auch „kein Hexenwerk“ mehr, wie Künnecke sagt.

Es ist das Jahr 2011. Künnecke arbeitete seit einiger Zeit als Mechaniker bei dem damaligen Ducati-Händler in Braunschweig – seine alte Kawasaki hatte er zu dem Zeitpunkt schon längst durch eine Ducati ersetzt. Als ihn sein Chef fragte, ob er den Laden übernehmen wolle, stand für den 42-Jährigen fest: Auf jeden Fall, aber nur mit einem passenden Geschäftspartner an seiner Seite. Er besuchte Kreibke; die Männer hielten in all den Jahren Kontakt zueinander, arbeiteten zeitweise in denselben Betrieben. Nun war es Winter 2012, abends, Kreibke hatte eine Pudelmütze auf dem Kopf – und sagte sofort zu.

Im Frühjahr 2014 zog BenLex von der Innenstadt in den Braunschweiger Norden; aus 100 Quadratmeter für Verkauf und Werkstatt wurden 2000 Quadratmeter. 2019 nahmen Kreibke und Künnecke die Marke „Beta“ und damit Enduro-Maschinen in ihr Repertoire auf – das sind Gelände-Motorräder mit einer Straßenzulassung. Wie Ducati ist auch Beta ein italienischer Hersteller. Die Marken ergänzen sich, sagt Kreibke, denn im Gegensatz zu Ducati biete Beta auch Maschinen an, die mit einem A1-Führerschein ab 16 Jahren gefahren werden dürfen.

Kreibke trinkt einen letzten Schluck von seinem Kaffee, ein Rest Milchschaum kriecht auf der Innenseite der Tasse nach unten. Künnecke nimmt die leeren Tassen und trägt sie in die kleine Küche, in der die Siebträgermaschine steht. Das ist BenLex. Künnecke versorgt das Team jeden Tag mit Kaffee, Kreibke telefoniert in der Werkstatt mit Kunden – Dinge, die die zwei Männer auch vor acht Jahren, als es nur sie beide gab, erledigt haben. Sie bleiben sich treu. Selbst die Siebträgermaschine stammt aus Italien.

Johanna Feckl

Johanna Feckl, geboren 1989, hat Germanistik und Philosophie in München und Berlin studiert. Seit 2015 arbeitet sie als freie Journalistin unter anderem für die „Süddeutsche Zeitung“, die „Deutsche Presse-Agentur“ und andere. Meistens findet man sie in München oder in Braunschweig und sehr oft im Zug irgendwo dazwischen – manchmal sogar mit Fahrrad.

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