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Y-JOBS

18. Mai 2022

Bürogebäude und Arbeitswelten

...Zwischen Homeoffice und neuen Bürgerkonzepten

Corona, Digitalisierung, Klimawandel sowie das neue Verständnis von Work-Life-Balance und Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden unsere Bürowelten langfristig beeinflussen. Aber in welcher Form? Die Corona-Pandemie, die uns nun bereits seit über zwei Jahren begleitet, hat massive Auswirkungen auf unser Arbeitsleben. Die meisten großen Unternehmen wie VW, Zulieferindustrie, Banken und Versicherungen arbeiten überwiegend stringent im Home-Office. Viele Büroräume stehen oftmals bereits seit 2 Jahren leer – Büroflächen in Neubauten werden nur schleppend vermietet.

Die Mitarbeiterinnen wiederum sind zuhause überwiegend nicht auf Homeoffice eingestellt. Es gibt selten abgetrennte Arbeitszimmer, in der Regel werden im Schlafraum kleine Arbeitsinseln geschaffen oder Kinder, Vater und Mutter arbeiten gemeinsam am Esstisch. Konzentriertes Arbeiten ist kaum möglich, die Nerven liegen blank. Da somit die sozialen Kontakte im Unternehmen fehlen, nimmt die emotionale Bindung an die Arbeitgeberinnen oftmals ab. Die Bindung an das Unternehmen, „die 2. Familie“, geht schlimmstenfalls komplett verloren. Die Arbeitnehmerin, häufig inzwischen auch Single, ist sozial weder familiär noch bei der Arbeit eingebunden. Langfristig können Freundschaften und Bindungen an Teamkollegeninnen komplett verloren gehen und die Vereinsamung in der Gesellschaft wird weiter zunehmen.

Düstere Aussichten, zumindest für einen großen Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer!

Trotz der insgesamt positiven Entwicklung in der Digitalisierung, die das Arbeiten und Kommunizieren in der Corona-Pandemie erst so richtig vorangetrieben hat, bleibt bei den häufigen Team-Meetings doch viel auf der Strecke. Jeder, könnte man meinen, kennt die Problematik, dass es nach wie vor immer wieder technische Probleme gibt. Bild und Ton sind oft mäßig gut, die Internetverbindung „wackelt“, Kollegen klinken sich mit ausgeschalteter Kamera gern komplett aus, arbeiten nebenbei, bügeln, kochen, gießen ihre Blumen o.ä., Inhalte müssen häufig mehrfach erläutert werden, Team-Meetings ziehen sich endlos in die Länge. Gleichzeitig ist es ein großer Vorteil, dass lange Anfahrtswege zu Meetings vor Ort entfallen, was zum einen durchaus effektiv sein kann, zum anderen unserer Klimaproblematik positiv entgegenkommt.

Was wird bleiben?

Homeoffice ist eine Option, Familie und Beruf besser vereinbaren zu können. Familien werden diese Option in Zukunft sicher vermehrt nutzen. Der soziale Aspekt, Kollegeninnen zu treffen, im Team zusammen zu arbeiten und nicht als Einsiedlerin zu Hause zu verkümmern, wird dagegen stehen. Unsere Arbeitswelten befinden sich im Wandel und werden sich insofern verändern, dass dem Arbeitnehmer auf der einen Seite deutlich mehr Flexibilität angeboten werden muss, auf der anderen Seite die Arbeitswelt attraktiver und kommunikativer werden sollte. Große Unternehmen wie beispielsweise Apple konzipieren Ihre Arbeitswelten schon lange so, in den Behörden sind nach wie vor die traditionellen Zellenbüros beliebt.

„Die Zukunft der Arbeit ist hybrid“

Die Volkswagen AG beispielsweise wird in Zukunft Ihren Mitarbeitern*innen gemäß der neuen Betriebsverordnung freistellen bis zu 4 Tage die Woche im Homeoffice zu arbeiten und verpflichtend mindestens einen Präsenztag im Unternehmen zu verbringen, sozusagen als Tag für die interne Abstimmung und Kommunikation im Team. Unter dem Motto „Die Zukunft der Arbeit ist hybrid“ soll ein Gleichgewicht zwischen „Mobiler Arbeit“ und der für die weitere Transformation unabdingbaren Interaktion im Büro geschaffen werden. Die neue Betriebsvereinbarung soll ein Brückenschlag in die Arbeitswelt der Zukunft sein. Volkswagen setzt bereits seit vielen Jahren flexible Arbeitsmodelle mit individuellen Lösungen speziell für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben um und baut diese kontinuierlich weiter aus. Neben den umfassenden Möglichkeiten zum ‚Mobilen Arbeiten‘ zählen dazu auch Angebote wie beispielsweise ‚Job Sharing‘, das neue Sabbatical-Modell ‚Meine AusZeit‘ oder Gleit-, Teil- und Pflegezeit. Übergeordnetes Ziel ist es, die Beschäftigten in jeder ebensphase als Top-Arbeitgeber mit passenden Lösungen zu unterstützen.

Die Bestrebungen der Unternehmen, den Mitarbeiterninnen optimale Arbeitsbedingungen anzubieten, wird enorme Änderungen für die Struktur der Büroräume mit sich bringen: wesentlich mehr Kommunikations- und Besprechungsflächen, Projekträume, temporäre Arbeitsplätze, optimierte Arbeitswelten und Effizienz bei der Flächenbelegung. Vorausgesetzt die Mitarbeiterinnen nehmen die Angebote der Unternehmen an, werden sich die Flächen für Büronutzung drastisch reduzieren.

„Räume für das HomeOffice müssen geschaffen werden“

Räume für das „Homeoffice“ müssen neu geschaffen werden, was wiederum Einfluss auf die Wohnungsgrößen haben wird. Die derzeit sehr gefragten 2-Zimmer-Wohnungen decken die Anforderungen i. d. R. nicht mehr ab, die Anforderungen an Wohnungsgrößen werden sich wieder verändern. Die Kosten für entsprechende zusätzliche Wohnflächen bzw. Arbeitsräume belasten jedoch die Arbeitnehmer*innen. Vielleicht hat die Veränderung der Arbeitswelt sogar Einfluss auf ganz andere Wohnkonzepte wie z.B. Wohngruppen, die der Vereinsamung unserer Gesellschaft entgegenwirken.

„Nachhaltigkeit & Well-Building-Standard“

Ebenso wird das Thema Nachhaltigkeit zunehmend wichtig in der gesamten Immobilienbranche, so auch für Bürogebäude. Immer mehr Projektentwicklerinnen und Investoreninnen setzen auf nachhaltige Zertifizierungen wie DGNB, BREEAM oder LEED. Seit 2014 gibt es eine neue Zertifizierung, welche sich zunehmend als wichtiger Standard für ökologisches und nachhaltiges Bauen etabliert: Well Building-Standard. Die weltweit erste Zertifizierung dieser Art konzentriert sich auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bewohnerinnen und Nutzerinnen einer Immobilie. Im Gegensatz zu anderen Zertifizierungen muss die Well-Zertifizierung alle drei Jahre erneut verifiziert werden und wird so zu einer „lebenslangen“ Verpflichtung. Der Well-Building-Standard bewertet Immobilien nach sieben Bewertungskriterien:

  • Luft
  • Wasser
  • Versorgung
  • Licht
  • Fitness
  • Komfort
  • Mentale Gesundheit

Im Wesentlichen geht es bei den Well-Building-Standards darum, einen hohen Komfort bzgl. der äußeren Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz zu fördern: ideales Raumklima und Luftqualität, keim- und bakterienfreies Trinkwasser, gesundes Nahrungsmittelangebot, eine optimale Lichtumgebung, Förderung der körperlichen Aktivität, hoher Komfort durch individuelle Regulierbarkeit der Raumtemperatur, Frischluftzufuhr, akustischer Komfort, ergonomisches und flexibles Büromobiliar. Nicht zuletzt geht es darum die mentale Gesundheit durch Richtlinien-, Programm- und Designstrategien zu fördern und das kognitive und emotionale Wohlbefinden der Mitarbeiter*innen positiv zu beeinflussen.

„Wie kann man Nachhaltigkeit im Bau von Gebäuden gewährleisten?“

Einige der Bewertungskriterien sind lediglich durch die Betreiberinnen der Immobilie bzw. die Arbeitgeberinnen zu gewährleisten, da diese neben den Ausstattungsstandards im Wesentlichen auch den Betrieb der Immobilie betreffen. Wie können wir als Architekten nun die Nachhaltigkeit unserer Gebäude gewährleisten? Schon mit dem Grundkonzept des Gebäudes werden wichtige Voraussetzungen für eine ökologische und nachhaltige Immobilie geschaffen. Neben den o.g. Kriterien für ein Well-Building sind auch folgende Kriterien wichtig:

Städtebau
Mit jedem Neubau prägen wir einen wesentlichen Teil unserer Umwelt. Gebäude müssen deshalb nachhaltig in das städtebauliche Umfeld integriert werden. Die Auswahl des optimalen Standortes, Eignung des Grundstücks, Orientierung, das direkte Umfeld sind wichtige Auswahlkriterien.

Signifikanz
Signifikanz und Identitätsstiftung nach Außen und Innen, Werbewirksamkeit des Gebäudes durch Standort, Lage und Prägnanz, das gesamte Image des Gebäudes, sind wichtige Vermarktungskriterien der Projektentwickler und Nutzer. Der zunehmende Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt führt zu einem harten Wettbewerb der Unternehmen und dadurch indirekt zu immer attraktiveren Arbeitswelten.

Flexibilität
Die Gebäudekonzeption muss ein hohes Maß an Flexibilität bieten, um den individuellen Anforderungen der Nutzer, auf maximalen Komfort, auf moderne Organisationsstrukturen mit differenzierten Anforderungen an die Büroformen (Kombibüro, Team-Büro, Open Space…), Angebot von konzentriertem Arbeiten und Kommunikation, Privatsphäre und Offenheit, gerecht zu werden.

Nachhaltigkeit
Der dramatische Klimawandel fordert nun dringlichst die Realisierung und Umsetzung nachhaltiger Gebäudekonzepte sowie den konsequenten Einsatz alternativer Energien. Begrünung von Fassaden, Gründächer, Photovoltaik, eine den Energieverbrauch reduzierende technische Gebäudeausstattung, der Einsatz von Baustoffen mit positiver CO2-Bilanz und Wiederverwertbarkeit, sind wesentliche Parameter für das Bauen der Zukunft.

Fazit

Ein Umdenken muss stattfinden. Obwohl die grundsätzlichen Parameter und Anforderungen für ein Klima neutrales Bauen seit langem bekannt sind, wurden diese im Planungsprozess aufgrund wirtschaftlicher Zwänge meist deutlich reduziert oder oftmals ganz aufgegeben. Verantwortungsvolles Handeln ist in Zukunft von unseren Auftraggebern und allen Planungsbeteiligten gefordert. Darüber hinaus wird die zunehmende Digitalisierung, der Wunsch nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Work-Live-Balance-Philosophie sowie die Veränderungen und Entwicklungen in der Mobilität unsere Arbeitswelten nachhaltig verändern und modifizieren. Diese Anforderungen müssen bereits bei der Entwicklung, Planung und Umplanung von unseren Gebäuden und Arbeitswelten berücksichtigt werden – mehr denn je.

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