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3. Mai 2023

Ein Stern der Region

Wie kann man allein nur so gut kochen?

(Foto: Fabian Haars)

„Die Natur und die Jahreszeiten bestimmen, was ich kochen darf – und ich entscheide, wie es schmeckt.“ Wer als Koch und geschäftsführender Gastronom eine Speisekarte mit diesen Worten einleitet, der hat zwei Dinge sehr gut verstanden. Erstens: Die Demut vor dem Lebensmittel ist dringend geboten. Und zweitens: Wenn ich etwas kann wie nur wenige andere, dann darf ich das Beherrschen meiner Kunst auch selbstbewusst verkünden. Enrico Dunkel ist ein Künstler, ein lukullischer Magier und seine Bühne ist das Alte Haus in der Alten Knochenhauer Straße.

„Die Qualität wird ja immer besser, wie kann man allein nur so gut kochen wie Sie?“ – diese Frage hört der im kreuzkatholischen Eichsfeld geborene Küchenchef immer wieder mal, und das mache ihn dann schon ein wenig stolz. Letztlich ist das Lob eine Bestätigung für Enrico Dunkels jetzigen Kurs. „Wir haben uns über die Jahre im positiven Sinne kleingeschrumpft, von ehemals 56 auf nunmehr 14 Sitze – dafür ist die Qualität deutlich gestiegen“, frohlockt Dunkel. Die Gäste seien die Schritte in Richtung Exklusivität jedes Mal gerne mitgegangen und wundern sich genauso wie der Stadtglanz darüber, dass hier kein offizieller Michelin-Stern an der Wand hängt.

Dem eigenen Stil verpflichtet

Dabei habe es Zeiten gegeben, gibt der im Sterneküchenbereich gewachsene Spitzenkoch zu, wo er versucht habe es allen rechtzumachen. „Heute weiß ich: ich muss das nicht“, betont der 54-Jährige. Jeder habe eben seine Prinzipien und seinen ganz eigenen Weg zu guten Ergebnissen, weshalb er auch nicht – zumindest nicht bewusst – vegetarisch oder vegan koche. „Ich habe meinen persönlichen Stil, meine Art der Küche und wer das gut findet, der kommt wieder. Deshalb auch der Hinweis ganz oben auf meiner Menükarte, obwohl ich natürlich weiß, dass Köche, die auf einem bestimmten Niveau arbeiten, die Grundsätze Regionalität und Saisonalität allesamt schon immer beherzigt haben.“ Er selbst behalte neben dem Natürlichkeits- auch den Nachhaltigkeitsaspekt immer im Blick. Speisen würden grundsätzlich komplett verwertet, meist in Suppen oder Fonds. Lebensmitteltechnisch, so Dunkel, entstünde im Grunde kein Abfall.

Der Wein als Ausgangspunkt für Menüs

Einen weiteren konsequenten Sonderweg beschreitet der Gastronom bei der Weinbegleitung, wobei schon der Begriff „Begleitung“ in die Irre führt, fungiert der Wein in der Küche der Edelgastronomie „Das Alte Haus“ doch als geschmacklicher Ausgangspunkt, an dem sich die einzelnen Gänge des Menüs orientieren. Also erst wird entscheiden welche Weine eingesetzt werden und auf der Basis entstehen dann die einzelnen Teller-Gerichte, die sich übrigens so niemals wiederholen. „Wir arbeiten mit den Aromen des Weines die Aromen des Essens heraus. Ich selbst habe mich immer mehr für die Thematik interessiert und gezielt Weingüter besucht. Jetzt bekommen wir immer häufiger Komplimente: Eure Weinbegleitung ist ja besser als im Sternerestaurant und so weiter. Das motiviert natürlich, es immer noch besser zu machen. Irgendwann stand bei mir der Entschluss, nur noch deutsche Weine auf die Karte zu nehmen, wobei wir dafür im Gegenzug alle Weinanbaugebiete des Landes berücksichtigen“, skizziert der engagierte Restaurantchef, der inzwischen mit 75 deutschen Winzern zusammenarbeitet, und 600 (!) Weinpositionen im Angebot hat.

„Braunschweig ist meine Heimat geworden“

Ganz ohne Zweifel hätte die Küche von Enrico Dunkel in jedem Winkel der Republik Konjunktur, für seine Gäste kocht er ohnehin auf Michelin-Stern-Niveau. Die Entscheidung für Braunschweig sei irgendwann bewusst gefallen. „Wenn ich meinen jetzigen Laden in München eröffnet hätte, wäre ich einer von 25 oder 30. In den Großstädten aber auch in ländlichen Gegenden im Süden gibt es weitaus mehr Toprestaurants“, skizziert der Gastronom, der in der ehemaligen DDR aus Mangel an anderen Angeboten zunächst eine Ausbildung zum Maschinenbauer absolvierte. Bereits in der Schulzeit arbeitete nebenbei in einer Fleischerei – was auch den Grundstein seiner späteren Passion darstellt – und bekam dort ein Gefühl für den Wert des Lebensmittels. Noch am Tag der Grenzöffnung verließ Dunkel seine Heimat in Richtung Hamburg und Schleswig-Holstein, lernte und arbeitete sich seiner Passion folgend immer tiefer in den Beruf des Kochs ein, kniete sich rein und bekam nach der Ausbildung die Chance, sein Talent gleich in mehreren deutschen Sterneküchen zu zeigen. 2002 beendete er die Wanderschaft und heuerte als zweiter Küchenchef im damaligen Restaurant Dannenfelds an, bevor er ein Jahr später gemeinsam mit Kilian Hefele den Schritt in die Selbstständigkeit wagte.

Heute fühlt er sich in der Region absolut angekommen, hier verwurzelt. Braunschweig sei zur neuen Heimat geworden. „Durch das Restaurant habe ich meine Freunde kennengelernt“, sagt Dunkel, für den sich mit dieser Verbindung ein Kreis schließt. „Es gibt doch nichts Schöneres als mit Menschen, die man mag an einem Tisch zu sitzen, vielleicht zusammen zu kochen und sich zu unterhalten. Das ist Genuss und Lebensfreude, das macht mich glücklich!“ Lieber Enrico, Stadtglanz verleiht Dir nun hiermit zumindest den inoffiziellen Michelin-Stern: Enrico – ein Stern der Region!

Dieser Artikel erschien zuerst in der Stadtglanz Print-Ausgabe 27 / Sommer 2023.

André Pause

ist seit dem 01.03.2023 Head of Content der mediaworld GmbH sowie Chefredakteur des Magazins Stadtglanz. Nach seinem Studium an der FH Hannover schrieb und fotografierte der Diplom-Journalist freiberuflich für regionale Medien sowie die Deutsche Presseagentur (dpa) und Fachzeitschriften aus dem Bereich Kultur. Zuletzt verantwortete er als Chefredakteur der Industrie- und Handelskammer (IHK) Braunschweig sechs Jahre lang deren Mitgliederpublikation „IHK Wirtschaft“.

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