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16. Januar 2024

„Schöner leben“

– das sagt Stadtglanz-Herausgeber Timo Grän. Er meint damit auch das Motto der aktuellen Ausgabe und damit auch das Motto meines Editorials. „Schöner leben in der Region 38“ fügt er noch erklärend dazu. Aha.

( Fotografie: Adobe Stock: rabbit75_fot / SM.Art )

Schöner leben, schöner leben, schöner leben – ich murmele die Worte vor mich hin, bewege sie in meinem Herzen. Was soll das sein? Schöner ist eine Steigerung. Heißt, wir leben zumindest schon mal schön. Alle? Und was gehört zu einem schönen Leben dazu?

Swimming Pool und Kamin für die einen – eine warme Mahlzeit und ein nettes Wort für die anderen.

In unserer Region muss niemand verhungern, aber relative Armut ist durchaus ein Begriff. Ich bin ein großer Fan vom Iglu an der Schöppenstedter Straße. Für journalistische Arbeiten war ich häufiger da. Selbst da gibt es noch ein „Schöner-als-die-anderen“. Denn ganz hinten in der Reihe der Gestrandeten und der Obdachlosen stehen die ausländischen Menschen – meist aus Polen. Menschen wie Boguslav Popko zum Beispiel. „Ich bin gern hier, alle sind nett zu mir, sehr höflich“, sagt er leise. Es dauert einen Moment, bis er Vertrauen fasst und erzählt. Seit mehr als 20 Jahren ist er in Deutschland. Gelernter Maler. „Ich hatte sogar einen kleinen Betrieb“, sagt er. Seine Frau ist seine Partnerin, hält das Geld zusammen, kümmert sich um die Buchhaltung. Dann erkrankt sie an Krebs.
 
Die Ersparnisse sind bald aufgebraucht. Seine Frau stirbt. „Ich habe es einfach nicht ausgehalten“, erzählt Boguslav Popko. Er greift zum Alkohol, sammelt Pfandflaschen. Es geht schnell bergab. Das ist ungefähr zehn Jahre her. Er verliert den Halt, seine Firma, seine Wohnung. Jahre auf der Straße folgen. Mit Hilfe des Iglu-Teams hat er seit kurzem eine kleine Wohnung. Ein riesiger Erfolg. Schöner leben.

Die polnischen Staatsbürger haben meist keinen Anspruch auf irgendwelche Unterstützungen, sie bekommen maximal ein One-way-Ticket nach Hause. Aber da wollen sie auf keinen Fall hin. Sie haben kein Zuhause mehr. Hier im Iglu bekommen sie etwas zu essen, Wärme von der Heizung und von herzlichen Menschen, Hilfe von ehrenamtlich arbeitenden Ärzten. Mit dem Einsatz vieler Helferinnen und Helfer wird das Leben dieser Menschen ganz am Rand schöner. Und vermutlich das der Helfer auch.
Denn die Glücksforschung hat relativ klar belegt, dass eine sinnvolle Aufgabe glücklich und zufrieden macht. Und Zufriedenheit ist eine wichtige Währung beim Thema „Schöner leben“. Genau wie die vielbesungene Dankbarkeit. Manchmal ist es mühsam, sich in Dankbarkeit zu üben, Profis empfehlen, jeden Tag ein paar Sätze aufzuschreiben, wofür wir dankbar sein können. Ich denke, es gibt mehr als ein paar Sätze – gerade in unserer Region.

Irgendwo habe ich gelesen, dass wir die viertreichste Region Deutschlands sind. Durch sogenanntes „altes Geld“ und eben durch VW. Schöner leben hat etwas mit Geld zu tun. Nicht nur, nein, aber auch. Und da ist unsere Wirtschaft, allen voran VW, eine sichere Bank. Für viele hier. Schön zu leben ist in unserer Region relativ einfach. Wir haben hier eine Menge Glück. Die Geschichte ist auf unserer Seite. Wir haben alles da, was nötig und wünschenswert ist.

Ich erinnere mich gut an ein Interview mit Frank Klingebiel, dem Bürgermeister von Salzgitter. Er erzählte mir vom Salzgitter seiner Jugend, von seinem Vater, der Stahlkocher war, von der Entwicklung „seiner Stadt“ von der grauen Maus zu einem lebenswerten Gemeinwesen, vom Zusammenwachsen der Menschen, die nach dem Krieg in Salzgitter gestrandet waren. Vom schöneren Leben.

Zu den Zutaten für ein schöneres Leben gehören sicher auch Abwechslung und das Beschreiten neuer Wege. Therapeuten sprechen hier vom „Verlassen der Komfortzone“. Ich mag den Ausdruck nicht so gern, denn ich kenne kaum Menschen, die in was auch immer für einer Art von Komfortzone rumdümpeln.

Die meisten Menschen sind am Machen und Tun. Sie arbeiten, kümmern sich um Kinder und Alte, um Nachbarn, Natur, Vereine oder Tiere, sind als Trainer aktiv oder was auch immer.

WIR LEBEN UNSEREN ALLTAG. SO GUT WIR KÖNNEN. WIR GEBEN UNSER BESTES.

Was ist dann also „schöner leben“?  Um schöner zu leben, braucht es also ein Add-on, ein Zusatzgeschenk, einen Gewinn, eine Überraschung? Auf jeden Fall eine Entscheidung. Die Entscheidung weiterzugehen, sich weiterzuentwickeln und im täglichen Tun die sogenannten Goldnuggets wahrzunehmen und zu feiern.

Gar nicht so einfach. Neue Dinge in der alten Heimat zu entdecken. Ich zum Beispiel lebe schon mein ganzes Leben in dieser Region. Geboren in Wolfsburg, aufgewachsen in Hannover und Peine, verheiratet in Berkum (ein kleines Dörfchen im Landkreis Peine), studiert in Braunschweig, meine beste Freundin wohnt in Gifhorn. Beruflich in Braunschweig, aber durch meine Arbeit auch verbunden mit Helmstedt, Wolfsburg und Salzgitter, Verwandtschaft in Wolfenbüttel. Ein echtes 38er-Kind also. Aus einer VW-Familie. Diese Gegend ist mir bestens vertraut.

 Wolfsburg habe ich über die Jahre ein wenig aus den Augen verloren, bis wir dort einen Ableger „meiner NB“ an den Markt brachten – die „neue Wolfsburger“. Ein Anzeigenblatt. Ich lernte dadurch einen Lehrer und seine Frau kennen, die für uns als freie Mitarbeiter im Einsatz waren. Andreas Stolz heißt der Mann. Er war schon länger im Pensionsalter, aber noch immer als Lehrer aktiv. Er bekam alle „Problemschüler“ in seine Klasse. Weil er mit ihnen klarkam. Damals lief gerade „Fack ju Göhte“ im Kino. Ich habe mit den Jugendlichen gesprochen und danach Folgendes geschrieben:

„Er nimmt uns ernst“, sagen die Schülerinnen und Schüler, „er ist streng, aber auch lustig“, „er setzt sich für uns ein“, „er ist konsequent“, „er vertraut uns“, „er kann laut brüllen und auf den Tisch hauen.“ Nur Lob. Und das über einen Lehrer. Fast unheimlich. „Er sieht zwar nicht so aus, aber er ist wirklich so cool wie der Lehrer im Fack-ju-Film“, ergänzt Lucy, „wir können glücklich sein, ihn als Klassenlehrer zu haben.“

Andreas Stolz hat das Leben vieler Schüler schöner gemacht. Manche sogar gerettet. Vor dem Absturz, vor der Arbeitslosigkeit, vor der Einsamkeit. Und sein Leben ist und war durch seine Leidenschaft für seine Schüler auf jeden Fall schön. Nicht immer leicht. Aber schön.

Schöner leben hat etwas mit Haltung zu tun. Wie bei dem Lehrer Andreas Stolz. Und da kann mitunter auch Kleidung eine Rolle spielen. Wie im Innen so im Außen empfehlen Fachleute. Sie appellieren daran, das Umfeld ordentlich und sauber zu halten, das gibt auch Ruhe für die Seele.

 Und auch da hat Wolfsburg Adressen. Unter anderem ist das Outlet-Center für einen Freund von mir die erste Anlaufstelle für neue Klamotten. „Es macht etwas mit mir, wenn ich einen guten Anzug trage“, sagt er. Der edle Stoff gebe ihm Sicherheit, ein guter Schnitt Selbstvertrauen. „Ich fühle mich dann schöner“, stellt er fest, „und da ich häufig unsicher bin, vertraue ich auf gute Beratung.“

Eine andere Möglichkeit, schöner zu leben, ist Adrenalin. Ich war mit meinem Enkel im Harz. „Megazipline“ heißt die Seilrutsche an der Rappbodetalsperre. Die Tickets hatten mein Enkel Niko und ich schon in der Hand, mussten aber warten. Mein Herz sank sonst wohin. „Ich schaffe das nicht“, sage ich kleinlaut. „Aber Oma, jetzt haben wir schon die Karten“, protestiert Niko. Am Ende habe ich mich getraut. Ich bin mit 80 Stundenkilometern in 120 Meter Höhe über den Stausee gedonnert. Wie im Rausch. „Oma, das war das Geilste, was wir bislang gemacht haben“, strahlt Niko. Geht es schöner?

 Für mich ist ein Schöner im Leben fast immer mit der Natur verbunden. Meine alte Heimat Peine zum Beispiel hat die mit Abstand schönste Badeanstalt der Region. Inzwischen heißt die Anlage cool P3, ist aber nach wie vor meine Badeanstalt aus meiner Jugend. Mehrere große Becken im Freibad, riesige Rasenflächen, aufgestellte Liegen wie in einem Hotel, Schwallduschen und ein Wasserstrudel, in den ich mich zu gern hineinziehen lasse. Ok, jetzt ist die Saison vorbei. Aber auch das dazugehörige Hallenbad ist für mich besonders. Gut zum Schwimmen. Und direkt danach in die Sauna. Jeder Besuch ein Urlaubstag.

Das P3 zeigt mir, was Kommunen für ein schöneres Leben ihrer Einwohner tun können. Gerade auch die kleineren. Peine hat sich getraut, obwohl das Geld knapp war und ist. Sie haben gut geplant, reduziert auf das Wesentliche und es geschafft. Bauzeit und die veranschlagten Kosten von 7,7 Millionen Euro wurden eingehalten. Es geht.

Bewegung ist „the key“. Gerne auch in der Natur. Harz und Heide ist nicht nur der Name einer über viele Jahre erfolgreichen Messe in Braunschweig, Harz und Heide sind echte Tipps für mein schöneres Leben. Mit meiner Freundin in Gifhorn brauchen wir nur ein paar Kilometer zu gehen und sind schon mitten in einer Heidelandschaft. Keine Zivilisation mehr zu hören, nur das Piepen der Vögel und das Rauschen der Blätter im Wind.

 Auch Wandern ist ein Glücksrezept. Zum Beispiel um den Lappwaldsee bei Helmstedt. Staunen über die Entwicklung eines Freizeitgebietes aus dem alten Kohletagebau. Ein guter Weg zu einem schönen Moment im Leben. Idealerweise mit einem Abschluss bei Braunkohl und Korn.

Und – natürlich - auf Reisen gehen. Und wieder nach Hause kommen. Aktuell habe ich als Reisebegleiterin bei Schmidt Reisen angefangen. Gerade war ich in Griechenland und Zypern. Fliegen ab Braunschweig. Eindeutig schöner leben.

Schöner zu leben bedarf einer gewissen Aktivität. Mindestens einer Offenheit. Wenn wir stumpf immer das Gleiche tun, wird es nicht schöner. Wir können das Gleiche tun, aber es neu anschauen. Oder wir gehen gleich neue Wege. Ein Outdoor-Spezialist empfahl neulich Mikroabenteuer. Heißt, einfach mal losgehen. Direkt vor der Haustür. Das Herz öffnen, alte Wege verlassen – und mal schauen, was so passiert. Vielleicht wartet das schönere Leben schon direkt hinter der nächsten Ecke. Oder hinter der nächsten  Seite. Lassen Sie sich inspirieren.

Barbara Horn, Diplom-Sozialarbeiterin im Tagestreff Iglu

Die schweren Schicksale der Menschen, die uns im Tagestreff Iglu für Wohnungslose besuchen, berühren mich immer wieder sehr. Ein wesentlicher Teil meiner Arbeit ist es, Beziehung zu den Betroffenen aufzubauen – dazu ist viel Herzblut nötig. Umso schöner ist es, wenn die Menschen mit der Zeit Vertrauen fassen, wir über ihre Probleme sprechen und gemeinsam Lösungen für sie finden. Für mich selbst ist es unglaublich bereichernd, wenn ich merke, dass ich Menschen helfen konnte, so an sich zu arbeiten, dass sie ihre eigenen Kräfte wieder entdecken und Perspektiven für ein schöneres Leben entwickeln.

Paula und Hanna Zemke aus Gifhorn

Paula: Ich mag sehr gern Ausflüge und Urlaub. Ich fahre gern in den Essehof wegen der niedlichen Ziegen und den anderen Tieren.
Hanna: Wir fahren auch gern in Freizeitparks, zum Beispiel in den Erse-Park (Foto). Und wir schwimmen gern in der Allerwelle in Gifhorn.

Cathleen Täubner, 51 Jahre, Gruppenleitung P3 Peine

Es ist für mich ein großes Geschenk mitzuerleben, wie sich – unabhängig vom Alter – regelmäßige Bewegung positiv auf die körperliche und geistige Fitness auswirkt.
Einige kommen mit chronischen Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen und erhoffen sich Besserung, andere möchten einfach fit bleiben. Viele meiner Gruppen halten mir seit Jahren die Treue. Ich bekomme so hautnah mit, wie sich Wohlbefinden und Achtsamkeit gegenüber dem eigenen Körper verbessern und damit auch die Lebensqualität. Etwas, dass mich jeden Tag aufs Neue anspornt, in meinen Kursen im P3, die Freude an der Bewegung in den Fokus zu stellen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Stadtglanz Print-Ausgabe 29 / Winter 2023.

 

 

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