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Y-JOBS

30. August 2021

Wenn die Schulklasse ins Stadion zieht

Ein Lernort fernab der Klassenzimmer

Es gibt Themen und Inhalte, die der „klassische“ Schulunterricht in der zur Verfügung stehenden Zeit schwerlich oder gar nicht fokussieren kann. Mitunter kommt dann das Grün-Weiße Klassenzimmer zum Einsatz: Ein Lernort fernab der Klassenzimmer – dafür in Schussnähe zur Volkswagen Arena in Wolfsburg.

Ich sitze mit Björn Ferneschild und Praktikant Max in einem tatsächlich grün-weißen Raum in inspirierender Kulisse.  An den Wänden verteilt – nebst Plakaten mit Fußballbezug – hängen von jungen Teilnehmern erstellte Poster, etwa zu Themen wie Gewalt, Rassismus oder auch Integration und Inklusion. „Mit diesem Angebot wollen wir den Gruppen oder Klasseneinheiten mal die Möglichkeit geben aus der Schule herauszukommen, neue Methoden zu erleben und dabei in Bewegung zu kommen“, schildert Björn, der beim VfL Wolfsburg im CSR-Bereich tätig ist. Die Idee derartiger Bildungskonzepte ist nicht neu: Ursprünglich stammt sie aus Groß­britannien, heute haben zahlreiche Vereine entsprechende Angebote.

Seit rund fünf Jahren gibt es nun das Grün-Weiße Klassenzimmer.  „Mit dem Ziel, ehrliches Bildungsengagement an die Schulen zu bringen.“ Musste zur Anfangszeit sehr viel aufklärendes Marketing sowie grundsätzliche Kommunikations­arbeit betrieben werden – melden sich heute Schulen, Lehrkräfte und Gruppen aus der Großregion und weit darüber hinaus bei dem VfL Wolfsburg. „In den vergangenen Wochen hatten wir etwa auch Klassen aus Bad Bevensen oder Lüneburg zu Gast. Und manche Gruppen kommen über die Zeit sogar zwei oder drei Mal zu uns“, freut sich der studierte Pädagoge. Nicht nur Björn ist speziell für das Angebot geschult, auch das Konzept an sich: Das Grün-Weiße Klassenzimmer ist zertifizierter Lernort für Bildung für nachhaltige Entwicklung, außerdem sind sie im Didacta Verband für außerschulisches Lernen engagiert. Unterstützt wird das Projekt derweil auch von der DFL Stiftung.

Die Workshops selbst werden zu unterschiedlichen Themen für spezielle Altersgruppen angeboten. Grundsätzlich wird in zwei „Spielfelder“ aufgeteilt: Erlebnis und Bildung. Für die ersten vier Klassenstufen etwa steht unter anderem „Der Fußballprofi ist, was er isst“ auf dem Plan. Hierbei steht die Bedeutung einer gesunden Ernährungsweise im Vordergrund, abgeleitet wird sie spielerisch an den Frühstücksgewohnheiten. Auch werden die Kinder selbst aktiv: Auch das sportliche Geschick wird trainiert. Ab der Klassenstufe sieben geht es dann etwa um Diskriminierung und Rassismus. Der Workshop „Wir schauen hin!“ beispielsweise setzt sich anhand von Fanfotos, Stadionliedern und realen Fallbeispielen mit moderneren Arten und Weisen von Diskriminierung und Rassismus im Fußball auseinander. Jugendliche entdecken Erscheinungsformen, Symboliken sowie Werte und Ziele des rechten Spektrums. Dabei enttarnen sie das gewollte Versteckspiel, hinterfragen dessen Gesinnung kritisch und suchen eigene Wege für ein gemeinsames und vielfältiges FairPlay auf und neben dem Platz. Gemeinsam wird die „Grüne Karte für Viefalt“ verteilt.

 

Im Sinne der Vielfalt

Vielfalt ist ein Schwerpunkt, der dem VfL Wolfsburg besonders am Herzen liegt. Auch im Grün-Weißen Klassenzimmer. Gemeinsam mit dem Fanprojekt Wolfsburg wird das Projekt „Wolfsburger Schule für Vielfalt“ initiiert: Teilnehmen können Klassen aller Schulformen ab dem neunten Jahrgang. Nach einer Teilnahme an drei unterschiedlichen gesellschafts- und bildungs­relevanten Workshops und der Umsetzung eines themenbezogenen Schul­projekts wird eine offizielle Auszeichnung überreicht – die alljährlich durch eine erneute Teilnahme (etwa von neuen Klassen) verlängert werden kann. „In einem sogenannten ‚Markt der Möglichkeiten‘ stellen die Schulen dann ihre jeweiligen Projekte vor, können sich untereinander austauschen und vernetzen“, freut sich Björn. Natürlich geht es auch sportlich zur Sache:

 

Ein stadtweites Fußballturnier steht ebenfalls auf der Agenda.

Stolz ist der Leiter des Grün-Weißen Klassenzimmers mit seinem Team auch auf ein anderes Vorhaben: Schüler des Landesbildungszentrums für Hörgeschädigte Braunschweig (LBZH) haben in Zusammenarbeit mit dem VfL Wolfsburg während Projektwochen ein Poster mit den Profis des VfL in Gebärdensprache entwickelt. „Bisher mussten die Namen umständlich buchstabiert werden oder es existierten keine einheitlichen Übersetzungen“, ergänzt er. Nachdem im ersten Schritt die Herren an der Reihe waren, folgte bereits die Damen-Bundesligamannschaft. „Auch schauen wir, dass etwa neue Spieler oder Trainer ergänzt werden.“ Gemeinsam mit den Kids wurden in diesem Rahmen auch spezielle Videos mit den Namen in Gebärdensprache aufgenommen, die etwa bei der Partie der Damen gegen den FC Bayern München zu sehen waren.

 

„FairPlay gilt auch im Netz“

Für die Zukunft schätzt Björn, dass neben den bewährten und weiterhin wichtigen Themen etwa die Digitalisierung sowie die Nachhaltigkeit eine größere Rolle in der Arbeit des Grün-Weißen Klassenzimmers spielen werden. „Bei der Digitalisierung geht es uns da etwa um das Nutzungsverhalten. FairPlay gilt auch im Netz – ein gutes Miteinander, eben wie bei einer Mannschaft.“ Dem außerschulischen Bildungskonzept gelingt es auf eine kluge Art und Weise, die Grundgedanken des Sports auf die gesellschaftlichen Themen zu übertragen. Zu neuen Formaten ist der VfL Wolfsburg freilich auch mit den anderen Vereinen im Austausch: Das jährliche Koordinatorentreffen der jeweiligen Verantwortlichen findet im kommenden Jahr passenderweise in Wolfsburg statt. „Da fokussieren wir unter anderem den Aspekt Fundraising“, gibt Björn einen Ausblick.

Praktikant Max, der nun seit ein paar Wochen das Vorhaben begleitet, schließt den Rundgang durch das Grün-Weiße Klassenzimmer begeistert ab:

„Ich finde die Vielfalt an Themen und Konzepten unheimlich spannend. Zudem ist es außergewöhnlich, die Themen in sportlichen Bezug zu setzen – und das nicht vom Klassenzimmer aus, sondern direkt neben dem Stadion.“

Mit dem außerschulischen Lernkonzept lässt sich eindrucksvoll beweisen, wie vielfältig Fußball und Bildung sein können. Und das an dieser Stelle gar gemeinsam.

Falk-Martin Drescher

studierte Stadt- und Regionalmanagement und ist gelernter Quartiersmanager, engagiert sich selbst ehrenamtlich als Vorstandsvorsitzender des Braunschweiger Kultviertels. Im Medienbereich selbstständig, neben seiner journalistischen Tätigkeit als Konzepter, Moderator und im Bereich Influencer Relations aktiv. Mit dem The Dude-Newsletters (www.meett hedude.de) informiert er zudem jeden Montagmorgen über ausgewählte Events und Neuigkeiten aus der Region.

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