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Y-JOBS

1. Juni 2018

Das Geschäft mit dem Essen

Es ist zweifelsohne Erfindergeist, der Innovation in das Gewerbe befeuert

(Fotografie: fotolia/ExQuisine, stockphoto-graf, robert6666)

Nicht jeder ist für das Unternehmerdasein geschaffen – es ist risikoreich, harte Arbeit und ziemlich einsam. Und es würde mich nicht überraschen, wenn der Anteil an Unternehmerpersönlichkeiten imRestaurantbusiness besonders hoch wäre. Unzählige Köche träumen vom eigenen Restaurant oder Pub und die Städte der ganzen Welt sind voll von Gaststätten, die von Familien oder einem patriarchalischen Küchenchef betrieben werden. Innovationen kommen von Köchen mit ganz unterschiedlichen Lebensläufen und Visionen, was man besser oder anders machen kann und sollte – und die genau das mit ihrem eigenen Projekt beweisen wollen.

Aber wie viele scheitern! Ein guter oder gar ein exzellenter Koch zu sein, ist keine Erfolgsgarantie. Sogar Jamie Olivers Restaurantkette ist kürzlich in schweres Fahrwasser geraten. Fehlende Liquidität, zu viel Essensabfall, ein Wasserrohrbruch, schlechte Publicity, ein grantiger Vermieter… die Zahl der Stolperfallen ist groß und mehr Restaurants scheitern als reüssieren. Ein Unternehmer braucht keinen Master in Betriebswirtschaftslehre, um ein Restaurant zu führen, aber helfen würde es allemal. Kurz – leckeres Essen auf schönen Tellern ist nicht mehr als ein guter Anfang, um Gäste zu gewinnen.

Es gibt etliche Alternativen zur puren Selbständigkeit. Viele Köche tun sich mit Investoren zusammen, die ihnen finanzielle Risiken und die Buchführung abnehmen, um sich voll auf das Beglücken der Kunden fixieren zu können. Mittlerweise existieren spezialisierte Investmentunternehmen, die Investorengelder einsammeln, Restaurant-Fonds auflegen und in Restaurants, Köche und Konzepte investieren. Einige Gastro-Fonds vertrauen ihr Geld nur einem Koch an, andere suchen sich eine Gruppe von Köchen für Schlüsselpositionen, um ein neues Konzept umzusetzen. Es ist auch nicht selten, dass Fonds zuerst eine Marke und ein Marketing-Konzept entwickeln und erst dann das passende Personal suchen. Ich finde aber, dass ein Restaurant mehr Herzblut und weniger eine Truppe aus Buchhaltern braucht, die sich an hippe Namen für Burgerausdenken. Die besten Restaurants haben meist einen leidenschaftlichen Koch in der Küche, der es zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat, seinen Laden zu voller Blüte zu bringen.

Manchmal suchen die Gastro­-Fonds nach bewährten Konzepten und so kann ein kleinerBurgerbrater schnell ein weltweiter Trend werden, wenn nur die richtigen Marketingstrategen die Fäden ziehen und die richtigen Standorte finden. Orte, die Wachstum erwarten lassen und auf keinen Fall den Makel der Langeweile tragen.

Die Richtigen für den Service zu finden, ist eine Herausfor­derung – Habitus und Auftretenmüssen dem Stil des Restaurants ent­sprechen und es ist sehr schwer, das jemandem beizubringen. Den Stil eines Restaurants auf Filialen zu übertragen ist schwierig – scheitert man, wirkt der Spross unpersönlich und kalt.

Köche ihrerseits finden es schwer, interessierte Investoren zu finden oder vor einer Jury eines Gastro­-Fonds zu bestehen. Und so nehmen viele eine Hypothek aufs Eigenheim und machen sich – Sieg oder Untergang! – daran, es allein zu versuchen. Die besten unter ihnen kreieren Speisen, ein System und ein Konzept, das tatsächlich skalierbar ist. Ein gutes System trägt Dutzende Filialen aller Welt und funktioniert als Kette, aber solche Erfolgsgeschichten sind rar.

Aber Küchenchefs können auch über die Verpflegung hinaus unternehmerisch tätig werden. Wer ein Ausflugshotel in einem entfernten Winkel hat, wird häufig zum Mini-Hotelier für seine Dinner-Gäste. Manche Köche schaffen es ins Fernsehen und nutzen ihren Rum, um ihre Bücher, Kochutensilien und Eintrittskarten zu ihren Kochshows zu verkaufen. Oft helfen dabei Agenten wie ich, die durch jahrelange Erfahrung die richtigen Leute, das Publikum und das kennen, was ankommen könnte. Und als ob das alles noch nicht genug unternehmerisches Spielfeld wäre, arbeiten manche Promi-Köche mit Lebensmittel­konzernen zusammen und lassen ihre Namen auf massenproduzierte Fastfood-Produkte, Fertiggerichte, Pizzen und vieles mehr drucken.

Aber auch in vielen von uns schlummert der Unternehmergeist! Engländer nennen es „Deli dreaming“. „Deli dreaming“ ist das Phänomen, dass viele in hochbezahlten, stressigen Bürojobs, die anfällig gegen Burnout machen, vom eigenen Bistro, Café oder gar Restaurant träumen oder sich diesen Traum sogar verwirklichen. Es ist ihre Flucht aus dem Hamsterrad ihrer Jobs und eine gute Möglichkeit, immer von gutem Essen umgeben zu sein. (Schade eigentlich, dass es dafür keine schöne deutsche Übersetzung gibt: Gastro-Traum klingt altbacken, Tresen-Drang nach Alkoholproblem und Küchen-Sehnen nach Fleischabfall.)

Essen und Bewirten lockt Unternehmergeist an. Vermutlich, weil es so viel mit Leidenschaft zu hat. Viele Erfolgreiche haben einen missionarischen Eifer in dem, was sie machen – sei es Essen, ein Laden oder ein Restaurant und sie investieren ihre gesamte Leidenschaft, um „ihr Ding“ groß und großartig zu machen, und das ist es schließlich, was einen Unternehmer ausmacht – einen Traum zu verfolgen, sein eigener Herr und darin erfolgreich zu sein, für was man brennt.

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