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Mehr als nur Bilder an der Wand
Eine vielfältige Museumskultur als Standortfaktor
Zu den Dauerthemen öffentlicher Diskussionen rund um die Zukunft des berühmten Standorts Deutschland gehört der demografische Wandel und der damit einhergehende Fachkräftemangel. Unternehmen buhlen daher um die Gunst von Bewerber*innen mit möglichst hübschen Benefits neben den Gehaltszahlungen. Und von ganz eigener Relevanz ist dabei die Attraktivität des Standorts.
Dazu gehören neben alltagspraktischen Dingen wie öffentlicher Nahverkehr, Kitas, Schulen und medizinischer Versorgung auch jene Sehenswürdigkeiten und Einrichtungen, die einer Stadt oder einer Region ein Profil verleihen. Das Schlagwort „kulturelles Angebot“ fasst es zusammen: die bunte Vielfalt an Erbaulichem, Vergnüglichem, Lehrreichem – all das also, womit sich die freie Zeit füllen und gestalten lässt. In besonderem Maße gehören die Museen dazu und kein anderes Land kann mit einer derartigen Fülle aufwarten wie die Bundesrepublik. Über 7000 Museen und Ausstellungshäuser verteilen sich von der Küste bis zu den Alpen. Im Vergleich dazu ist die Zahl der Theater (rund 750 Spielstätten), Kinos (etwas mehr als 1700) und Fußballstadien (186) überschaubar. So bieten auch in der Region 38 Dutzende von Museen mit ihren Dauer- und Sonderausstellungen und reichhaltigen Veranstaltungsprogrammen eine enorme Auswahl. Für alle Altersgruppen und Interessenlagen ist etwas dabei.
Schon diese geradezu kursorischen Ausführungen lassen leicht erkennen, dass die Museen die Hauptträger des kulturellen Lebens sind. Bereits vor zehn Jahren stellte die WirtschaftsWoche das Potenzial von Museen als Standort- und Wirtschaftsfaktor fest – freilich mit Fokus auf Letzterem. Vieles, was damals gerade in der deutschen Museumslandschaft noch neu war, ist heute längst Allgemeingut: Angebot und Einnahmequellen zu diversifizieren, betriebswirtschaftlich zu denken, Vernetzung voranzutreiben, offensives Marketing zu betreiben. Vor allem aber, sich als Teil der Gesellschaft zu verstehen und entsprechend zu handeln. Wie gut das in unserer Region gelingt, zeigen nicht zuletzt Einrichtungen wie das phæno und das Kunstmuseum in Wolfsburg. Das sind Beispiele im großen Format – es geht aber auch im Kleinen. Es braucht nur Ideen. Eine der charmantesten Ideen hatte kürzlich das Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig: Die aktuelle Sonderausstellung zum 300. Geburtstag des Landschaftsmalers Pascha Weitsch wurde flankiert von #WeitschReloaded, einem Fotowettbewerb auf Instagram, bei dem Harzfotografien von heute zusammengetragen und in einer eigenen Ausstellung im Museum präsentiert wurden. Die Fotograf*innen von heute schreiben mit ihren künstlerischen Mitteln fort, was der Maler im 18. Jahrhundert anlegte. Und das Museum zeigt und schafft die Verbindung – und gibt dem Historischen die Relevanz fürs Neue.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Stadtglanz Print-Ausgabe 30 / Frühling 2024.

Dr. Christian Lechelt
Kunsthistoriker, Leiter des Museums Schloss Fürstenberg. Experte für die Kunst- und Kulturgeschichte des europäischen Porzellans vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Vizepräsident der Gesellschaft der Keramikfreunde e. V. und Redakteur der Zeitschrift KERAMOS.
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