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Y-JOBS

2. August 2021

Vom Unternehmer zum Oberbürgermeister?

Der Privatmensch Kaspar Haller – Liebe als innere Triebfeder

Maximilian Pohler

Ich kenne Kaspar Haller bislang nicht, ebenso wenig mein Co-Gesprächspartner Jan Plöger. Den meisten dürfte es hier wohl ähnlich gehen. Wer ist dieser 38-Jährige, der zunehmend Präsenz zeigt? Kaspar Haller ist Oberbürgermeisterkandidat für Braunschweig, aber auch erfolgreicher Unternehmer. Darum geht es hier aber nicht, das interessiert uns heute nur peripher. Wir möchten den Privatmenschen Kaspar ein wenig näher kennenlernen.

GRÄN: Herr Haller: Intelligent, gebildet, Familie, erfolgreicher Unternehmer und politisch aktiv. Wie kann man damit leben?

HALLER: Ganz gut, ich bin gesund, munter und fröhlich (lacht). Ich bin dankbar für das, was ich schon erreichen konnte, am meisten für meine Familie. Dankbarkeit habe ich ganz konkret gelernt, als es unserer Tochter in den ersten Monaten ihres Lebens sehr schlecht ging. Als Vater morgens nicht zu wissen, wie der Abend mit der Kleinen ausgeht, hat meine Sicht auf mein Leben verändert. Dabei habe ich sehr viel über meine eigenen Werte gelernt und ich bin unglaublich dankbar für meine Familie und mein Leben.

PLÖGER: Sie haben vier Kinder. Das ist ja leider eher unüblich. Was hat zu dem Entschluss für eine große Familie geführt?

HALLER: Kinder sind etwas Wunderbares. Als gläubiger Mensch gibt es für mich zwei Konstanten im Leben – das ist das Kommen auf die Erde und das Gehen von der Erde, Alpha und Omega – die beiden Fixpunkte. Kinder sind dabei das Einzige, was bleibt. Sie sind der magischste Punkt und sie sind eben aus einer neuen Verbindung von zwei unterschiedlichen Menschen entstanden. Eine echte Teamleistung also. Ich bin sehr dankbar, dass wir die Möglichkeiten haben, vier Kinder groß zu ziehen und dass sie alle gesund sind. Kinder sind Leben und Leben ist Zukunft.

GRÄN: In was für Familienverhältnissen sind Sie groß geworden und wie stellt sich Ihre Situation heute dar?

HALLER:  Die ersten Jahre bin ich in Schickelsheim groß geworden, zusammen mit meinem Vater, meiner Mutter und meinen 7 und 11 Jahre älteren Schwestern. Mit der 5. Klasse OS Leonhardstraße hat meine Liebe zu Braunschweig begonnen; Musikschule, Klavierunterricht, Stadtschülerrat, Sport etc. Meine Eltern und eine Schwester leben heute noch in Braunschweig und der Region. Ich lebe mit meiner Familie in Schickelsheim und arbeite in Braunschweig.

PLÖGER: Was haben Ihre Eltern beruflich gemacht?

HALLER: Meine Eltern kamen in den 60er Jahren in die Region und leben noch heute hier. Mein Vater war sein Leben lang Landwirt, familiär und unternehmerisch geprägt. Nie nur den einen Beruf, sondern ebenso wie die Mutter sehr vielfältig engagiert. Meine Mutter beispielsweise engagierte sich nicht nur politisch, sondern auch stark im Bildungsbereich, teils auf Landes- oder auch auf Bundesebene. Aber am Ende auch immer mit der Entscheidung für die Familie.

GRÄN: Was haben Sie aus Ihrem Elternhaus für Verhaltensweisen und Werte übernommen?

HALLER: Freiheit, Liebe, Vertrauen. Das sind meine wichtigsten Werte. Das bin ich und damit auch Produkt meiner Eltern. Um noch präziser zu werden: Natürlich auch besondere Eigenschaften wie zum Beispiel Bescheidenheit, Respekt, Offenheit und Bodenständigkeit.

GRÄN: Wann hatten Sie Ihre erste große Liebe?

HALLER: Meine erste große Liebe ist meine Frau. Ende 2005 hat unsere Reise angefangen – auch wenn wir zeitlich erstmal für einen längeren Zeitraum getrennt waren. Sie lebte studienbedingt in Hamburg, Paris, London und Schanghai. 2010 haben wir dann geheiratet und unseren Hochzeitstag habe ich noch nie vergessen.

GRÄN: Sie sind in Braunschweig zur Schule gegangen, haben in Göttingen und England studiert, führten mit Ihrer Schwester den landwirtschaftlichen Betrieb Domäne Schickelsheim an der ehemaligen Grenze. Was bedeutet Heimat (Anmerkung der Redaktion: HEIMAT ist Themenschwerpunkt der nächsten Ausgabe im September) für Sie?

HALLER: Braunschweig ist meine Heimat, dort wo ich aufgewachsen bin. Heimat ist der Anker, gerade mit Blick in die Zukunft. Je verwurzelter und klarer die Heimat, desto eher kann man auf Ungewisses reagieren. 

GRÄN: Sie haben schon viel von der Welt gesehen. Was schätzen Sie an unserer Kultur, an unserem Leben? Was können wir Positives aus anderen Ländern lernen?

HALLER: Jemand hat mal gesagt: Reisen baut Vorurteile ab. Also mal aus dem eigenen Kulturkreis herauszukommen, andere Perspektiven einnehmen und neugierig sein. Das hilft mir. Ich lasse mich auf andere Themen, Eindrücke und Umstände ein. Jeder kennt das aus dem Urlaub, man erinnert sich zurück, an das, was einem gefallen hat, man nimmt ein Souvenir mit. Und wiederum ist es dann schön nach Hause zu kommen. Wir haben in unserer deutschen Kultur einige Werte, die ich wichtig finde, wie zum Beispiel Pünktlichkeit und Sauberkeit. Ich bin glücklich, weil ich schon viele Kontinente bereisen und kennenlernen konnte. Ich lege dabei besonderen Wert darauf, nicht zu vergleichen, sondern auf das schauen, was mich mit einem anderen Land verbindet. Und ich kann immer etwas von anderen lernen. Best Practice. Es gibt auf der Welt vielleicht schon Lösungen für meine Probleme. Unterschiedliche Länder gehen mit verschiedenen Glaubenssätzen die Probleme an und kommen auch zu einem guten Ergebnis. Ich sehe das auch an der aktuellen Krise.

GRÄN: Denken Sie es fehlt Deutschland an Agilität?

HALLER: Ja, definitiv. Unsere Demokratie, Organisationen und viele Unternehmen sind noch sehr klassisch und hierarchisch strukturiert und organisiert. Andere Länder machen das schon agiler und können so besser und effizienter reagieren. Für mich ist Agilität ein sehr strukturiertes Arbeiten auf Augenhöhe und mit hoher Wertschätzung. Nach der Industrialisierung erleben wir seit nun die Digitalisierung. Die Umbrüche werden heftig sein. Wenn wir als Kultur und Land nicht agiler werden, werden wir größere Schwierigkeiten haben mit dieser Herausforderung umzugehen. Agilität konkret hier in Braunschweig bedeutet für mich, dass wir im Team für unsere Stadt schneller und entschlossener reagieren müssen.

PLÖGER: Theodore Roosevelt hat in seiner berühmten „Man in the arena“-Rede gesagt, ein Staatsmann müsse für seine Überzeugungen aufrecht kämpfen und dabei unvermeidlich Blessuren in Kauf nehmen. Würden Sie das auch so sehen?

HALLER: Und er hat den New Deal ausgerufen! Mein Eindruck ist, dass wir heute zu oft Positionen verteidigen und es nicht mehr um Standpunkte geht. Ich will aufrecht sein und mich nicht verbiegen. Ich will mit Bedacht und Rücksicht gestalten und mich nicht zur Unkenntlichkeit anpassen. Wenn wir wertebasierte Politik ernst nehmen, ist genau das der Weg, wie Roosevelt es beschrieben hat. 

PLÖGER: Sollten Sie im September 2021 zum Oberbürgermeister gewählt werden, was sind die ersten drei Dinge, die Sie ändern würden?

HALLER: Als erstes werde ich den Dienstwagen – einen Audi A8 – des Oberbürgermeisters abschaffen und gegen ein Elektroauto und ein Dienstfahrrad tauschen. Zweitens werde ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung eine Stimme und mehr Verantwortung geben. Sie mit den Werkzeugen ausstatten, die gebraucht werden, um ihre Arbeit zu machen. Und drittens werde ich einen Aktionsplan für die großen Herausforderungen der Zeit in die Umsetzung bringen: Wir müssen unsere Innenstadt zukunftsfähig machen, unserer Stadt eine Perspektive geben sowie unseren Beitrag zum städtischen Umwelt- und Klimaschutz leisten. Ein klares Zielbild muss die Basis unserer Entscheidungen sein, auf welchem Weg wir dorthin kommen, kann diskutiert werden, alle zusammen.

GRÄN: Herr Haller, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Timo Grän

Herausgeber des Stadtglanz und der Service-Seiten. Verbrachte seine ersten Lebensjahre in Sambia und Botswana, bevor er Kind dieser Region wurde. Seitdem ein Förderer des Regionspatriotismus.

Dr. Jan Plöger

Dr. Jan Plöger wurde in Franken geboren, hat in Hannover studiert und in München gearbeitet, bevor er sich vor 12 Jahren für Braunschweig entschied.

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