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6. Juli 2021

60 Jahre Galerie Jaeschke

60 Jahre am Markt zu sein und eine stabile Auftragslage zu halten ist für eine Galerie nicht selbstverständlich.

Was macht eine Galerie aus, die seit über zwei Generationen die Braunschweiger Innenstadt bespielt und deren dritte Generation bereits in den Startlöchern steht?

Auch wenn das Thema Corona zurzeit mehr als inflationär besprochen wird, ist nicht zu leugnen, dass auch die Galerie Jaeschke von den damit zusammenhängenden Einschränkungen betroffen war und ist. Die jüngsten Corona-bedingten Herausforderungen haben die bisher größten Einschnitte mit sich gebracht, allen voran, die Streichung aller geplanten Feierlichkeiten und Veranstaltungen zum 60jährigen Jubiläum im letzten Jahr. Zudem war Vieles, was den Charme eines Galeriebesuchs ausmacht, wie der persönliche Kontakt zu Kunstliebhabern, Kunstwerke vis à vis zu erleben und ihre Beschaffenheit aus der Nähe zu erforschen, anregende Gespräche bei einem Glas Wein an einem Vernissage-Abend zu genießen oder die Künstler selbst kennenzulernen, plötzlich nicht mehr gegeben. Die Entwicklung, hin zu einer digitalisierteren Galerie, in der Ausstellungen via Instagram und YouTube eröffnet und in ein gefühltes Nichts hinausgetragen werden, ist für die Galerie Jaeschke und ihre Mitarbeiter deshalb nicht nur ungewohnt, sondern, wenn man 60 Jahre für etwas anderes stand, auch schmerzlich.

Begonnen hat alles am 1.April 1960, als sich die Türen der damals noch kleinen „Bilderetage“ öffneten. Horst Jaeschke etablierte in wenigen Jahren die Räumlichkeiten in der Schuhstrasse als DEN Treffpunkt, wenn es um Kunst geht. Viele namhafte Künstler, wie Adi Holzer, James Coignard, Paul Wunderlich, Nissan Engel, Johnny Friedländer, Heinrich Brockmeier, Uschi Klaas oder Prof. Siegfried Neuenhausen fanden ihren Platz an den Wänden der Galerie und während der gut besuchten Vernissagen wechselten wundervolle Landschaftsgemälde und moderne Grafiken den Besitzer.

Eine deutliche Veränderung erfuhr die Galerie, nunmehr Galerie Jaeschke, mit dem Einstieg von Olaf Jaeschke Mitte der Achtziger Jahre. Er modernisierte das Konzept der Galerie mehr und mehr und lud zunehmend auch internationale Künstler, wie z.B. James Rizzi, ein. Olaf Jaeschke war es auch, der eben diesen amerikanischen Künstler davon überzeugte, sein architektonisches Großprojekt eines Rizzi-Gebäudes nicht in London, Paris oder New York zu realisieren, sondern in Braunschweig, nahe des historischen Magniviertels. Seit 1997 ist das lebensfrohe, bunte Kunst-Bauwerk nun an dieser Stelle zu bewundern und Anziehungspunkt vieler Besucher aus aller Welt.

Auch der Ausstellungsraum wurde erweitert und Kunstaktionen finden nun auch inmitten der Stadt ihren Platz. Christel Lechners „Alltagsmenschen“ z.B. erfreuten die BraunschweigerInnen an öffentlichen Plätzen, indem die mannshohen Figuren, mit ihrer freundlichen und liebenswerten Ausstrahlung, beim Verrichten alltäglicher Dinge beobachtet werden konnten.                                                                                                                                                                

Plastiken von Nando Kallweit oder Hans-Peter Mader wurden bei Skulpturenausstellungen unter freiem Himmel im ländlichen Raum präsentiert, was für den Besucher die vielfältigen Möglichkeiten für die Einbeziehung von Kunst im eigenen Garten oder auf der Terrasse vorstellbarer machten.

Aber auch die Räumlichkeiten der Galerie selbst wurden vergrößert, um noch mehr Präsentationsfläche zu bieten und Raum für die Gäste der zukünftigen Vernissagen zu schaffen. Im Jahre 2004 erfolgte dementsprechend ein umfangreicher und aufwendiger Umbau, der die Galerie in ihrer heutigen Größe erstrahlen lässt. Auf 3 Etagen und insgesamt 500m² werden heute Künstler wie Christo, Günther Uecker, James Francis Gill oder Markus Lüpertz gezeigt.

Der wichtigste Bestandteil der Galerie Jaeschke sind natürlich allen voran die Künstler. Mit den meisten von ihnen besteht bereits seit langem eine enge Zusammenarbeit, die sich zum Teil schon über Jahrzehnte erstreckt. Das zeugt von einer beiderseitigen Loyalität, die von Vertrauen und persönlicher Wertschätzung geprägt ist. Natürlich ist die Galerie Jaeschke immer darum bemüht, auch junge Künstler zu entdecken und das Angebot an neuer Kunst so breit wie möglich zu gestalten. Dieses - „das – ist – mal – was - Anderes - Gefühl“ – ist schließlich nicht zu unterschätzen und sorgt regelmäßig für einen Aha-Effekt bei den Besuchern der Galerie. So wird es niemals langweilig und im besten Falle ist für jeden Geschmack etwas dabei. Denn nichts ist individueller und schwieriger als die Entscheidung für ein Kunstwerk.                                                                                                                     

Eine kleine Auswahl der wichtigsten Künstler der Galerie Jaeschke sei im Folgenden vorgestellt.

Hans-Georg Assmann galt als ein äußerst schwieriger Künstler im Umgang mit seinen Mitmenschen aber umso so komplexer und faszinierender in seinem künstlerischen Schaffen. Der Braunschweiger Künstler lebte für seine Kunst und war kompromisslos, wenn es um die Komposition seiner körperlichen Darstellung ging, die dennoch vornehmlich abstrakter Natur waren. Assmanns Bilder fordern vom Betrachter viel. Dieser wird, wenn er sich einmal darauf eingelassen hat, aber mehr als belohnt. Olaf Jaeschke war so überzeugt von dem 2017 verstorbenen Künstler, dass er den gesamten Nachlass dieses Ausnahmekünstlers aufgekauft hat und präsentiert.

Einer der Künstler, die in der Galerie Jaeschke die PopArt vertreten, ist Jörg Döring. Der aus dem Ruhrpott stammende Künstler zeigt seine Bilder mittlerweile international und spielt die ganze Klaviatur dieser Kunstrichtung. Ikonen wie Brigitte Bardot, Steve McQueen, Marilyn Monroe, Sophia Loren oder Mickey Mouse und der Pink Panther stehen oft im Mittelpunkt der Arbeiten Dörings und sind doch nur Teil des Ganzen. Personen, Dinge, Momente und Texte dienen in der komplexen, oft kuriosen, einzigartigen Zusammenstellung und ausbalancierten Komposition als Transportmittel einer Idee, einer Geschichte, eines Moments. Vielleicht ist es die Suche nach dem perfekten Moment. Durch die Leichtigkeit seiner Werke und die ausgefeilten Techniken, sind Jörg Dörings Arbeiten heute unvergleichlich. Deutlich erkennbar entsteht eine besondere Energie, wenn seine Kreativität auf Collage, Siebdruck und Ölmalerei trifft.

Eine Perfektionistin der ideellen Malerei ist die Hamburger Malerin Petra Rös-Nickel. Ihre Leinwände bestehen ausschließlich aus Form und Farbe, die auf eine höchst aufwendige Weise entstehen. Mehrere Farbschichten, teilweise auch Ebenen, die aus geriebenem Marmor oder Stahlpulver bestehen, werden übereinandergelegt und durch verschiedenste Techniken bearbeitet. Mal werden vereinzelte Partien wieder herausgekratzt, so dass die darunterliegende Farbschicht freigelegt wird, mal werden dicke Spuren von Ölfarbe gelegt, die dem Bild eine erhabene Oberfläche verleihen. Rös-Nickels vielschichtige Bilder spielen in einer solch faszinierenden Weise mit Farbwelten, die eine Gegenständlichkeit nicht eine Sekunde vermissen lassen. 

Auf eine völlig andere Weise setzt Gabriele Mierzwa Form und Farbe in Szene. Handgefärbtes hochwertiges Büttenpapier wird von der Künstlerin per Hand in bestimmte Formen gerissen, welche dann zu einer Komposition auf einem Untergrund befestigt werden. So entstehen wunderbare symmetrische, spielerische oder geradlinige Objekte, die eine kontemplative Wirkung haben. Ob nur aus weißem Papier bestehend oder mit einem effektvollen Farbverlauf, wirken ihr Objektkästen nahezu hypnotisch.

Künstler der jüngeren Generation sind ebenso vertreten. Der fast schon surrealistisch malende Magdeburger Max Grimm fällt durch seine farbintensiven Gemälde auf. Seine märchenhaften Kompositionen vermögen es, den Betrachter unmittelbar für sich einzunehmen und mit ihm in einen direkten Dialog zu gehen. Wunderbare Momente entstehen aus dem Zwiegespräch zwischen Betrachter und Bild, die wie eine Wanderung durch seine Motive scheint, in der durch farbige Landschaften, Märchenwälder und bunte Städte gewandelt wird. Wer genau hinschaut, phantasiert sich in die Lüfte mit fliegenden Fischen und exotischen Vögeln hoch zu einem schmunzelnden Mond, tanzt mit Einhörnern im Jazzgarten oder begegnet wunderschönen Damen und geheimnisvollen Herren in einer schwimmenden Stadt.

Durch zeitlose Eleganz zeichnen sich die Skulpturen von Nando Kallweit aus. Die filigranen Figuren aus Eichenholz bearbeitet der Schweriner Künstler zunächst mit einer Kettensäge und verfeinert dann mit kleinerem Werkzeug die schmalen Formen. Auch Bronze ist ein von ihm häufig verwendetes Material. Die sogenannten „Hamburger Jungs“ z.B. wirken wie lässige Typen am Pier, die entspannt einen Sommernachmittag verbringen. Ob überdimensional im öffentlichen Raum zu sehen oder in kleinerer Version für zu Hause, geben Nandos Skulpturen jedem Ort eine zusätzliche Schönheit und Eleganz.

60 Jahre Galerie Jaeschke bedeutet vor allen Dingen: Engagement, Leidenschaft und einen Galeristen wie Olaf Jaeschke mit einer Vision von Kunst für die Stadt. Letztlich besteht eine solch lange Erfolgsgeschichte aus der Kombination aus der Liebe zur Kunst, einer guten Beziehung zu seinen Künstlern, dem Pflegen des aufgebauten Netzwerks, der Offenheit für neue Ideen und einem Team, dass mit Herzblut jede noch so unvorhersehbare Kurve meistert.

Andrea Wendt-Drewitz

Ich bin Jahrgang 1977 und seit über 5 Jahren bei der Galerie Jaeschke tätig. Davor über mehrere Jahre in einer anderen großen Galerie. Studium der Kunst- und Kulturwissenschaften an der Universität Witten/Herdecke.

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