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HARZGLANZ

1. August 2022

Zukunft wird gemacht. Hier!

Was macht die Forschungsregion zu einer Zukunftsregion?

Dass die Region zwischen Harz und Heide mit Braunschweig in der Mitte als eine der forschungsintensivsten Regionen Deutschlands und sogar Europas gilt, ist bekannt. Hier wird nicht nur den Ursachen für bestehende Problematiken auf den Grund gegangen, sondern an innovativen Lösungsansätzen und zukünftigen Optimierungen gearbeitet. Was bedeutet das konkret? Wie tragen hiesige Forschungs- und Bildungseinrichtungen zu weltweit bedeutsamen Erkenntnissen vor allem in den Bereichen Gesundheit und Mobilität bei? Wie ergänzen sie sich und welche Maßstäbe haben sie international bereits gesetzt? Von modernen Assistenzsystemen im Wohnraum, autonomem Fahren und zukünftiger Steuerung der Gesundheit zeigen hiesige ImpulsgeberInnen das Innovationspotenzial diverser Begebenheiten auf. Regionsexperte Kai Florysiak und Stadtglanz-Redakteurin Lina Tauscher haben auf ihrem Entdeckungstrip in Richtung Zukunft an einigen wegweisenden Forschungseinrichtungen der Region halt gemacht.

Zukunftsmobilität made in Braunschweig

„Wenn wir uns vorstellen, welches Lebensumfeld uns in zehn bis 15 Jahren umgibt, werden wir feststellen, dass viele alltägliche Dinge aus der Region kommen und hier erforscht worden sind,“ schildert der Fachmann der mit den neuesten Ideen und Impulse der Region vertraut ist.

Die Pakete, die wir in Zukunft bestellen, werden mit Drohnen zu uns nach Hause geliefert, die maßgeblich am Niedersächsischen Forschungszentrum für Luftfahrt (NFL) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Sitz am Forsch-ungsflughafen am dann existierenden Future Mobility Hub entwickelt und erforscht wurden.

Bewegen wir uns in einem Jahrzehnt mit dem Auto fort, werden wir wahrscheinlich nicht überlegen müssen, wo es geparkt ist. Mithilfe von smarten, automatischen Systemen wird es uns selbstständig an Ort und Stelle abholen können. Für die Erforschung und Entwicklung Automatisierten Fahrens wurde Europas größtes Testfeld initiiert, sichtbar an der A39. Dieses Themenfeld hat inzwischen Tradition in der Region. Die weltweit ersten vollständig autonom fahrenden Elektrofahrzeuge wurden am Niedersächsischen Forschungszentrum für Fahrzeugtechnik (NFF), ebenfalls am Forschungsflughafen positioniert entwickelt. Der Forschungsflughafen gilt als Kompetenzzentrum, wenn es um verkehrsträgerübergreifende Mobilität geht. „Die Elektrofahrzeuge werden möglicherweise deutlich weniger Energie verbrauchen, weil sie aus leichten Werkstoffen gefertigt sind und kaum Gewicht haben“, erklärt der Braunschweiger. Für die Entwicklung leichter Werkstoffe für neue Produktionstechniken emissionsarmer, innovativer Fahrzeuge ist die Open Hybrid LabFactory in Wolfsburg von hoher Bedeutung, die aus einer Kooperation des NFF mit Industriepartnern entstanden ist. Neue Zelltypen und Produktionsverfahren der Batterien, die als Energiespeicher fungieren wurden maßgeblich in der Battery LabFactory der TU Braunschweig entwickelt. Die neuartigen Batterien werden recyclebar sein. „Mit REWIMET haben wir an der TU Clausthal ein Kompetenzzentrum für Recycling, womit sich der Kreis für den Produktlebenszyklus dieser Technologien schließt“, erläutert der Regionsexperte. Und dann ist da noch das Thema Wasserstoff. Der entsprechende TU Campus mit den weiteren Entwicklungen z.B. in Salzgitter wird uns zu einer Energieregion machen.

Der Forschungsflughafen Braunschweig hat sich auch im Bereich der Vervielfältigung des Flugverkehrs, die in Zukunft weiter steigen wird, bereits als wegweisendes Forschungszentrum erwiesen. „Ohne die Lösungen aus Braunschweig werden Großflughäfen das Wachstum nicht bewerkstelligen können. Braunschweiger Avioniktechnologien werden Sie weltweit finden“, betont der Experte.

Virtual Reality und Robotik in der Pflege

Wie können wir uns die Pflegebetreuung unserer Eltern oder uns selbst in Zukunft vorstellen? Mit modernen Technologien wie Augmented Reality und dem Einsatz von Hilfsrobotern kann die Pflege- und Gesundheitswissenschaft den Pflegebereich maßgeblich voranbringen. „Diese Technologie, mit der Vitalparameter überprüft, Dokumentationen erledigt oder virtuelle Besuche abgehalten werden können, ist an der TU Clausthal maßgeblich entwickelt worden, in der schon seit Jahren am praktischen pflegerischen Einsatz der Augmented Reality Brille geforscht wird“, erklärt Florysiak.

Auch die Ostfalia für angewandte Wissenschaften ist der derzeitigen Entwicklung einen Schritt voraus: Selbst wenn klar ist, dass sich Bedingungen der Berufsgruppen in der Pflege verbessern müssen, kann das Personal mithilfe von robotischen Hilfssystemen unterstützt werden, die hier u.a. gemeinsam mit zu Pflegenden, Angehörigen und Pflegekräften entwickelt werden.

Ökologische Vielfalt

Ein aktuell einnehmendes Thema im Bereich der biologischen Vielfalt ist das Artensterben. Kai Florysiak stellt sich vor, dass entscheidende Lösungsvorschläge aus der Region kommen. „Am Thünen-Institut Braunschweig mit dem Forschungslabor im Elm wird so wesentliche Forschung betrieben, dass unsere Ökosysteme zukünftig eine ganz andere, vielfältigere Biodiversität aufweisen werden“, betont er. Die Erkenntnisse werden auch die Landwirtschaft optimieren und dazu beitragen, dass sich die Natur erholen kann.

Gesunde Zukunftsvisionen

In der besten Version der Zukunft sehen wir unser Umfeld und uns selbst gesund und fit. Auch dazu trägt die Region, unter anderem das Braunschweiger Forschungszentrum für Systembiologie (BRICS), bei. „Aus der hier betriebenen Forschung wird bekannt sein, wie sich Keime, Viren und Bakterien verändern. Systembiologie Ansätze untersuchen ganzheitlich Überträger und Prozessketten und diese Daten laufen am BRICS zusammen. Aus Milliarden Datensätzen können im Hinblick auf neuartige Krankheiten vorausschauend Wirkstoffe entwickelt und zur Verfügung gestellt werden“, so der Fachmann. Außerdem ist er der Ansicht, dass sich das Bild von Krankheit und Gesundheit ändern wird. Wenn wir uns permanent selbst vermessen und Hinweise zu unserem Verhalten bekommen, um Wahrscheinlichkeiten zu beeinflussen, wenn wir wissen, wie sich Infektionskrankheiten verhalten, welche Mutationen es geben wird, wie diese zu behandeln sind – all das auf Basis eines unvorstellbar großen Datenschatzes – dann wird Gesundheit kein Zufallsprodukt mehr sein, sondern Ergebnis bewussten Handelns. „Wir werden vielleicht eines Tages zu 80 oder 90 Prozent gesund sein, nach einem nervlich herausfordernden Saisonende der Eintracht vielleicht eher zu 70 Prozent und dann entsprechende Maßnahmen ergreifen, um den 100 Prozent wieder näher zu kommen“, meint Florysiak. Auf Basis unserer genetischen Veranlagung kennen wir unseren individuellen Nährstoffbedarf und können diesen gezielt decken, um Erkrankungswahrscheinlichen abzusenken und Gesundheit zu optimieren. Dabei helfen uns vermutlich Entwicklungen aus dem Zentrum für Pharmaverfahrenstechnik (PVZ) in Braunschweig. Überhaupt werden es Krankheitserreger schwerer haben als heute. Die am Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST entwickelten neuen Oberflächen werden neue Maßstäbe in der Hygiene setzen.

Pandemien sind in zehn Jahren etwas, worüber am Lagerfeuer erzählt wird. Durch die wertvolle Arbeit am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und dem Institut für Biotechnologie der Technischen Universität sind Zoonosen beherrschbar geworden. Wir kennen die relevanten Infektionskandidaten und die entsprechenden Wirkstoffe, können sofort reagieren und damit Ausbrüche verhindern. Im Institut wurde eines der ersten Medikamente gegen COVID-19 entwickelt, das bei Zulassung im Unterschied zu präventiv schützenden Impfstoffen bereits infizierte Personen heilen soll. Die Methode ist Grundlage für die Entwicklung vollkommen neuartiger Medikamente. Wesentliche Stütze dieser Vorhaben ist das in Braunschweig ansässige Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen.

Innovativ leben

Beispielhaft für die Zukunftsentwicklung unseres unmittelbaren Lebensraums steht das Projekt „Bahnstadt“. Hier werden die Chancen der Stadtentwicklung im Hinblick auf Digitalisierung, vernetzte Mobilität, Industrie 4.0 und umweltschonende Stadt- und Technikentwicklungen aufgezeigt. Die „Bahnstadt“ umfasst den Raum zwischen Hauptbahnhof und Hauptgüterbahnhof und weiteren teilweise brachliegenden Flächen. Hier soll gearbeitet, geforscht, gelebt werden. Neue, innovative Stadtentwicklungs- und Architekturkonzepte sind hier erlebbar. Die enge Zusammenarbeit mit der TU Braunschweig und der Exzellenzfakultät Architektur, Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften hat es möglich gemacht. Nirgendwo auf der Welt gibt es eine vielfältigere Sammlung von Lebenskulturen.

Hochhäuser aus Holz

Für das Fundament zukunftsträchtiger Gebäude wie dem Hochhaus aus Holz auf dem Gelände stellt sich das altbekannte Material, welches derzeit noch als ungewöhnlicher Baustoff gilt, als innovatives Baumaterial der Zukunft heraus. „Es herrscht schon jetzt ein Mangel an Stoffen wie beispielsweise Sand und auch an der Nachhaltigkeit orientiert macht es in Zukunft viel mehr Sinn, auf Holz bzw. Naturfasern zu setzen“, erläutert Florysiak. Aus unserer Region kommen hierfür entscheidende Impulse und zwar vom Fraunhofer Institut für Holzforschung in Braunschweig, welches auf den Gebieten der Optimierung und Entwicklung von Verbundstoffen und Wärmedämmsystemen impulsgebend ist.

Das Hochhaus aus Holz ist nicht nur auf innovative Art und Weise gebaut, sondern verfügt auch im Wohnraum über modernste Innenarchitektur und Technik. Lebensrettende Assistenzsysteme wie ein automatisierter Notruf wurden vom Peter L. Reicherts Institut für Medizinische Informatik in Braunschweig entwickelt. „Meine Wohnung wird zum Ersthelfer. Stößt mir etwas zu, ruft sie selbständig den Rettungsdienst, gewährt ihm Zutritt und lotst ihn zu mir“, führt der Braunschweiger aus. Ähnliches kennen wir in zehn Jahren auch von Autos, die die Vitalfunktionen ihrer Insassen checken und im Zweifel einen Arzt rufen können. Selbstverständlich mit einer Technologie aus Braunschweig.

Valide Daten

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) Braunschweig gilt als Standort für Forschung, Entwicklung und metrologische Dienstleistungen. Für Bereiche wie Produktion und moderne Mobilität besonders relevant, werden hier neben der Validität von Messungen und Daten Prozesse optimiert und entwickelt. Als Standort der Atomuhr wird von hier aus nicht nur die aktuelle Zeit für alle Funkuhren West-Europas vorgegeben, sondern auch Impulse für die Zukunft, in der Datenmetrik immer relevanter wird.

Und das war längst nicht alles. Von der Hochschule für Bildende Künste HBK kennen wir auch in zehn Jahren noch wertvolle Impulse in Kunst und Kultur, das Leibniz-Institut für Bildungsmedien | Georg-Eckert-Institut (GEI) wird weltweit Lehr- und Lernmedien revolutioniert haben.

Dass die Formulierung der Zukunftsregion nicht nur als inhaltloses Aushängeschild fungiert, stellen die Entwicklungen der letzten Jahre sowie aktuelle Projekte unter Beweis. Welche der vorgestellten Zukunftsbilder uns in einigen Jahren im Alltag begegnen, bleibt gespannt abzuwarten.

Lina Tauscher

Die 25-Jährige ist ausgebildete Kauffrau für Marketingkommunikation, fühlt sich aber im redaktionellen Bereich am wohlsten. Momentan studiert sie Journalismus und Public Relations und ist in der MediaWorld als Redakteurin sowie im Content-Management tätig. Sie begeistert sich für gute Geschichten, die von inspirierenden Menschen und Meinungen zum Leben erweckt werden.

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