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HARZGLANZ

15. August 2023

BAP – „Auf einmal hatten wir diesen Durchbruch…“

Am 19. August spielen Niedeckens BAP als Headliner beim zweiten Miner’s Rock Open Air am Rammelsberg in Goslar. Für Frontmann Wolfgang Niedecken, der 2017 den Paul-Lincke-Ring der Stadt verliehen bekam, ist das Gastspiel somit eine Rückkehr.

(Fotografie: BAP / Tina Niedecken)

 Im Stadtglanz-Interview sprach der Musiker mit Chefredakteur André Pause, über das Leben auf Tour, Erneuerungsprozesse innerhalb der Band und Erinnerungen an Konzerte in der Region Braunschweig-Wolfsburg.

Wolfgang, im Sommer erwartet Euch bei Eurem Konzert in Goslar die malerische Kulisse des Weltkulturerbes Rammelsberg. Inwiefern musiziert und singt das Auge in solch einer reizvollen Umgebung mit?

Ich bin wirklich sehr gespannt, ich kenne das Gelände noch nicht. Das letzte Mal war ich in Goslar, als mir der Paul-Lincke-Ring verliehen wurde. Davor haben wir mal beim Kaiserpfalz-Open-Air gespielt. Das ist aber schon sehr lange her. Da war der Sigmar Gabriel noch im Kreistag des Landkreises Goslar und Juso-Vorsitzender oder so. Er hatte an diesem Konzert jedenfalls schwer mitorganisiert und ich habe ihn damals kennengelernt. Seitdem haben wir Kontakt.

 

Seit 2017 bist Du Träger des besagten Paul Lincke-Rings, den die Stadt Goslar alljährlich an Personen vergibt, die sich „in Komposition, Textdichtung und Interpretation von Unterhaltungs- und Tanzmusik sowie heiteren musikalischen Bühnenwerken ausgezeichnet haben“. Im Rahmen der Preisverleihung wurde damals keine Möglichkeit für das obligatorische Konzert gefunden, dann kam bekanntermaßen Corona. Etwas ketzerisch gefragt: Erinnerung Du Dich überhaupt noch an die Verleihung des Rings?


Ja, natürlich, da erinnere ich mich sehr gut dran! Das waren wirklich alles sehr angenehme Leute und auch die Veranstaltung selbst war nett. Sigmar Gabriel hat dann noch die Laudatio gehalten und ich habe für ihn „Sympathy fort he Devil“ gespielt. In einer Fernsehsendung hatte ich mitgekriegt, dass das wohl seine Lieblingsnummer ist. Und da ich das Lied mit wirklich allen Bands gespielt habe, in denen ich jemals war, dachte ich: Wenn er das so gerne mag, spiele ich es doch ein weiteres Mal.

 

Später wurde Sigmar Gabriel dann ja auch Popbeauftragter der SPD, was ihm den Namen Siggi Pop einbrachte.


Ja, das kam dann allerdings deutlich später. Das Konzert war schon kurz nachdem wir in China gespielt haben, dass muss Ende der 1980er-Jahre gewesen sein. Davon gibt es übrigens noch wunderschöne Fotos, ich weiß nicht, ob Du die kennst. Auch mit Sigmar Gabriel zusammen – sensationell (lacht). Ich freue mich auf jeden Fall ihn jetzt wieder zu treffen. Aber sag mal: der Rammelsberg, was ist denn das. Ein Industriedenkmal?

 

Ja, ein stillgelegtes Erzbergwerk und heute UNESCO-Weltkulturerbe. Die Miner’s Rock-Leute veranstalten da seit einigen Jahren regelmäßig auch Konzerte und nenne diese dann folgerichtig auch Schicht. Irgendwann kamen dann die Open Airs dazu. Das Gelände hat einen besonderen Charme.


Da bin ich echt gespannt. Wir haben auch schon mal in einem Salzbergwerk unter Tage gespielt. Das war schon was sehr Spezielles, haben wir aber auch hingekriegt. Wir freuen uns sehr auf die Konzerte. Wir sind ja gewissermaßen ausgehungert und spielen mit BAP in diesem Sommer auch nur sechs Konzerte.

 

Die Open Airs im Sommer sind die Sahnehäubchen auf jeder BAP-Tour, hast Du in einem Interview gesagt, was macht Konzerte unter freiem Himmel für Dich so besonders?


Ich empfinde das so, weil es so außerhalb jeder Routine ist. Es ist schön auf Tour zu sein, aber meist ist man unterwegs, wenn es draußen ungemütlich ist. Man fährt von Stadt zu Stadt und erlebt dann Backstage eigentlich immer dasselbe. Die Hallen gleichen sich schon sehr. Klar, das macht insgesamt auch einen Riesenspaß, aber wenn man im Sommer unterwegs ist, dann ist man mit mehr Lebensfreude dabei. Die Stimmung der Leute ist überhaupt besser, die sind einfach sommerlicher drauf, als wenn Sie dick vermummt oder mit dem Regenmantel in die Halle kommen und erstmal gucken müssen, wie sie wieder trocken werden, um das Konzert genießen zu können. Im Sommer sitzt Du im Anschluss auch öfter noch länger zusammen, trinkst noch ein Schörlchen und triffst Leute, die Du aus der jeweiligen Gegend kennst. Das ist für mich Lebensqualität pur!

 

Mit der Stadt Goslar verbindet Dich die erwähnte Auszeichnung, gibt es Auftritte in der Region Braunschweig-Wolfsburg an die Dir in 47 Jahren Bandgeschichte aus irgendeinem Grund im Gedächtnis geblieben sind?


In Wolfsburg haben wir das letzte Konzert gespielt, bevor wir Anfang 1984 aus der DDR rausgeflogen sind, als wir dort touren wollten.

 

Die besagte Tour platzte damals ja, weil ihr als Band aufgefordert worden seid, einen DDR-kritischen Song aus dem Programm zu nehmen. Apropos Wolfsburg: Ich erinnere mich gut an das Konzert zur Da Capo-Tour im Congresszentrum fünf Jahre später. Das musste verschoben werden und beim Nachholtermin habt ihr dann länger als vier Stunden gespielt. „Marmor Stein und Eisen bricht“ um 0.30 Uhr war der Rausschmeißer.


Da kann ich mich in der Tat auch noch gut dran erinnern. Wir haben zweimal in Münster gespielt und am zweiten Tag ist mir mitten im Auftritt die Stimme weggeblieben. Dann mussten wir den Leuten sagen: Entweder ich krächze so weiter oder ihr kommt nochmal wieder. Der anschließende Termin wäre dann Wolfsburg gewesen, sodass wir diese beiden Auftritte schließlich ans Ende der Hallentour verlegt haben. Willst Du zu Braunschweig auch noch was wissen? (lacht)

Gerne, hier habt ihr ja auch eine ganze Weile nicht gespielt, zuletzt 2014 – unplugged. Das Konzert war super, aber wenig anekdotenreich, nehme ich an?


Anekdotenreich nicht, aber es war überhaupt eine tolle Tour und ich weiß noch, dass wir in der Stadthalle gespielt haben. Das war damals so etwas wie die dritte Häutung der Band. Wir haben in einer neuen Besetzung gespielt und das, was wir gespielt haben, war auf einmal sehr songdienlich. Wir hatten unsere Unplugged-Tour immer wieder verschoben. Das war alles etwas ruhiger, aber eine Wohltat damit unterwegs zu sein. Das Live-Album „Das Märchen vom gezogenen Stecker“, das damals entstanden ist, ist ebenfalls sehr schön geworden.

 

Seit dieser Zeit gibt es bei BAP keine Stammbesetzung mehr, warum?


Das ist die einfachste Erklärung aller Zeiten: Ab und zu trennen sich die Wege. Aus den verschiedensten Gründen. Ab und zu will jemand woanders hin. Es gibt Leute, die haben irgendwann keine Lust mehr oder sie wollen nicht mehr so lange von zuhause weg sein. Man darf einen Fehler nicht machen: die Originalbesetzung – überhaupt ein doofes Wort, wie ich finde – mit der Zeit verwechseln, in der man BAP kennengelernt hat. Die meisten denken, die Originalbesetzung wäre die unseres dritten und vierten Albums (1981 und 1982). Da hatten wir uns aber schon wiederholt umbesetzt. Selbst bei der ersten Platte wars schon nicht mehr die Originalbesetzung. Die Band hat sich also schon damals immer wieder erneuert.

 

Wahrscheinlich lag es am Erfolg dieser Platten, dass die Leute BAP zunächst mal damit verbinden.


Auf einmal hatten wir diesen Durchbruch, den wir selbst ja nicht wirklich verstanden haben. Das ging unfassbar ab. Für eine Band, die Kölsch singt und maximal im Radius von 80 Kilometern um die Stadt Köln verstanden wird, verkauft auf einmal millionenweise Platten. Das war unfassbar, wir haben uns ja selbst von Platz eins verdrängt. „Für usszeschnigge“ war auf Platz eins, bis wir „Von drinne noh drusse“ rausgebracht und uns selbst verdrängt haben. Das hat vor uns und nach uns keiner geschafft. (lacht)

 

Der Tour-Name Eurer Sommerkonzerte lautet „Schließlich unendlich“. Eine Referenz an die „Never Ending Tour“ Deines Vorbilds Bob Dylan?


Der Tour-Titel ist ganz zufällig entstanden. Als wir nach Corona endlich wieder spielen konnten, rief mich unser Veranstalter an und fragte: Wie nennen wir die Tour denn? Da habe ich gesagt: „Schließlich und endlich“, dabei aber wohl genuschelt. Der versteht jedenfalls „Schließlich unendlich“ und sagt sich, das ist ja ein Hammertitel (lacht). Totaler Zufall!

 

Aber vielleicht ein Zeichen, es dem großen Meister gleichzutun. Dylan zieht die Dauertour jetzt seit 1988 durch.


Ich denke schon. Weißt Du, ich habe sowieso keinen Bock, Vierjahrespläne zu machen. Die haben schon im Sozialismus nicht funktioniert, warum also soll es dann bei einer Rockband funktionieren. Ich gucke, was geht, was der nächste logische Schritt sein könnte, was sich organisch entwickelt und dann planen wir das nächste Ding – und nicht noch das übernächste oder überübernächste. Da läufst Du immer Gefahr, zu stolpern. Ich denke: Lass uns die Sache, die wir uns gerade ausgedacht haben, ordentlich machen. In der Regel ergibt sich daraus immer eine Idee, wie es weitergehen könnte. Ich finde, man sollte nicht zu weit nach vorne gucken und auch nicht nach hinten. Wer immer in den Rückspiegel schaut, läuft Gefahr, einen Auffahrunfall zu bauen.


BAP haben insgesamt 18 Studioalben veröffentlicht, Kompilationen, Live-Alben und Deine Soloplatten stehen ebenfalls im Backkatalog. Wie motivierst Du Dich nach all dieser Zeit zu immer neuen Taten?


Ich glaube, ich habe einfach einen ziemlich stark entwickelten Gestaltungsdrang. Ich kenne keine Langeweile, habe ständig Ideen, die ich mir aufschreibe und vielleicht übermorgen schon wieder Käse finde und durchstreiche. Ich bin ständig mit irgendetwas zugange und laufe wie ein trockener Schwamm durch die Gegend, der alles aufsaugt, habe ganz viele Interessen. Manchmal muss ich meine Ideen durchkämmen, damit ich mich nicht verzettele.

 

Informierst Du Dich über aktuelle Musik, beschäftigst Du Dich damit?


Ja, klar. Ich kriege Sachen von befreundeten Musikern und Freunden empfohlen, lese regelmäßig den Rolling Stone und habe zudem eine Radiosendung, durch die ich viel mit Leuten zu tun habe, die mit Musik befasst sind. Und dann habe ich vier Kinder, die mittlerweile alle erwachsen sind. Die stecken mir ab und zu auch mal: Papa, das könnte was für Dich sein. Mit Bands wie Kraftklub kamen meine Töchter an. Bands, die für ihre Generation sprechen können und einen Scheiß auf Radiotauglichkeit geben. Auch AnnenMayKantereit aus Köln ist so eine: da erkenne ich am Ende auch uns wieder. Nach all den Jahren gehen die mit der gleichen Nonchalance an die Dinge ran und machen einfach, ohne sich um irgendwelche Trends zu kümmern. Sensationell!

 

BAP ist, um in Deinem Bild zu bleiben, eine Band, die gleich für mehrere Generationen sprechen kann.


Es gibt Leute, die waren schon mit ihren Eltern auf unseren Konzerten, haben früher vorne auf den Absperrgittern gesessen. Die stehen jetzt in der ersten Reihe und bringen ihre eigenen Kinder mit. Das ist schon ein Riesenprivileg. Wir sind jetzt 42 Jahre überregional unterwegs, das musst Du Dir mal reintun. Die meisten Bands machen das, wenn es hochkommt, zwei Sommer lang.

 

Dieser Artikel erschien zuerst in der Stadtglanz Print-Ausgabe 27 / Sommer 2023.

 

 

 

André Pause

ist seit dem 01.03.2023 Head of Content der mediaworld GmbH sowie Chefredakteur des Magazins Stadtglanz. Nach seinem Studium an der FH Hannover schrieb und fotografierte der Diplom-Journalist freiberuflich für regionale Medien sowie die Deutsche Presseagentur (dpa) und Fachzeitschriften aus dem Bereich Kultur. Zuletzt verantwortete er als Chefredakteur der Industrie- und Handelskammer (IHK) Braunschweig sechs Jahre lang deren Mitgliederpublikation „IHK Wirtschaft“.

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