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HARZGLANZ

10. März 2021

Die Küche als Statussymbol

Andreas Joppe im Interview

(Fotografie: Andreas Rudolph)

Klein, pragmatisch, praktisch: Die frühere Küche. Heute wird gemeinsam in offenen Küchen zubereitet, Einrichtungen gewinnen Design-Preise und technische Finessen versetzen den Nutzer in die Welt der digitalen Möglichkeiten. Die Rolle der Küche hat sich in den vergangenen Jahrzehnten wesentlich verändert, erläutert auch Andreas Joppe, Geschäftsführer von JOPPE Küchen, im Interview mit STADTGLANZ.

Sie haben in den vergangenen Jahren umfangreich in Ihren Standort investiert. Klingt so, als würden Sie der Küchenbranche noch einiges zutrauen?

Wir haben in den vergangenen Jahren verstärkt die Tendenz dahingehend gesehen, dass die Küche immer mehr zum Mittelpunkt des Hauses wird. Auch unterschiedliche Umfragen bestätigen, dass die Küche das Auto mittlerweile als Statussymbol abgelöst hat. Das Thema allgemein ist gefragt – man merkt es etwa an den vielen Kochsendungen im Fernsehen – als auch gibt es ein großes Interesse an Innovationen, die das Leben in der Küche einfacher machen.

Woher kommt dieser Wandel? Hat sich unser Lebensgefühl an das der Südeuropäer angenähert?

Ich denke schon, dass die Kreation gemeinsamer Erlebnisse – mit Freunden und Familie – immer mehr an Bedeutung gewinnt. Und: Einen besseren Ort als die Küche gibt es dafür nicht, schließlich verbinden sich hier die Aspekte Kommunikation, Essen und Genuss. Dafür sprechen auch die in der Zahl zunehmenden offenen Küchen, Wohnung und Küche gehen fließend ineinander über.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung in Ihrer Branche?

Das ist aus meiner Sicht von der Altersgruppe abhängig zu machen. Die Kinder, die heute aufwachsen, werden viele Themen viel selbstverständlicher sein als für uns heute. Mit Blick auf das Wechselspiel On- und Offline ist zu sagen, dass der Kunde heute durch die Möglichkeiten der Recherche deutlich vorinformierter in den Laden kommt – das erleichtert uns die Arbeit, weil man gemeinsam nicht von vorne anfängt. Grundsätzlich und vor allem ab einer gewissen Preisklasse stellen wir dennoch fest, dass der Kunde das Produkt selbst erleben, anfassen, fühlen möchte. Die digitalen Möglichkeiten sind noch nicht so ausgereift, dass sie dies in gleichem Maße transportieren können. Es gab schon Anbieter, die es ausschließlich online versucht haben – so richtig durchgesetzt hat sich das allerdings nicht wirklich.

Was tun Sie zusätzlich, um die Menschen auf die Fläche zu bringen?

Wir bieten rund um das Thema Küche viele Veranstaltungen an. Organisieren etwa Kochabende oder führen mit Experten beziehungsweise Vertretern der jeweiligen Marken neue Technologien vor. Das persönliche Erlebnis ist durch kein Produktvideo zu ersetzen, noch weniger das gemeinschaftliche Kocherlebnis.

Inwieweit wird in Ihrer Branche bereits mit Virtual Reality gearbeitet?

Es gab schon vor zehn Jahren das sogenannte Küchenkino, in dem in eine 3D-Erlebniswelt eingetaucht werden konnte. Ich empfand das als nicht perfekt – eher als Spielerei. Sicherlich wird auch mit VR-Brillen experimentiert, in der Theorie klingt das ja auch ziemlich cool, aber: Wer hat Lust sich in einem Küchenstudio eine eng anliegende Brille aufzusetzen, die am gleichen Tag vielleicht vorher schon 15 Kunden getragen haben? Das digitale Erlebnis am Point of Sale ist uns wichtig, bei manchen Technologien wird meiner Meinung nach allerdings noch etwas Zeit ins Land gehen.

Worauf sollte ich beim Küchenkauf grundsätzlich achten?

Tatsächlich würde ich vor allem darauf achten, dass ich mir eine Küche zulege die zu meiner Körpergröße passt – es gibt nichts nervigeres als eine Küche die zu hoch oder niedrig gebaut ist. Dann gibt es die Frage der Technik: Bin ich Fan des Analogen oder Freund der digitalen Möglichkeiten? Darüber sollte man ernsthaft nachdenken. Manch einer legt sich hoch technologisierte Geräte zu, kann sie allerdings nicht bedienen oder nutzt sie schlicht nie. Dann sollte gut überlegt sein, welches Arbeitsplattenmaterial gewählt wird. Bin ich eher der robustere Typ? Dann sollte die Arbeitsplatte besser etwas hartgesottener sein. Die Fronten sollten ebenso mit Bedacht gewählt werden: Sind Kinder im Haus, die vielleicht häufiger mit ihrem Bobbycar gegen die Fronten fahren könnten? Es gibt Lösungen, die solche Belastungen besser aushalten.

Welche allgemeinen Trends sind aktuell abzulesen?

Authentische Materialien sind definitiv angesagt. Massivholz oder auch besonderes Gestein. Die Oberflächen sind eher wieder matt anstatt glänzend – und die Farbe Weiß ist im Grunde ein Dauerthema. Auch gibt es immer mehr ausgefallene Fronten: Etwa aus Beton oder Keramik.

Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit?

Es gibt Lieferanten und Hersteller, die da besonders großen Wert drauf legen – eine Firma etwa baut komplett recycelbare Küchen. Mit Blick auf das Thema Umweltfreundlichkeit tut sich ebenfalls einiges, Kühlschränke verbrauchen immer weniger Energie oder Geschirrspüler arbeiten mit immer weniger Wasser für einen Spülgang.

Welche technischen Errungenschaften sind aus Ihrer Sicht aktuell noch hervorzuheben?

Da würde ich Themen wie den Dampfgarer oder auch den Kochfeldabzug benennen – im zweiten Fall wird die Technik vor allem vom Hersteller BORA vorangetrieben, dessen Geräte Dunst und Gerüchte direkt beim Kochen nach unten absaugt. Quooker hat den Kochend-Wasser-Hahn auf den Markt gebracht, das wird in jedem Fall immer stärker nachgefragt. Die gleiche Technik gibt es übrigens mittlerweile auch für Sprudelwasser direkt aus dem Hahn. Die Induktion wiederum hat das Gaskochen abgelöst – die neuen Vollflächeninduktionen machen es einem dabei sogar noch komfortabler.

Gibt es auch Start-ups, die Ihre Branche mitgestalten?

Nicht in der Masse – aber durchaus spürbar. BORA beispielsweise ist 2006 selbst mit einer guten Idee als Start-up gestartet. Dann gibt es zwei Gründer aus Hannover, die mit einem sogenannten Neofarm-System einen Kühlschrank auf den Markt bringen wollen, der Salat und Gemüse züchtet. Ein vollautomatisierter Indoor-Garten quasi. Ob es sich durchsetzt wird sich zeigen, der Ansatz ist jedenfalls spannend.

Wie viel experimentieren Sie selbst mit neuen Technologien?

Ich bin ein technisch sehr affiner Mensch, mir macht es immer Spaß mich mit neuen Techniken zu beschäftigen. Ich schaue jedes Jahr, was es auf den Messen an neuen Themen gibt, und überlege, was davon dem Kunden wirklich einen Nutzen bringen kann. Solche Dinge wird man in der Folge dann auch bei uns finden. Ein Aspekt etwa sind Küchenroboter. Die bewegen sich zwar noch nicht von allein durch die Küche, dafür schlagen sie beispielsweise auf Zuruf Rezepte vor und projizieren die zugehörigen Rezepte dann auf Wunsch an die Wand. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass langlebige Möbel nicht zu sehr mit kurzzeitigen Digitaltechniken in Verbindung gebracht werden. Bestimmte Techniken sind nach zwei bis drei Jahren bereits wieder überholt und müssten dann jedes Mal neu in die Küche verbaut werden.

Welche Rolle spielt Ihr Standort für Sie?

In unter anderem zwei Themen investiere ich nachhaltig: In unseren Standort sowie in unsere Mitarbeiter. Der Standort ist gelernt, wir sitzen seit mehr als 20 Jahren hier. Es ist wichtig, gut erreichbar zu sein, zentral zu liegen und auch Parkplätze anbieten zu können.

Mit Blick auf unsere Mitarbeiter haben wir vor einiger Zeit extra eine Schulungskraft eingestellt, die sich um die Ausbildung der Kollegen kümmert. Wir fördern auch Quereinsteiger – diesen können wir so zusätzliche Qualifikationen für den Bereich der Küche anbieten. Auch sind wir bemüht, Asylbewerber zu integrieren, im handwerklichen Bereich beispielsweise haben wir bei dem Thema bereits erste Gehversuche gemacht. Ich finde, an dieser Stelle muss die Politik noch weitere Klarheit mit entsprechenden Regulierungen schaffen – es ist einfach nur schade, wenn man einen neuen Mitarbeiter qualifiziert uns es später heißt, dass er nicht in Deutschland bleiben darf.

Abschließend: Wie würden Sie Ihre Faszination für die Branche beschreiben?

Für mich ist es eine unheimlich spannende Branche, die vielfältig und stets voller neuer Herausforderungen ist, seien es Design- oder auch Technik-Themen. Wir investieren viel in neue Systeme um den stets wandelnden Herausforderungen in der Abwicklung Rechnung zu tragen – neue Technologien bedeuten eben auch neue Organisationen und Strukturen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Stadtglanz Print-Ausgabe 9 / September 2018.

Falk-Martin Drescher

studierte Stadt- und Regionalmanagement und ist gelernter Quartiersmanager, engagiert sich selbst ehrenamtlich als Vorstandsvorsitzender des Braunschweiger Kultviertels. Im Medienbereich selbstständig, neben seiner journalistischen Tätigkeit als Konzepter, Moderator und im Bereich Influencer Relations aktiv. Mit dem The Dude-Newsletters (www.meett hedude.de) informiert er zudem jeden Montagmorgen über ausgewählte Events und Neuigkeiten aus der Region.

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