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HARZGLANZ

8. Mai 2024

„Wiederwahl  ist eine großartige Bestätigung “

Frisch im Amt bestätigt ist Nicole Kumpis als Präsidentin des BTSV Eintracht von 1895 e.V. Wir sprachen mit ihr über ihre Funktionen im Verein, die Verschränkung mit der als Kapitalgesellschaft ausgegliederten Fußball-Profiabteilung und wie sich die öffentliche Stimmungslage jener Mannschaft gegenüber auch aufs Präsidium auswirkt.

(Fotografie: Eintracht Braunschweig)

Wie besonders ist es, nach einer ersten Amtszeit wiedergewählt und im Amt bestätigt zu werden?
Die Wiederwahl ist eine großartige Bestätigung gewesen, sowohl für die Arbeit des gesamten Gremiums als auch meiner Person. Für mich ist es ein sehr wichtiger Punkt in dieser Zeit, nach draußen zu signalisieren: Wir sind in der Verstetigung, wir haben eine Kontinuität in dem, was wir hier tun. Das ist ein gutes Zeichen an unsere Mitglieder und alle Menschen hier in der Stadt und der Region, die blau-gelb denken und fühlen.

Wahrscheinlich eine gute Analogie zum Profigeschäft, in dem die Vereine, die selten den Trainer wechseln, in der öffentlichen Meinung oft beschieden bekommen, vieles richtig zu machen…
Als Präsidentin des Gesamtvereins bin ich natürlich auch mitverantwortlich für unsere ausgegliederte Kapitalgesellschaft, in der ich stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende bin und somit auch da nochmal in einer exponierten Stellung. Wenn ich qua Amt schon einen Sitz im Aufsichtsrat habe und in meiner Funktion wieder bestätigt werde, dann wechselt dieser Posten eben auch nicht. Auch das hat Auswirkungen auf die Kontinuität.

Wird Ihre Arbeit stark am sportlichen Abschneiden der Eintracht-Profis gemessen und womöglich sogar davon überschattet?
Es ist natürlich schon so, dass unsere Profimannschaft im Fußball unser Leuchtturm ist, das, was die Menschen am stärksten wahrnehmen. Das nimmt viel Raum ein und soll es auch, unsere Fußballprofis sind ein Aushängeschild für die gesamte Region und natürlich auch für uns. Nichtsdestotrotz habe ich auch sehr, sehr viele Aufgaben im Breitensportverein mit immerhin 14 Abteilungen, 13 davon aktiv sporttreibend. Auch da haben wir Leistungssport auf teils höchstem Niveau. Und auch da bin ich ganz viel unterwegs. Die Mitglieder sind insgesamt anscheinend sehr zufrieden mit ihrem Präsidium in den letzten Jahren, die wir im Amt sind, und sind es auch immer noch, wie die Wiederwahl zeigt. Wenn wir über Jahre bestätigt werden und unsere Arbeit fortsetzen können, dann werden wir immer mehr Verlässlichkeit in unseren Strukturen etablieren können. Es ist ganz, ganz wichtig, dass der Gesamtverein und auch die Kapitalgesellschaft es aushalten können, wenn unsere Fußballprofis sportlich eine herausfordernde Zeit haben.

Wie wirken sie über die Vereinsführung in den Profibereich hinein?
Der Aufsichtsrat hat seine regelmäßigen Treffen und die Aufgabe, der Geschäftsführung beratend zur Seite zu stehen und natürlich auch das große Ganze mit der Geschäftsführung zusammen im Blick zu behalten. Das heißt, immer auch auf die Wirtschaftlichkeit zu gucken und strategische Ziele zu formulieren, in welchen Richtungen wir uns weiterentwickeln wollen. Und dann haben wir durch den eingeleiteten sowie umfassenden Strategieprozess viele Formate, die ich tatsächlich in der Tochtergesellschaft auch selbst mit begleite. Das heißt, ich sitze auch in Dialogforen mit Vertretern der Geschäftsführung und des Aufsichtsrats sowie mit unseren verschiedensten Anspruchsgruppen. Und da bin ich dann auch ganz aktiv beteiligt auf der operativen Ebene. Für viele weitere Themen haben wir Mitarbeiter, die sich derer annehmen. Anders ginge es gar nicht. Die Kapitalgesellschaft hat natürlich noch viel mehr Menschen, die sie beschäftigt, als der e.V. das tut. Aber auch im e.V. haben wir ein professionelles, hauptamtliches Vereinsmanagement, das sich um all solche Belange kümmern. Das wäre auch gar nicht zu schaffen, weil wir im Präsidium und im Aufsichtsrat tatsächlich ehrenamtlich tätig sind. Das darf man nicht vergessen. Das ist also unsere Freizeit, wenn man das so sagen möchte.

Finden Sie es angemessen, dass Ihr verantwortungsvoller Posten letztlich ein Ehrenamt ist?
Mein Amt geht schon mit sehr viel Verantwortung einher. Ich bin im Vereinsregister mit eingetragen und auch mitverantwortlich für die Dinge, die hier in der Kapitalgesellschaft passieren. Das ist also natürlich viel Verantwortung, sowohl den Sporttreibenden, als auch den vielen Mitarbeitenden gegenüber, deren Arbeitsexistenz ja auch unmittelbar damit zusammenhängt. Dass das ein Ehrenamt ist, ist tatsächlich in vielen Vereinen so, nicht nur bei uns. Man kann sich natürlich grundlegende Gedanken dazu machen, z.B. ob eine Art Aufwandsentschädigung in Zukunft möglich ist. Und ob das angemessen ist, weiß ich nicht. Ich glaube, man braucht sowieso für ein Ehrenamt immer ein gewisses Eigenengagement, um das machen zu können. Und insofern ist es für mich in der jetzigen Situation vollkommen angemessen.

Aber Ihre Tätigkeit ist eben noch viel mehr als nur Profifußball…
Richtig. Gerade geht es viel um infrastrukturelle Projekte. Wir sind weiterhin dabei, unser Tennisheim zu erneuern und neu zu bauen. Das ist ein ganz großes Herzensprojekt für unseren e.V. Wir könnten dort nicht nur die Tennisabteilung verorten, sondern aufgrund der angedachten Baulichkeiten auch noch andere Abteilungen, die vom Neubau profitieren können. Wir haben so viele Sporttreibende, die bei uns anfragen, dafür brauchen wir natürlich eine gute Infrastruktur. Wir sind abhängig von den Sportstätten der Stadt und ringen immer auch mit anderen Vereinen um Hallen- und Platzzeiten. Deswegen ist es für uns ganz wichtig, solche Projekte voranzutreiben. Dazu zählt auch die Erneuerung unseres Hockeyplatzes am EINTRACHT-STADION. Der wird praktisch dauerbespielt von unserer großen Hockey-Abteilung mit sehr vielen Mannschaften. Irgendwann ist die Nutzungsdauer dieses Platzes auch mal überschritten. Der muss dringend erneuert werden und das treiben wir jetzt fokussiert voran. Das sind Projekte, die man in der Öffentlichkeit nur bedingt mitbekommt, wenn man sich nicht täglich und intensiv mit unserem BTSV beschäftigt.

Die Gefahr in Kauf nehmend, dass Sie das Thema nicht mehr hören können: Sie sind in Deutschland derzeitig die einzige Frau, die den Vorsitz eines großen Sportvereins innehält. Wie sehr nervt sie vielleicht auch, dass darüber immer noch so viel gesprochen wird?
Ich könnte jetzt sagen, seit ich angefangen habe, habe ich noch nicht ein einziges Interview geführt, wo das nicht gefragt wurde. Ich freue mich auf den Tag, wenn es das das erste Mal gibt (lacht). Aus meiner Sicht sollte es einfach selbstverständlich sein. Das ist es aber wohl lange noch nicht und insofern beschäftigt mich diese Frage natürlich jedes Mal und immer wieder. Hier bei uns ist das inzwischen aber auch nicht mehr so ein Thema. Bundesweit hingegen schon, da werde ich auch öfter auf Diskussionsrunden eingeladen, weil ich eine Frau bin.
 
Schon klar, dass Sie lieber über Ihre eigenen Ziele und Projekte in der Arbeit sprechen als über den Fakt, dass sie eine Frau sind. Das aber ganz auszuklammern, hindert hingegen die Sichtbarmachung, dass Sportorganisation keine Männerdomäne sein muss. Ein kleines Dilemma…
Ja, total. Das kann ich auch verstehen, dass das ein Dilemma ist. Ich habe auch immer ein lachendes und ein weinendes Auge dabei, weil ich es eigentlich traurig finde, dass wir noch darüber reden müssen. Auf der anderen Seite eröffnet mir das natürlich auch Türen, die sich männlichen Kollegen nicht eröffnen. Ich habe tatsächlich einen wahnsinnigen Zuspruch bekommen und auch eine wahnsinnige Nachfrage. Dieses Netzwerk in Fußballdeutschland, was dadurch entstanden ist, hätte ich vermutlich nicht ansatzweise bekommen, wäre ich ein Mann. Darin stecken schon Möglichkeiten und Chancen. Das ist ein sehr, sehr großer Pluspunkt, der mich erfreut. Aber andersrum, wie gesagt, sind wir auch im Jahr 2024 immer noch dabei, darüber zu reden, dass das etwas Besonderes ist. Das macht es dann so ein bisschen schade.

Wie sehr sind Sie immer noch hier, auch in der Kurve? Schauen Sie wirklich noch die Heimspiele oder ist dann irgendwann auch mal genug Eintracht?
Nein, nein, genug Eintracht geht nicht. Bei Heimspielen bin ich immer im Stadion, auch bei Auswärtsspielen bin ich in aller Regel live vor Ort.  Es sei denn, mein Hauptamt lässt das nicht zu. Zudem schaue ich ganz regelmäßig bei Spielen unserer Hockey-Damen, unseren Basketballerinnen und unserer Frauen-Fußballmannschaft zu.

Ein Leben für den Sport.
Das ist richtig.

Wie sehr sind sie in die Klärung von Begleiterscheinungen bei der Eintracht eingebunden, wie etwa beim Heimspiel gegen die Hertha, wo es einen Disput zwischen Fans, Ordnern und der Polizei gab?  
Wir haben Austauschformate mit den Fans initiiert und reden sehr, sehr viel gemeinsam. Solche Vorfälle sollen und müssen auch besprochen werden. Wir nehmen das sehr ernst und machen das sehr intensiv. Da bin ich immer dabei. Ich bin jetzt auch dabei gewesen, als unsere Innenministerin uns angesprochen hat zum Thema Gewalt und Polizei im Stadion. Wenn es aber darum geht, sich Maßnahmen zu überlegen und diese umzusetzen, um für die nächsten Male solche Risiken zu minimieren, sind operativ tätige Mitarbeiter bei der Eintracht hauptverantwortlich.

Was spiegelt Ihnen die aktive Fanszene in solchen Gesprächen? Einige Fanaktionen wirken sich ja auch wirtschaftlich negativ aus, in dem etwa Strafen gezahlt werden müssen. Wenn Fangruppen zum Beispiel beim Derby in Hannover den Gästeblock auseinandernehmen…
Wir gehen sehr vertrauensvoll und sehr offen miteinander um. Tatsächlich spiegeln wir Ihnen das auch wider. Wir haben bilaterale Dialoge, wir haben aber auch den Verstetigten Dialog, wo viele unterschiedliche Fananspruchsgruppen- und organisationen sitzen, die mit uns diskutieren. Auch wir machen deutlich, dass wir uns in dieser Diskrepanz befinden und dass unsere Fans, egal welcher Fan, der im Block bei uns unterwegs ist, für uns wichtig ist. Nichtsdestotrotz haben wir als Eintracht Brauschweig und unsere Sponsoren und Partner, ein Interesse daran, dass das uns zur Verfügung stehende Geld für andere Zwecke genutzt wird, und nicht für mögliche Strafzahlungen. Wir teilen in den Dialogformaten nicht immer die gleiche Meinung, wichtig ist es jedoch, dass wir miteinander sprechen und auch intensiv darüber diskutieren können. Ich werte diese Offenheit als eine sehr große Vertrauensbasis, und das ist bereits ein sehr guter Erfolg. Kommunikation ist immer der Schlüssel für das gegenseitige Verstehen und die Grundlage dafür, aus diesem Verständnis heraus, nach und nach gemeinsam konkrete Maßnahmen zur Veränderung zu entwickeln.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Stadtglanz Print-Ausgabe 30 / Frühling 2024.

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