Skip to main content

HARZGLANZ

17. Mai 2022

POLYPHON

Social Media hat die Musikszene geprägt

Anfang September fand im Westand und in der benachbarten KufA-Halle in Braunschweig die Premiere des POLYPHON-Festivals statt. (Fotografie: Stil vor Talent)

Nicht einfach nur ein spannendes Indoor-Format, sondern vor allem ein neues Konzept mit elektronischer Musik, die ausschließlich Iive gespielt wird.

„Back to the roots“, könnte man sagen. Ein bisschen das Geheimnis der Musik lüften: Maschinen-Meeting. Techno, House und Electro entstehen ja genau wie herkömmliche Musik beim Spielen, beim Jammen, beim Rumprobieren. Diese Lebendigkeit wollen wir mit dem POLYPHON sichtbar machen, jenseits von stromlinienförmigen DJ-Sets“, schilderte Initiator Ulrich Schwanke.

Einer der Headliner des Festivals war das Duo Hidden Empire um Niklas und Branko – leider schafften sie es auf ihrem Weg von München nach Braunschweig aus verkehrsbedingten Gründen nicht mehr aufzutreten. Ein Nachfolgetermin ist aber bereits in Abstimmung! Das Duo steht bei Stil vor Talent – dem Label des gebürtigen Braunschweigers Oliver Koletzki – unter Vertrag.

Im Gegensatz zu „klassischen“ DJs kreiert Ihr Eure Musik live. Wie würdet Ihr die Bedeutung und besondere Rolle dieser Art und Weise beschreiben?

Für uns persönlich hat live zu spielen einen ganz besonderen Stellenwert. Heutzutage ist es nicht mehr allzu schwer – vor allem mit technischen Hilfsmitteln –, ein akzeptables DJ-Set zu spielen. Bei einem Live-Set bedarf es da schon einiges mehr. Ein gutes Repertoire an eigenen Tracks, lange und intensive Vorbereitung und jede Menge Proben. Diese Hürde ist wesentlich größer und dadurch können sich Live-Acts eher von der Masse an DJs absetzen. Was aber in keinster Weise das DJ-Handwerk herabsetzten soll. Wirklich grandiose und aufregende DJ-Sets zu spielen, ist eine Kunst für sich, die wir absolut schätzen und bewundern.

Warum habt Ihr Euch entschieden, Live-Sets zu spielen? Wie kam es dazu?

Das hatte mehrere Gründe. Es macht jede Menge Spaß, live zu spielen und es ist etwas sehr viel Persönlicheres, ausschließlich eigene Tracks zu spielen und neu zu interpretieren. Hier kann auch einiges schief gehen, was aber am Ende auch einen gewissen Reiz für uns und die Zuhörer ausmacht. Das Feedback der Leute auf unsere „Performance“ ist für uns immer eine große Motivation, weiter zu machen. Wir persönlich glauben, dass die Art, wie man spielt, auch die maßgebliche Bedeutung für den gesamten Auftritt hat. Einer unserer großen Vorbilder KiNK macht es immer wieder eindrucksvoll vor, seine durch und durch positive Ausstrahlung und „interaktive“ Show macht schon beim Zuschauen einfach nur Spaß.

Wie würdet Ihr die Entwicklung der Szene der elektronischen Musik in Deutschland beschreiben?

Das ist eine sehr komplexe Frage, die wir auf mehrere Ebenen beantworten möchten. Aus unserer Sicht ist die Entwicklung generell als positiv zu bewerten. Die Anzahl der – guten –Festivals beziehungsweise Veranstaltungen steigt stetig, immer mehr junge tolle Talente finden ihren Weg in die Szene und der generelle Qualitätsanspruch auf allen Seiten ist auf ein amtliches Level angestiegen. Die stetig ansteigende Profes­sionalisierung auf der Veranstalter- sowie auf Künstlerseite bringt für die gesamte Szene eine Menge Vorteile.

Hierzu kommen natürlich auch die tollen neue Errungenschaften unserer Zeit wie Social Media oder Live-Streaming die das Erlebnis „elektronische Musik“ nochmal nachhaltig geprägt haben. Wo wir aber leider auch bei dem großen „Aber“ wären. Teilweise haben wir persönlich das Gefühl, dass etwas von dem „Spirit“ der vergangenen Tage verloren gegangen ist. Durch die extreme Professionalisierung und dem damit einher­gehenden Business-Gedanken ist der Idealismus und die Liebe zur Sache etwas in den Hintergrund gerückt. Wir würden uns wünschen, dass trotz der steigenden Standards alte Wert nicht verloren gehen und der musikalische Anspruch wieder mehr in den Vordergrund rückt.

Habt Ihr bestimmte Favoriten-Lieblinge in Deutschland oder generell in Europa? Welche Festivals sollte man aus Eurer Sicht unbedingt besucht haben – und warum?

Das Fusion Festival in Lärz, Deutschland. Diverse Musikrichtungen, mit Liebe gemacht und einfach ein rundum Erlebnis, definitiv ein Must-see. Das Habitat Festival bei Hamburg im gleichen Stile ist ebenfalls einen Besuch wert.

Nicht ganz in Europa – aber das Magic Break Festival in der Türkei hat uns extrem gut gefallen. Ein Festival in einem Verbund von drei Hotels an der Küste von Antalya. Ebenfalls mit Liebe gemacht und einem unvergleichbaren Charme.

Gibt es ein bestimmtes Land, das aktuell „Vorreiter“ oder Maßgeber in Sachen elektronische Musikszene ist?

Deutschland und die Niederlande sind unserer Meinung nach ganz weit vorne. Vor allem in den Kulturhochburgen wie Berlin oder Amsterdam gibt eine extrem hohe Dichte an Clubs, Künstlern und Veranstaltern, die die Szene maßgeblich mit ihrem Schaffen prägen und halt eben auch eine wichtige Vorreiterrolle einnehmen, Trends schaffen und Maßstäbe neu definieren.

Allerdings sollte man auch erwähnen, dass zur Zeit überall auf der Welt ein enormer Output von jungen Kreativen und aufstrebenden Akteuren herrscht. Egal, ob Ukraine, Türkei oder die Balkanregion – um nur einige zu nennen. Fast überall, wo wir spielen, lernen wir extrem talentierte und engagierte Leute kennen, die uns mit ihrer Arbeit überraschen und begeistern. Durch die fortschreitende Digitalisierung und globale Vernetzung lösen sich die Grenzen ohnehin immer mehr auf.

Neuer Technologien und Systeme sei Dank können wir zu Hause immer bessere und klangvollere musikalische Erlebnisse genießen. Warum ist das gemeinsame Live-Erlebnis aus Eurer Sicht dennoch so wichtig?

Gerade durch die neuen Technologien und Systeme ist das aktuelle Set von deinem Lieblingskünstler ein paar Klicks entfernt. Man kann es beliebig oft anhören – oder bestenfalls anschauen – kommentieren, teilen – was ein Segen ist und so vielen Leuten wie nie zuvor die Möglichkeit gibt, eine extreme Bandbreite an Musik zu entdecken.

Allerdings denken wir, dass das Live-Erlebnis mit nichts zu ersetzen ist. Es ist sehr rituell, und das macht es so einzigartig und besonders. Mit seinen besten Freunden auf ein Abenteuer zur Veranstaltung zu pilgern und einfach den Moment und die besondere Stimmung zu genießen, das lässt sich mit keinem Stream oder Podcast ersetzen.

Die Möglichkeiten durch Online-Communities, Sharing-Netzwerke, soziale Medien & Co.: Für Produzenten wie Euch Fluch oder Segen?

Segen! Unser Werdegang wurde eben durch diese Möglichkeiten maßgeblich beeinflusst und gefördert. Die unendlichen Verbreitungsmöglichkeiten in alle Ecken der Welt sind sehr erstaunlich und für uns unbezahlbar. Wir sind sehr froh darüber, unsere Musik durch neue Kommunikations- und Verbreitungsmöglichkeiten in die Welt hinaus tragen zu können. Vor allem wenn man Nachrichten von Leuten bekommt, die an Orten leben, von denen man noch nie vorher etwas gehört hat.

 

Dieser Artikel erschien zuerst in der Stadtglanz Print-Ausgabe 13 / Oktober 2019.

Falk-Martin Drescher

studierte Stadt- und Regionalmanagement und ist gelernter Quartiersmanager, engagiert sich selbst ehrenamtlich als Vorstandsvorsitzender des Braunschweiger Kultviertels. Im Medienbereich selbstständig, neben seiner journalistischen Tätigkeit als Konzepter, Moderator und im Bereich Influencer Relations aktiv. Mit dem The Dude-Newsletters (www.meett hedude.de) informiert er zudem jeden Montagmorgen über ausgewählte Events und Neuigkeiten aus der Region.

Mehr aus dieser Rubrik





Zur Startseite