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HARZGLANZ

8. April 2021

Frei vom Ergebnis

Was Generation Z uns lehrt

(Fotografie/Grafik: Lutz Kadereit)

Die Art und Weise, wie wir in der Gesellschaft miteinander umgehen, gerät immer häufiger an Grenzen. Die Ergebnisse daraus werden besonders sichtbar, wenn junge Menschen in das Arbeitsleben eintreten.

Kennen Sie das Leuchten in den Augen kleiner Kinder, die tun dürfen, was ihnen so richtig Spaß macht?

Und ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass dieses Leuchten bei den meisten mit den Jahren immer weniger wird?

Wir alle nehmen mit zunehmendem Alter immer mehr Erwartungen der Menschen in unserem Umfeld wahr. Eltern und Lehrer, später Chefs, Kollegen und andere um uns herum sagen uns ständig, was sie als wichtig und notwendig ansehen, was für sie falsch ist und was wir anders machen sollten. Das tun sie meist in positiver Absicht, doch was daraus entsteht, ist bei uns fast automatisch das Bestreben, diese Erwartungen zu erfüllen, anstatt die Welt selbst zu entdecken.

Denn sowohl evolutionär als auch durch die Erlebnisse bei der Geburt geprägt hat jeder von uns abgespeichert, dass Zugehörigkeit für uns überlebensnotwenig ist. Ohne Zugehörigkeit hätte vor 5.000 Jahren kein Mensch den Kampf gegen natürliche Feinde überlebt und auch die Geburt überleben wir nicht ohne Hilfe von außen. Deshalb ist unser Streben nach Zugehörigkeit so enorm groß, dass wir dafür meist sogar unser Bedürfnis nach Autonomie aufgeben.

Bereits als Kind machen wir dann die Erfahrung, dass wir die so dringend gewünschte Zugehörigkeit dann am leichtesten bekommen, wenn wir tun, was die, deren Zugehörigkeit wir uns wünschen, uns sagen. So lassen wir uns unbewusst konditionieren und legen unsere angeborene Neugierde und Entdeckerfreude immer mehr beiseite, denn die brauchen wir dabei nicht.

Wenn wir dann alt genug sind, dass sich die Frage stellt, wer wir sein wollen und was wir denn in unserem Leben tun wollen, dann haben wir darauf keine Antwort, weil wir uns und das Leben nicht auf unsere eigene Weise entdeckt haben, sondern nur vom Ergebnis unserer Konditionierung umgeben sind. Diese Konditionierung besteht allerdings nicht nur aus dem, was die Erwachsenen uns gesagt und abverlangt haben, sondern auch aus dem, was sie uns vorgelebt haben.

Da das Umfeld eines jungen Erwachsenen in einer globalen, digitalen Welt nur zu einem Teil aus Eltern und Lehrern besteht, können sie sich irgendwann weit genug von der Quelle ihrer Konditionierung distanzieren, um dem, was sie wahrnehmen, ihre eigene Interpretation zu geben. Und dann wird ihnen rasch klar, was sie nicht wollen: Mit 40 einen Herzinfarkt bekommen, nie zuhause sein, weil sie 60 oder 70 Stunden in der Woche arbeiten, ständig schlechte Laune haben, weil die Arbeit keinen Spaß macht, gesundheitliche Dauerprobleme durch permanenten Stress, Wünsche und Träume nicht realisieren oder sie auf das Rentenalter verschieben und so weiter.

Die Erwachsenen haben ihnen unbewusst vorgelebt, dass dies keine attraktiven Wege sind.

Da sie durch die Konditionierung ihre Neugierde und Entdeckerfreude eingebüßt haben, ist es ihnen jedoch kaum möglich, selbst herauszufinden, wofür sie sich begeistern können und welchen Weg sie gehen möchten. Das verurteilen dann die Erwachsenen am heftigsten, die durch ihr Verhalten genau dieses Ergebnis kollektiv produziert haben. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich bin einer von diesen Erwachsenen!

Doch ich denke, dass es nicht genügen darf, sich über die scheinbaren Eigenarten der Generation Z zu echauffieren, denn das ist nicht das Ergebnis dieser jungen Menschen, sondern das Ergebnis dessen, wohin wir sie geführt haben. Deshalb sollten wir daraus lernen, indem wir als Eltern, Lehrer und Gesellschaft den Mut entwickeln, darauf zu vertrauen, dass Kinder und junge Erwachsene dann ihre Potenziale am besten entfalten, wenn wir sie einfach ihre angeborene Neugierde und ihre Lust am Entdecken und Gestalten nutzen lassen. Wenn wir sie dabei liebevoll und bedingungslos begleiten, um dann einzugreifen, wenn ihre Unerfahrenheit für sie wirklich bedrohlich wird, ist das das Beste, was wir für sie tun können. Dann dürfen wir uns in 20 Jahren gemeinsam mit der dann erwachsen werdenden Generation Alpha an den Ergebnissen dieser großartigen Veränderung erfreuen.

Bis dahin dürfen wir Erwachsene jeden Alters dabei begleiten, ihre verschüttete Lust am Entdecken und Gestalten wiederzuentdecken und für sich zu nutzen. Damit sie herausfinden, wofür sie sich wirklich begeistern können und wie sie auf ihre eigene Art und Weise ein Leben voller Freude, Leichtigkeit und guter Ergebnisse führen können.

Nachhaltige und praxisbezogene Persönlichkeitsentwicklung baut dabei auch die Brücke, wie sich die neu entdeckte Begeisterung mit der Arbeit verbinden lässt. Dadurch entsteht in den Unternehmen mehr Mitarbeiter-Engagement und ein angenehmeres Betriebsklima bei gleichzeitig besseren Betriebergebnissen, denn die Mitarbeiter und Führungskräfte haben dann weniger Stress und dafür mehr Spaß bei dem, was sie von Montag bis Freitag miteinander tun.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Stadtglanz Print-Ausgabe 18 / März 2021.

Lutz Kadereit

(Jahrgang 1967) war über 30 Jahre als Mitarbeiter, Führungskraft, Selbständiger und Unternehmer in der Automobilindustrie tätig. 2004 gründete er Lutz Kadereit Consulting und ist seit dem als Trainer und Coach tätig. Er begleitet Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung. In Firmen liegt der Schwerpunkt seiner Trainings darauf, die Begeisterung der Mitarbeiter mit der Arbeit und dem Sinn des Unternehmens zu verknüpfen, sodass die Arbeit leichter fällt, mehr Spaß macht und zu
besseren Ergebnissen führt. www.lutzkadereit.com

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