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HARZGLANZ

28. Januar 2024

Mit  Bosse im  Orbit

Übers Träumen – Das neunte Album des Popmusikers nimmt uns mit in Parallelwelten

( Fotografie: BOSSE © Sarah Storch / Adobe Stock: Tryfonov )

Es ist alles gut, so wie es gerade ist.

Sind Tagträumer diejenigen, die in der Schule, im Meeting oder auf der Autofahrt gedankenverloren überall, nur nicht bei der Sache zu sein scheinen? Oder die, die an den besonderen Träumen ihrer Kindheit, für die sie belächelt wurden, auch später noch festhalten? Wenn ja, ist Aki Bosse ein Paradebeispiel für einen Tagträumer – und einen erfolgreichen noch dazu. Nachdem der gebürtige Braunschweiger jahrelang laut eigener Aussage „relativ erfolglos“ Alben veröffentlichte und tourte, gelang ihm 2013 mit seinem Album „Kraniche“ der Durchbruch. Am 27. Oktober erschien sein neuntes Album „Übers Träumen“. Im Interview verrät er unter anderem, was sich für ihn in über 20 Jahren im Business verändert hat und warum Tagträumen nicht nur eine Möglichkeit ist, sich fallen zu lassen, sondern auch ein Part seines Berufs..

Was unterscheidet das neue Album vom vorherigen ‚Sunnyside‘, worauf können sich Deine Fans besonders freuen?
Es ist mein erstes Album mit einem kompletten roten Faden. Ich habe mich schnell dazu entschieden, eine Platte übers Träumen zu machen und deswegen habe ich sie auch so genannt. Es geht um gesellschaftliche Träume, ums Zurückträumen, um den Rausch, um den German Dream, den Traum vom Loslassen und Wegkommen, wenn man feststeckt. Das ist das erste Mal gewesen, dass ich dieses Konzept hatte und mich daran entlanggehangelt habe.

Dieses Konzept kam einfach in Deinen Kopf oder hast Du Dich während der Entstehung in einer bestimmten Lebensphase befunden, in der das Thema für Dich persönlich relevant war?
Als ‚Sunnyside‘ noch nicht mal draußen war, habe ich am Klavier gesessen und wollte eine neue Platte machen. In dieser Zeit ist Russland in die Ukraine einmarschiert, Corona hing uns allen noch in den Knochen und es war einfach eine schwierige Zeit. Dann habe ich den ersten Song geschrieben, in dem sich zwei Menschen treffen und sich Power geben, weil sie sich gern haben. Die habe ich ins Orbit fliegen lassen, weil ich diese Parallelwelt gut fand und das Konzept neu war. Träume sind auf dem Album eher Tagträume, in denen man Kraft sammelt für den – manchmal ja doch ziemlich beschissenen – Alltag.

Jemanden als ‚Tagträumer‘ zu bezeichnen, ist ja häufig nicht unbedingt positiv konnotiert.
Ja, total, meiner Meinung nach ist es das aber schon. Beim Tagträumen kann man sich in eine Geschichte fallen lassen, die in einer Parallelwelt im Kopf abgeht – egal, ob das ein Buch, Musik oder andere Kunst ist. Anders als in der schnelllebigen Welt mit ihren Sechs-Sekunden-TikToks, hat man im Tagtraum immer noch Zeit.

Es geht viel ums Träumen, aber auch um Loslassen. Warum ist Loslassen so wichtig?
In meinen Songs bedeutet Loslassen einerseits Abschied zu nehmen, aber viel mehr sich den Dingen zu stellen, die man mit sich rumschleppt und die einen negativ beeinflussen. Es geht darum, sich als Erwachsener hinzustellen und zu sagen: Hier bin ich und ich nehme es jetzt mit meiner Kindheit noch mal auf, beschäftige mich nicht nur damit, sondern akzeptiere es auch wirklich, um dann befreit weiterzuleben und eine neue Tür aufzumachen.

Du erwähnst im Song ein „Kindheitstrauma“. Erinnerst Du Dich dabei an ein bestimmtes Ereignis in Deinem Leben?
Dabei geht es nicht um mich selbst, aber ich kenne viele Menschen, die bestimmte Angewohnheiten und Verhaltensweisen aus der Kindheit ins Erwachsenenalter übernommen haben und aufarbeiten möchten.

Also lässt Du Dich von Deinem Umfeld und der Gesellschaft für Deine Songs und Themen inspirieren?
Ja, das ist das Schönste am Texten: Alles ist möglich. Ich kann über alles schreiben, die Geschichten weiterspinnen und heftig enden lassen. Eigentlich ist mein Beruf ganz oft wie Tagträumen, weil ich Geschichten erzählen kann und trotzdem steckt auch viel von mir drin. Die meisten Menschen sehen beim Musik hören wiederum sich selbst und ihre eigene Geschichte.

Wie gehst Du mit der Stille nach einem Konzert, Festival oder einer Tour um, wenn der Applaus ausbleibt?
Das sind natürlich tolle Momente, die ich auf der Bühne erleben darf. Ich weiß aber auch – weil ich schon so lange im Musikbusiness bin –, dass das nicht aufhört, wenn ich nach Hause fahre, sondern nur pausiert. Ich genieße die Ruhe nach coolen Shows eher, weil ich dann alles ganz entspannt sacken lassen und rückblickend noch mehr genießen kann.

Wie gehst Du mit dem Druck in der Musikindustrie um?
Ich glaube, viele Menschen versuchen, auf Druck bestimmte Dinge zu erreichen. Was ich kann, ist: Eine Platte so gut machen, wie es eben geht und dann gebe ich die so raus. Was damit passiert, liegt nicht mehr in meiner Macht. Ob die Leute das richtig scheiße finden, davon berührt sind oder Social-Media-Creations machen, darauf habe ich keinen Einfluss.

Was würdest Du Newcomern raten, die gerade im Musikbusiness durchstarten?
Gerade bei den ganzen Möglichkeiten heute, sich zu vergleichen und sich deshalb schlecht zu fühlen, ist ein Grundvertrauen in die Sachen, die man künstlerisch macht, wichtig. Und trotzdem ist es dann immer noch schwer, sich nicht andauernd zu vergleichen. Das hatte ich auch lange Zeit, aber konnte es ablegen. Nicht durch Erfolg, sondern, weil mich das so geärgert hat, dass mich das immer so stresst.

Unsere Ausgabe dreht sich um „Schöner leben“. Was tust Du, um Dein Leben schön zu machen?
Was mein Leben schöner macht, ist: Interesse, Kultur, Sport, Ruhe, gut schlafen und essen, Natur, ein bisschen Reisen und ein guter Freundeskreis. Wenn ich diese Hilflosigkeit bei all den Ungerechtigkeiten spüre und der Weltschmerz mich einholt, gibt es für mich nur eine Sache: Machen. Also spende ich Klamotten oder fahre los und bringe Lebensmittel zu einer Essensausgabe und komme dort mit Leuten in Kontakt. Aktiv werden und mich auszutauschen, hilft mir und gibt mir Energie, auch wenn es nicht die Welt verändert.

Was sind Deine Träume für die Zukunft?
Darüber habe ich viel nachgedacht. Ich habe weder Bock auf Mehr noch auf Weniger. Es ist alles gut, so wie es gerade ist. Auch wenn ich erst dachte, für diese Antwort müsste man sich eigentlich schämen, ist es einfach so. Nicht auf die gesamte Gesellschaft bezogen, aber was mein eigenes Leben angeht.

Bosse ist ab November wieder deutschlandweit auf Tour und wird am 17. August 2024 in seiner Heimatstadt Braunschweig auf der Volksbank BraWo Bühne im Raffteichbad stehen: „Alle aus Braunschweig und Umgebung sollen kommen“, wünscht er sich zum Abschluss.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Stadtglanz Print-Ausgabe 29 / Winter 2023.

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