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HARZGLANZ

17. August 2023

Aus Wolfenbüttel in die Welt

Ein lokaler Familienbetrieb schreibt internationale Erfolgsgeschichte

(Fotografie: Jägermeister - Archiv)

Jägermeister ist heute der verkaufsstärkte Kräuterlikör der Welt und international bekannt, schließlich werden die markanten Flaschen in mehr als 150 Länder der Welt exportiert.Dabei blicken Marke und Unternehmen Jägermeister auf eine faszinierende und facettenreiche Geschichte zurück, wie uns Florian Eisenblätter, Historiker und Archivar der Mast-Jägermeister SE, im persönlichen Gespräch verrät.

Seit Oktober 2015 baut Florian Eisenblätter das Unternehmensarchiv der Mast-Jägermeister SE in Wolfenbüttel auf. Der studierte Wirtschaftshistoriker hat uns auf eine Zeitreise in das Archiv durch 145 Jahre Unternehmens- und fast 90 Jahre Markengeschichte von Jägermeister eingeladen.


Gründung durch Kauf des Stammhauses in Wolfenbüttel

Das Wolfenbütteler Unternehmen ist noch einige Jahre älter als seine Marke Jägermeister. Die Ursprünge der heutigen Mast-Jägermeister SE gehen zurück auf den Kauf des Stammhauses im Großen Zimmerhof 26 durch Wilhelm Mast (1846-1918), das bis heute an gleicher Stelle in der Wolfenbütteler Innenstadt zu entdecken ist. Wilhelm Mast kam 1865 aus Wieda im Südharz nach Wolfenbüttel. Nach ersten Erfahrungen als Angestellter und Teilhaber gründete er mit dem Kauf des Stammhauses am 23. Juli 1878 sein Unternehmen und widmete sich zunächst der Essigfabrikation. „Damit orientierte er sich an den lokalen Bedarfen“, verrät Florian Eisenblätter, „schließlich konnte man den Essig sowohl zur Konservierung von Obst und Gemüse der zahlreichen Wolfenbütteler Gärtnereien verwenden als auch für den Bergbau im nahe gelegenen Harz“. Curt Mast (1897-1970) trat bereits im Alter von 16 Jahren in das Unternehmen seines Vaters Wilhelm ein und übernahm 1917 vollständig das Geschäft. Er stellte 1922 die Essigproduktion ein und konzentrierte sich zunächst auf den Weinhandel.

Die Entwicklung des Jägermeisters

Curt Mast faszinierte die Entwicklung und Herstellung von Spirituosen. Er war zudem leidenschaftlicher Jäger und schätzte insbesondere die geselligen Momente nach der Jagd und suchte hierfür nach einem geeigneten Kräuterlikör. 1934 fand er schließlich die Rezeptur für seinen Kräuterlikör, den er Jägermeister nannte. 1935 kam der Jägermeister – zunächst als Spezialität für Jäger – auf den Markt. Schon bei der Entwicklung des Kräuterlikörs war Curt Mast von Anfang an auf eine gleichbleibend hohe Produktqualität bedacht, 56 natürliche Zutaten bilden bis heute die unveränderte Grundlage des Kräuterlikörs.

Noch vor Marktstart des Jägermeisters machte sich Curt Mast an den Entwurf einer unverwechselbaren Markenpersönlichkeit. Das heute weltberühmte Etikett mit dem legendären Hubertushirsch entwickelte er gemeinsam mit dem Grafiker Günther Clausen, erklärt Eisenblätter und zeigt uns dabei den Erstentwurf des ikonischen Etikettendesigns. „Auf dem Etikett zeigt sich erneut Curt Masts Jagdleidenschaft, schließlich wählte er für den umlaufenden Etikettenspruch den Anfang eines Gedichts des Jagd-Schriftstellers Oskar von Riesenthal: Das ist des Jägers Ehrenschild, daß er beschützt und hegt sein Wild, weidmännisch jagt, wie sich’s gehört, den Schöpfer im Geschöpfe ehrt.“

Gleichzeitig suchte Curt Mast eine besondere Flasche, die hochwertig aber auch stabil sein sollte. Zunächst wurden alle möglichen Flaschenformen einem Bruchtest unterzogen, so Eisenblätter. In seiner Küche ließ Curt Mast eine Flasche nach der anderen auf den Dielenboden fallen. Als äußerst robust erwies sich ein eckiges Modell, das schließlich zur heute weltbekannten Jägermeister-Flasche in markanter Vierkantform wurde.

„Ein, zwei kleine Details unterscheiden diese ersten Flaschen aber doch von der heutigen Jägermeister-Flasche“, weiß Florian Eisenblätter. So bestand die Flasche in den ersten Jahren noch aus durchsichtigem Weißglas und war mit einem Korken verschlossen. Dies änderte sich ab September 1954: Um einen stärkeren Bezug zur Jagd herzustellen, ließ man die Flasche in Jägergrün produzieren. Positiver Nebeneffekt: Das dunkelgrüne Glas ist für die meisten UV-Strahlen undurchlässig und schützt so den wertvollen natürlichen Inhalt.

Spektakuläre Marketingaktionen der 1960er- und 1970er-Jahre

Schon zwei Jahre zuvor, 1952, trat Günter Mast, Neffe des Jägermeister-Erfinders Curt Mast, in das Familienunternehmen ein. Während Curt Mast gemeinsam mit seinem Schwiegersohn Günther Findel stets besonderes Augenmerk auf die herausragende Produktqualität legte, wollte Günter Mast die Marke Jägermeister immer bekannter machen. Daher verfolgte das Wolfenbütteler Unternehmen seit den 1960er-Jahren in Sachen Vermarktungsmethoden einen eigenen Weg, mit dem man sich von der restlichen Spirituosenbranche deutlich absetzte. „Waren die Werbeausgaben zu Anfang der 1950er-Jahre noch verhältnismäßig niedrig, wurden sie unter Günter Mast, der seit 1952 die kaufmännische Leitung innehatte, zügig ausgeweitet“, so Eisenblätter. Bis heute in Erinnerung geblieben sind insbesondere die spektakulären Werbeträger und die prägnanten Werbekampagnen. Zu Beginn der 1960er-Jahre startete das Unternehmen zunächst die Verkehrsmittelreklame: In ganz Deutschland waren Omnibusse, Straßenbahnen, S-Bahnen und Nahverkehrszüge mit Jägermeister-Schriftzügen versehen.

Ein Feld, auf dem das Wolfenbütteler Unternehmen wahre Pionierarbeit leistete, war die Sportwerbung. Ihren Beginn hatte die Jägermeister-Sportwerbung beim berühmten Hahnenkamm-Skirennen in Kitzbühel 1961. Dank der Fernsehübertragung waren die Jägermeister-Plakate an der Piste bis in die deutschen Wohnzimmer sichtbar. Auch in der Bundesliga nutzte man bald die Möglichkeiten der Bandenwerbung. Regelrecht spektakulär stellte sich 1970 die Jägermeister-Bandenwerbung bei der Fußballweltmeisterschaft in Mexiko dar. Weil Jägermeister in Mexiko damals noch gar nicht erhältlich war, waren die deutschen Fußballfans über die Wolfenbütteler Werbung in Mexiko umso erstaunter.
Einen Höhepunkt hatte die Jägermeister-Sportwerbung im ersten Trikotsponsoring der Bundesligageschichte, das sich am 24. März 2023 zum 50. Mal jährte.

Eisenblätter liegen die originalen Schriftwechsel der damaligen Monate im Archiv vor. Zwischen 1973 und 1987 liefen die Spieler von Eintracht Braunschweig mit dem Jägermeister Hubertushirschkopf auf der Brust auf den Platz. Günter Mast bezeichnete das Eintracht Braunschweig-Engagement später als seinen „tollsten Werbegag.“
In die gleiche Zeit fiel auch der Startschuss des Jägermeister-Racing-Teams. Zwischen 1972 und 2000 waren die orangen Jägermeister-Rennwagen in verschiedenen Motorsportklassen zu sehen und zu hören. „Bis heute gibt es eine riesige Fangemeinde dieser orangen, extrem auffälligen Jägermeister-Rennwagen“, freut sich Florian Eisenblätter. Und diese Fans können sich ebenfalls freuen: „Wir haben das Projekt Rennmeister gestartet, mit dem wir die Geschichte des Jägermeister Racing Teams auf Events und Social Media präsentieren.“

Das Instagram-Profil lautet @rennmeister72.

Als ein weiteres Beispiel dieser spektakulären Werbe- und Marketingaktionen gilt die berühmte „Ich trinke Jägermeister, weil…“-Werbekampagne mit über 3.500 verschiedenen Anzeigen alleine in Deutschland ab 1973. Selbstverständlich liegen alle Anzeigen im Historischen Archiv des Unternehmens in Wolfenbüttel vor.

Aus Wolfenbüttel in die Welt

Für den heutigen Erfolg des Jägermeisters war der Beginn des Exports von entscheidender Bedeutung. Der Startschuss für einen der heute größten Jägermeister-Märkte beispielsweise, die USA, fiel in den frühen 1970er-Jahren. Zum Teil musste sich die Marke Jägermeister erst ihren eigenen Weg bahnen, schließlich ist die Kategorie des Kräuterlikörs in vielen Märkten eher unbekannt, konnte dann aber von den internationalen Ideen und Konzepten oftmals profitieren. So stammten beispielsweise die Ideen des Einsatzes von Tap Machines (Zapfanlagen für eisgekühlten Jägermeister in Clubs und Bars), Jägerettes (einer Party-Promotiontruppe) sowie eines intensiven Musikengagements ursprünglich aus den USA und wurden ab Ende der 1990er-Jahre dann auch in Deutschland und weiteren Märkten eingesetzt, um das Jägermeister-Markenimage drastisch zu verjüngen.

Zwei Protagonisten dieser Markenverjüngungsphase hängen übrigens bei Jägermeister im Archiv an der Wand: Rudi und Ralph. Die beiden sprechenden Hirschköpfe kommentierten zwischen 1999 und 2009 in Werbespots das Kneipentreiben und errangen damit wahrlich Kultstatus. Zeitgleich beendete das Wolfenbütteler Unternehmen mit der Jahrtausendwende sein Sponsoring im Sportbereich. Inspiriert durch die Erfolge in den USA, gewann das Musik- und Festival-Engagement zunehmend an Bedeutung. Der Jägermeister Platzhirsch, der mit flammendem Geweih und rauchenden Nüstern 17 Meter hoch über die Festivalgelände ragte, befindet sich allerdings nicht im Historischen Archiv in Wolfenbüttel. „Zur Archivierung des Platzhirsches bräuchten wir wohl einen Anbau“, mutmaßt Florian Eisenblätter mit einem Augenzwinkern.

Bekenntnis zum Standort Wolfenbüttel

Die Mast-Jägermeister SE ist ungeachtet ihres enormen internationalen Erfolges – 2022 wurden 120,7 Millionen 0,7-Liter-Flaschen abgesetzt – fest in Wolfenbüttel verwurzelt. „Jeder Tropfen Jägermeister hat seinen Ursprung in Wolfenbüttel“, erläutert Eisenblätter. Gleichzeitig trägt die Marke den Namen ihrer Heimatstadt in die Welt hinaus. „Schließlich steht Wolfenbüttel als Heimat des Jägermeisters auf dem Etikett einer jeden Flasche.“ 

Dieser Artikel erschien zuerst in der Stadtglanz Print-Ausgabe 27 / Sommer 2023.

Timo Grän

Herausgeber des Stadtglanz und der Service-Seiten. Verbrachte seine ersten Lebensjahre in Sambia und Botswana, bevor er Kind dieser Region wurde. Seitdem ein Förderer des Regionspatriotismus.

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