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HARZGLANZ

1. Dezember 2022

In der Luft liegt die Automobilrevolution

Das VW Interview

(Fotografie: Bastian Bochinski)

Andrea Morgan-Schönwetter leitet seit Anfang 2019 Recruiting und Talent Marketing der Volkswagen AG. Und auf ihrem Schreibtisch liegen mehrere Herausforderungen zugleich:

Reorganisation des Personalbereichs, neue herausforderungen in der Corona-Pandemie, ein Wandel an Arbeitsprofilen und der Ausbruch aus der Männerdomäne. Unser Redakteur Falk-Martin Drescher hat mit Morgan-Schönwetter über diese spannende Transformation gesprochen.

Sie sind vor rund zwei Jahren von der Telekom zu Volkswagen gewechselt. Was war Ihre Motivation, sich für den Autobauer zu entscheiden?

Morgan-Schönwetter Ich bin ein totales Automotiv-Girl. Den Geruch in Produktionshallen habe ich schon immer geliebt. Tatsächlich war mein erstes Auto ein roter VW-Golf und die Chance, bei so einem großen Unternehmen einen Recruiting-Bereich aufzubauen, konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Auch war ich schon immer sehr Auto-affin; und ich freue mich sehr, wenn wir es schaffen, noch mehr Frauen für uns zu begeistern.

Die Automobilbranche befindet sich in einem großen Wandel. Was bedeutet dieser ganze Wandel für die Personal- und Recruiting-Arbeit?

Morgan-Schönwetter Es geht schon lange nicht mehr nur noch um das Bauen der Autos, um Spaltmaße und starke Ingenieurskunst – sondern vor allem auch um dieVernetzung der Fahrzeuge und Organisation der Mobilität. Das bedeutet für mein thematisches Umfeld, dass wir ganz neue Arbeitsmärkte bespielen müssen. Vielen war gar nicht bewusst, dass wir viele Software- und Digitalisierungskollegen benötigen. Und da geht es vor allem um Awareness. Wir wollen bei den Menschen, die sich in diesem Bereich umschauen, als Arbeitgeber überhaupt auf der Landkarte, also im relevant-set der Zielgruppe auftauchen, landen. Und, ganz ehrlich: Ganz gleich welche Branche, alle suchen IT-ler. Man ist somit einem ganz anderen Wettbewerb ausgeliefert. Ich denke dabei, dass wir mit Themen wie Digitalisierung, Mobilität & Co. definitiv nochmal ganz andere Akteure ansprechen werden.

Was waren – auf Ihrem bisherigen Weg bei Volkswagen – aus Ihrer Sicht wichtige Meilensteine?

Morgan-Schönwetter Die Veränderung im Personalbereich, ja im Grunde die ganze Reorganisation, war ein riesengroßer Meilenstein. Und dann kam mit COVID während dieses Prozesses noch eine ganz andere Herausforderung auf uns zu, die Situation hatte sich noch einmal gänzlich verändert. Ich denke auch, dass wir mit unserem Arbeitgeberauftritt einen großen Schritt gemacht haben. Letztendlich geht es da um die bereits erwähnte Awareness. Da läuft in Berlin plötzlich eine große Kampagne, dass Wolfsburg gar nicht weit weg sei und man dort problemlos mit der Bahn hinfahren kann. Solche Ansätze hat man uns früher nicht so zugetraut.

War und ist die Pandemie für die Transformation in Ihrem Bereich eher ein Bremser – oder gar Beschleuniger?

Morgan-Schönwetter Ich würde sagen, dass sie tatsächlich ein Booster war und ist. Natürlich bleibt das zentrale Thema – der Bau der Fahrzeuge – immer an das Werk gebunden. Dafür hat die Pandemie die Erkenntnis mit sich gebracht, dass IT-technisch viel mehr möglich ist. Plötzlich konnten sehr viel Beschäftigte von zu Hause arbeiten; vorher hätte man das überhaupt nicht geglaubt. Wir haben in unserem Bereich ohnehin Kollegen, die etwa in Hannover oder Kassel sitzen, insofern hat das diesen Weg des kollaborativen, virtuellen Zusammenarbeitens gut beschleunigt. Als ich anfing, war ich die Einzige, die regelmäßig zwei Tage die Woche von Berlin aus gearbeitet hat. Früher war man diesen Umstand betreffend eher etwas verwirrt und fand es vielleicht noch komisch, heute ist es normaler.

Wenn ich Kollegen suche, die in immer agileren Strukturen arbeiten werden, verändert sich ja gewiss auch das Anforderungsprofil in puncto Mindset, oder?

Morgan-Schönwetter Absolut. Ich würde sogar sagen, dass die Mindset-Frage da ganz wesentlich ist. So geht es sehr stark darum, wie das eigene Selbstverständnis von Arbeit aussieht. Lieber selbstverantwortlich arbeiten – oder benötige ich jemanden, der mir stets sagt, was ich zu tun habe? Es gibt nicht diesen einen Experten: stattdessen agieren die Kollegen kollaborativ zusammen und erreichen gemeinsam das Beste, etwa für den Kunden. Werte wie Offenheit, Mut und Respekt sind da ausgesprochen wichtig. Was man aber nicht vergessen darf: Damit Entscheidungen selbst getroffen werden können und derjenige nicht darauf wartet, dass es jemand anderes tut, ist es wichtig, die Kollegen auch entsprechend zu bestärken und zu befähigen. Das leisten wir umfassend bei Volkswagen.

Sie haben das vorhin so schön gesagt: Auf der Landkarte der Bewerber landen. Warum sollte ich ausgerechnet bei Ihnen anheuern – und nicht bei Spotify, Amazon oder Google?

Morgan-Schönwetter Die Automobilindustrie steht gerade vor einer Revolution. Die Transformation wird riesig. Wir sind gerade dabei, eine ganze Industrie zu verändern. Dabei kann ich viel mitgestalten: Unsere Unternehmen in die digitale Welt begleiten, neue Dienste und Services entwickeln, sowie vieles mehr.

Um das Schlagwort der Agilität mal konkret aufzugreifen. Wo etwa lässt sich an einem konkreten Beispiel die Transformation festmachen?

Morgan-Schönwetter Wenn wir Customer Centricity erst meinen, dann müssen wir den Kunden – in unserem Fall den Kandidaten – auch wirklich ins Zentrum setzen und gucken, was er braucht. Da kann ich nicht im stillen Kämmerchen monatelang irgendwas entwickeln und denken: Ja, das wird schon sein, was der Kunde braucht. Stattdessen müssen wir immer wieder mit den Kandidaten ins Gespräch gehen und abfragen: Ist es das, was Du brauchst? Haben wir Dich richtig verstanden? Für uns als Entwickler sind die Dinge logischerweise klar – aber auch für den Anwender? Auf diesen Prozess müssen wir interaktiv gemeinsam draufschauen. Dafür müssen wir sehr nah beim Kunden bleiben.

Das Thema der Diversität liegt Ihnen am Herzen, vorhin haben Sie auch schon die Männerdomäne angesprochen. Wie lässt sich dieser Zustand aufbrechen?

Morgan-Schönwetter Hierbei geht es insgesamt um das Digitalisierungs- sowie IT-Thema. Wir müssen es als Gesellschaft schaffen, jungen Frauen klarzumachen, dass wenn nur Männer die digitale Welt gestalten, sie auch nur Männern gefallen wird. Wenn wir Diversität wirklich wollen – nicht nur der Diversität wegen, sondern auch weil Produkte und Services so einfach besser werden –, dann müssen wir es schaffen, Mädchen schon in der Kita und Schule für MINT-Fächer zu begeistern. Und wir bei Volkswagen machen gerade im Bereich Diversity schon sehr viel, worüber ich mich sehr freue und stolz bin. Frauen als Berufseinsteigerinnen haben enorme Chancen bei Volkswagen.

Ich habe zum Schluss noch eine Frage mit Blick auf die Region. Sie haben Ihren Lebensmittelpunkt in Berlin, haben insofern auch einen Außenblick. Welche Stärken könnten Wolfsburg und Region noch besser ausspielen?

Morgan-Schönwetter Tatsächlich glaube ich, dass ganz viele Dinge, die in der Region passieren, vielen überhaupt nicht klar sind. Ich erfahre etwa über das Regionalmarketing der Wolfsburg AG Dinge, von denen ich zuvor noch nie gehört habe. Was hier so alles passiert – sei es etwa in der Start-up-Szene – gelangt noch nicht so recht über den Rand von Niedersachsen hinaus. Da lässt sich sicherlich noch viel machen: InnvationsPprojekte, Coworking, Forschung, Bildungsprojekte – es ist alles da, aber man muss die Themen einfach noch deutlicher positionieren. Übrigens: Die Region Wolfsburg/Braunschweig wird krass unterschätzt, was die Lebensqualität angeht. Kurze Wege, gute Infrastruktur und viel Grün – gerade junge Familien wissen das immer mehr zu schätzen. Jeder weiß, dass die Start-up-Szene in Berlin groß ist. Warum? Weil einfach so viel darüber gesprochen wird.

Falk-Martin Drescher

studierte Stadt- und Regionalmanagement und ist gelernter Quartiersmanager, engagiert sich selbst ehrenamtlich als Vorstandsvorsitzender des Braunschweiger Kultviertels. Im Medienbereich selbstständig, neben seiner journalistischen Tätigkeit als Konzepter, Moderator und im Bereich Influencer Relations aktiv. Mit dem The Dude-Newsletters (www.meett hedude.de) informiert er zudem jeden Montagmorgen über ausgewählte Events und Neuigkeiten aus der Region.

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