Skip to main content

HARZGLANZ

1. April 2020

VFL-Spieler Yannick Gerhardt

Vegan leben

(Fotografie: VfL Wolfsburg)

Ein saftiges Steak, ein fruchtiger Joghurt oder ein herzhaftes Omelett – alles tabu für Yannick Gerhardt. Der 24 Jahre alte Mittelfeldspieler ernährt sich vegan und verzichtet somit auf sämtliche tierischen Lebensmittel. Für das Stadtglanz verrät er, warum er Fleisch, Milch, Eier und Co. von seinem Speiseplan gestrichen hat und erklärt, aus welchem Grund er daraus keine große Sache macht.

Yannick Gerhardt, wie würden dich deine Kollegen beschreiben?

(überlegt) Ich hoffe, dass sie sagen würden, dass sie immer viel Spaß mit mir haben und auch mal gerne mit mir und über mich lachen können. Trotzdem sollten sie auch wissen, dass sie sich immer auf mich verlassen können.

Hast du da nicht irgendetwas vergessen?

Mir fällt jetzt nichts ein.

Veganer haben immerhin den Ruf, dass ihr Ess­verhalten immer im Vordergrund steht und sie auch jedem mitteilen, dass sie auf tierische Produkte verzichten. Du hältst dich aber komplett zurück.

Ich weiß, dass das nicht gut rüberkommt, wenn man das so hervorhebt. Wenn man sich wünscht, dass sich viele so ernähren, wie man es selbst tut, dann setzt man sich über die anderen. Beim ständigen Kommentieren und Drängen schaut man von oben herab. Für mich ist es ganz einfach: Wenn jemand Fragen hat oder sich mit mir darüber unterhalten will, dann setze ich mich mit demjenigen gerne zusammen, aber das ist jedem selbst überlassen. Jeder sollte seine Erfahrungen machen.

Du hast angesprochen, dass deine Kollegen auch mal gerne über dich lachen. Musst du dir manchmal Scherze über deine Ernährung anhören?

Ja, teilweise schon, aber ich habe mit Jay (Brooks, Anm. d. Red.) einen veganen Mitstreiter im Team. Dass wir uns vegan ernähren, wird akzeptiert und auch an­erkannt. Unser Koch weiß auch Bescheid und macht immer etwas Gutes für uns. Man sieht ja auch, dass es uns auf jeden Fall nicht schadet. Manchmal hören wir schon von den Kollegen einen lockeren Spruch, aber das ist alles ertragbar (lacht).

Redet ihr in der Mannschaft viel über Ernährung?

Sicher ist das ein Thema. Wir versuchen uns grundsätzlich auch von Top-Athleten, ich denke da beispielsweise an LeBron James oder Cristiano Ronaldo, die in ihren Karrieren fast nie verletzt waren und auf höchstem Niveau spielen, etwas ab­zuschauen. Wir versuchen auch Lösungen zu finden, wenn jemand muskuläre Probleme oder immer wieder kleinere Verletzungen hat. Wir überlegen, was wir besser machen können. Dabei denken wir dann nicht nur über die Ernährung nach. Wir machen uns Gedanken über den Schlaf oder bestimmte Präventionsmaßnahmen, wie Kälte- und Wärme­becken, die Eis-Sauna oder Stretching.

Du warst selbst in der letzten Saison wegen eines Syndesmosebandrisses drei Monate außer Gefecht gesetzt. Hast du dein Essverhalten in der Pause geändert, um schneller fit zu werden?

Natürlich habe ich, als ich noch auf Krücken angewiesen war, nicht mehr so viel gegessen, weil ich auch nicht mehr so viel verbrannt habe. Entscheidender war für mich aber, komplett auf Süßigkeiten oder fettiges Essen zu verzichten. Ich habe versucht, meinem Körper Giftstoffe zu ersparen. Alkohol wäre zum Beispiel das Schlimmste, was man seinem Körper antun kann, wenn man verletzt ist, weil der Körper dann nur damit beschäftigt ist, dieses Gift loszuwerden. Die Ernährung ist in einer Verletzungspause sehr wichtig. Man kann nicht einfach denken: Ich bin eh verletzt und dann ist es egal, was ich esse. Ich habe versucht, so gut wie möglich zu leben und ich denke, dass ich für die Art der Verletzung eine schnelle Genesung hatte. Ich bin jedenfalls ganz zufrieden damit, wie es abgelaufen ist.

Wann und aus welchen Gründen hast du dich dazu entschlossen, vegan zu leben?

Das war kurz vor der Europameisterschaft 2017. Ich habe mir damals eine Doku bei Netflix über dieses Thema angeschaut und Daniel Didavi, der damals noch beim VfL gespielt hat, hat gleichzeitig ein Buch über vegane Ernährung gelesen. Dann haben wir uns gesagt: Wir versuchen es einfach mal. Für Daniel war es viel wichtiger, weil er mit großen Knieproblemen zu kämpfen hatte und er gehört hatte, dass diese pflanzenbasierte Ernährung das verbessern könnte. Bei ihm waren von Anfang an direkt erhebliche Verbesserungen zu erkennen. Ich hatte zum Glück nie solche Probleme, habe es dann aber einfach mitgemacht und wir waren beide sehr zufrieden damit. Natürlich war das anfangs eine riesige Umstellung, weil wir es auch gewohnt waren, immer Fleisch, Fisch oder andere tierische Produkte zu essen. Deswegen haben wir uns vorbehalten, an einem Tag in der Woche tierische Produkte essen zu können. Auf diesen Tag habe ich mich anfangs immer sehr gefreut (lacht). Aber je mehr ich darüber gelesen habe, desto mehr habe ich mich damit identifizieren können, ganz darauf zu verzichten. So wurde es dann auch leichter.

Das heißt, du vermisst tierische Lebensmittel gar nicht mehr?

Wenn ich richtig Hunger habe und es keine Aussicht auf Essen gibt, dann denke ich schon kurz daran. Aber ich habe mich schon so gut an veganes Essen gewöhnt,dass ich vor allem Fleisch gar nicht mehr brauche. Lasagne, mein Lieblingsessen als Kind, vermisse ich nicht mehr so wie früher.

Welche Reaktionen gab es von deiner Familie und deinen Freunden?

Meine Eltern haben gleich Rücksicht auf mich genommen und von sich aus veganes Essen für mich gemacht. Bei meinen Freunden waren die Reaktionen am Anfang nicht so positiv. Ich habe dann lange mit ihnen geredet und erklärt, warum ich das mache. Es ist ja nicht so, dass ich damit auffallen oder als etwas Besseres dastehen möchte, sondern ich habe mich einfach dazu entschlossen, weil es besser für mich ist. Und das ist natürlich auch für meine Freunde okay.

Du versuchst weitestgehend, dich fettarm und zuckerfrei zu ernähren. Was isst du am liebsten?

Ich mag die asiatische Küche sehr, zum Beispiel Sushi. In Berlin gibt es ein tolles Restaurant, in dem es asiatische Tapas gibt. Das ist ganz gut. Ingwer finde ich als Getränk oder Tee sehr gut, pur ist er mir allerdings zu scharf. Avocados esse ich auch gerne. Zum Frühstück mache ich mir eigentlich immer eine Acai-Bowl.

Hängt deine Ernährungsumstellung für dich unmittelbar mit deiner Leistung zusammen?

Ich weiß ja, dass es andere Top-Athleten gibt, die sich nicht vegan ernähren. Deswegen denke ich, dass das einfach für mich gut passt. Ich fühle mich gut im Spiel, bin fit. Es liegt in meiner Verantwortung, mich in die beste Ausgangs­situation zu bringen, um meine Leistung abrufen zu können. Das Fußballerische hat aber nichts mit der Ernährung zu tun.

Wagen wir mal einen Blick in die Zukunft. Wenn du in vielen Jahren deine hoffentlich sehr erfolgreiche Profi-Karriere beendest: Bleibst du Veganer?

Diese Frage habe ich mir auch schon selbst gestellt. Ich glaube, dass ich das so durchziehen werde. Vielleicht mache ich auch selbst mal ein Café auf oder bringe ein veganes Produkt auf den Markt. Ich würde es sehr interessant finden, etwas für die Umwelt und die Gesundheit zu tun. Einfach mal abwarten.

 

Dieser Artikel erschien zuerst in der Stadtglanz Print-Ausgabe 15 / April 2020.

Mehr aus dieser Rubrik





Zur Startseite