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HARZGLANZ

10. Oktober 2022

Kunst-Geschichten erzählen

Raum für ästhetische und bewegende Werke – im Kunstmuseum Wolfsburg

(Fotografie: Marek Kruszewski, Joachim Lührs)

Im Kunstmuseum Wolfsburg werden Ästhetik und kunstvolle Kreationen der Öffentlichkeit in ihren schönsten Formen zugänglich gemacht – aber nicht nur das: Ein wesentlicher Grund, warum Dr. Andreas Beitin sich 2019 entschloss, die Leitung zu übernehmen, sind die „brisanten aktuell wichtigen Themen“, die hier ebenfalls eine Bühne beziehungsweise eine Ausstellungsfläche bekommen. Im persönlichen Gespräch mit Redakteurin Lina Tauscher verrät er, um welche Themen es geht, warum nachhaltiges Wirtschaften Museen vor ein Dilemma stellt und weshalb die nächste Ausstellung jahrelange Vorbereitungszeit gebraucht hat, ihm aber ein ganz besonderes Herzensanliegen ist.

„Wir können die Welt nicht verändern, aber…“

Klimawandel, Energiekrise, Ressourcenknappheit und gesellschaftliche Missstände – Themen, die uns überall auf dem Planeten begegnen. So bewusst uns diese Problematiken einerseits auch sind, so schwer greifbar sind sie auf der anderen Seite. Diverse KünstlerInnen drücken ihre Gedanken und Gefühle zu Themen wie diesen in ihren Werken aus – die wiederum im Kunstmuseum ausgestellt einen weiteren Zugang fernab der standardisierten Nachrichtenvermittlung schaffen können. Ästhetik, kulturelle, kulturwissenschaftliche und gesellschaftspolitische Themen finden hier ihren Platz. So wurden beispielsweise im Rahmen einer Erdöl-Schau fossile und in der Ausstellung „Macht! Licht!“ elektrische Ressourcen in den Fokus gerückt. „Uns ist natürlich bewusst, dass wir die Welt nicht verändern können, aber wir tragen unseren Teil zu einer aufgeklärten Gesellschaft bei“, schildert der Museumsleiter.

Die nächste Ausstellung zum gesellschaftspolitisch-polarisierenden Thema „Empowerment“ wird nach langer Vorbereitungszeit im September eröffnet. Andreas Beitin hatte die Idee bereits 2018, noch bevor er überhaupt im Kunstmuseum anfing. Die Möglichkeiten, auch kritische Themen hier umsetzen zu können, haben ihn gereizt und fordern vollstes Engagement. „Die Ausstellung liefert einen progressiven Ansatz, die Gesellschaft mithilfe von Kunst zu analysieren und mit planetarischen Ansätzen Konzepte für ein besseres Zusammenleben zu liefern“, schildert Beitin. Die lange Vorlaufzeit ist auch damit zu begründen, dass eine möglichst ganzheitliche Perspektive eingenommen werden soll: Globale Missstände in Form von der Unterdrückung des weiblichen Geschlechts finden in anderen Teilen der Welt in einem uns hierzulande unvorstellbaren Ausmaß statt. KünstlerInnen aus aller Welt reagieren auf gesellschaftliche Missstände in ihren Werken, die Beitin in Kooperation zusammen mit seinem kuratorischen Team mit weiteren ExpertInnen ins Museum nach Wolfsburg holt. „International wird das die erste Ausstellung sein, die sich in diesem Umfang feministisch orientierter Kunst des 21. Jahrhunderts widmet und diesesm vielseitigen und wichtigen Thema so umfangreich mit Sichtweisen Perspektiven aus rund 50 Ländern aufzeigt“, begeistert sich der Kunstwissenschaftler.

Das Nachhaltigkeits-Dilemma

Neben der Begeisterung für die Gestaltung und Organisation der Ausstellungen sind auch einige Herausforderungen zu meistern – sich an die Vorgaben des Museumsbundes zu halten und trotzdem nachhaltigkeitsorientierte Entscheidungen zu treffen, ist eine davon. Zur bestmöglichen Erhaltung der Kunstwerke sei es beispielsweise notwendig, in Kunstmuseen an 365 Tagen im Jahr eine Temperatur zwischen 19 und 21 Grad sowie eine Luftfeuchtigkeit von 55 Prozent zu gewährleisten. „Das stellt uns vor ein Dilemma: Wir wollen nachhaltig wirtschaften und Energie sparen, können diese Temperatur aber ohne eine permanent laufende Klimaanlage natürlich nicht halten. Meiner Meinung nach wird es höchste Zeit, einige Vorgaben zu prüfen und Alternativen zu finden“, erklärt der Museumsdirektor, der auch privat eine nachhaltige Lebensweise vorzieht, indem er sich vegetarisch ernährt, keine Flugreisen macht und in der Stadt nur noch mit dem Fahrrad unterwegs ist.

Auf diese Aspekte zu verzichten, sieht er allerdings nicht als Einschränkung an. Um nicht nur mit seinem persönlichen ökologischen Fußabdruck so minimal wie möglich aufzustampfen, integriert er auch alternative logistische Lösungen im Bereich Mobilität im Kunstmuseum: Wenn globale Transporte unumgänglich sind, wird z.B. häufiger Seefracht dem Flugtransport vorgezogen.

Außerdem gibt es Materialien und Equipment für Ausstellungen wie Wandsysteme, Teppiche und oder Vitrinen, die eingelagert und wiederverwendet werden können. Für Außentermine verfügen die Mitarbeitenden des Kunstmuseums über ein Elektroauto. Während der Pandemie wurde außerdem sichtbar, dass einige Meetings und Absprachen einfacher und umweltschonend auf digitalem Wege erfolgen. Außerdem wurde im Zuge der Einschränkungen im Lockdown das Format „Studio Digital“ mit und für SchülerInnen kreiert, mit dem diese neben virtuellen Rundgängen und Informationen auch selbst kreativ werden können. In einer digitalen Galerie können Kunstwerke und Skulpturen von den SchülerInnen erstellt und abgespeichert werden. Die extra entwickelte Open-Source-Software können alle interessierten Schulen und auch andere Museen kostenfrei nutzen und herunterladen. „Das Format wird so gut angenommen, weil es nicht nur für, sondern gemeinsam mit Schülern und Schülerinnen konzipiert wurde. Auch wenn es den persönlichen Museumsbesuch nicht ersetzen kann, bietet es viele Vorteile, Kunst virtuell kennenzulernen und mitzugestalten“, meint der Museumsleiter, der immer offen für innovative Formate und Ideen ist.

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