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HARZGLANZ

2. August 2022

Reisen ohne Hast

Eine Winterflucht nach Florenz

(Fotografie: Ponte Vecchio/Klaus Buhlmann, Stefan Zwilgmeyer)

Bei früheren Besuchen habe ich Florenz als hektisch, heiß, stickig und voller Menschen wahrgenommen. Jetzt, im Ausklang des Winters erfüllt die Stadt mühelos meine Sehnsucht nach Ruhe und Muße.

Das Geläut des Doms

mischt sich in die Ruhe des edlen Hotel Savoy und wird zum Begleiter ausklingender Träume. Ein lang gehegter Wunsch hat sich erfüllt. Florenz im aus­klingenden Winter zu erleben. Eine Suche nach Wärme, Entspannung, Kunst und Genuss.

Anfang März, wenn uns der Winter einfach nicht loslassen will, wird die Sehnsucht nach italienischem Lebensgefühl übermächtig. Endlich mehr Licht, Frühling, Pasta – Leben und leben lassen. Dabei hatte man mich gewarnt. Vor nebligtrüben Tagen, einem nasskalten Klima, das angeblich auch die Städte Italiens so früh im Jahr gefangen hält.

Nach Monaten voller Frost und Dunkelheit erreiche ich nach nicht mal zwei Flugstunden Florenz. Es ist sonnig und warm. „Buon giorno“ grüßt ein mit kurzem Hemd, karierter Sommerhose und Sandalen gekleideter Taxifahrer. Gleichzeitig spüre ich seinen mitleidigen Blick. Auf meinen Wollmantel, den Schal und meine Winterhandschuhe. Welch ein Kontrast.

Im Hotel Savoy empfängt mich der Concierge Ruggero Vannini. Er kennt sich aus, ist bestens vernetzt, lebendiger Wegweiser für unvergessliche Erlebnisse.

Das elegante Hotel besticht durch seine Lage an der Piazza della Republica. Mühelos erläuft der Reisenden von hier aus alle Sehenswürdigkeiten. Sir Rocco Forte und seine Schwester Olga Polozzi, die schon mit einer Reihe von First-Class-Häusern in Europa glänzen, haben mit der Übernahme dieses Luxushotels die feine englische Art in der Toskana etabliert.

Noch vor dem Frühstück zieht es mich am nächsten Morgen hinaus zu einem ersten Spaziergang, nur um mir gleich am Tresen des gegenüber gelegenen Caffe Gilli einen ersten Espresso zu gönnen. Das „Gran Caffe-Pasticceria“ gilt als besonderes Juwel unter den Kaffeehäusern der Stadt. Es steht für Muße und Kreativität und gilt seit jeher als exklusiver Zufluchtsort für betuchte Reisende, für Literaten, Künstler und Ästheten.

Frühmorgens, schon jetzt ist der Tresen umlagert. Ein Anzugträger auf dem Weg zur Arbeit wirft einen ersten Blick in die Tageszeitung, vor sich einen Cappuccino. Der Briefträger unterhält sich beim Lungo mit Männern in Monteurskluft. Dicht daneben lehnt eine elegant gekleidete Signora, die beim Ausführen ihres Hündchens auf einen Ristretto vorbeischaut.

„Un caffe, un doppio per favore“. Gelassen bedient der Barista die riesige Gaggia-Maschine, verhätschelt das Gerät wie eine Diva. Gegossene Zuckerdosen ruhen schwer und bauchig auf der breiten Marmortheke. Edle Hölzer, poliertes Messing, facettierte Spiegel ringsum. Nichts erinnert hier an den schlichten Kaffeeausschank heimischer Städte.

Ich ziehe weiter. In klarer Frühlingsluft auf gepflasterten Gassen. Vorbei an eng aneinandergereihte Palazzi, Kirchen, Marktständen, über stillen Plätzen. Die tiefstehende Sonne sucht sich ihren Weg zwischen den Silhouetten ehrwürdiger Häuser.

Ladenbesitzer putzen ihre Boutiquen. Abgesehen von gelegentlich vorbei knatternden Piaggios kein störender Lärm. Keine Massen oder Bustouristen, die die fast schon melancholische Stimmung stören könnten. Spätestens zu Ostern wird sich das ändern.

Bei früheren Besuchen habe ich Florenz als hektisch, heiß, stickig und voller Menschen wahrgenommen. Jetzt, im Ausklang des Winters erfüllt die Stadt mühelos meine Sehnsucht nach Ruhe und Muße.

Sogar vor den Uffizien, dem berühmten Museum: Leere. Wo im Sommer dicht gedrängte Massen in quälender Hitze stundenlang auf Einlass warten. Freundlich lächelnd, als wäre ich heute ihr erster Gast, schiebt mir die Kassiererin das Billett zu.

Im Innern die Meisterwerke von Carrravagio, von Tizian, Michelangelo oder Raffael. Schönheit wohin man schaut. Vor Botticcellis „Geburt der Venus“ verweile ich lange auf einer Bank. Keine vorwärts drückenden Menschentrauben mindern den Kunstgenuss, niemand, der sich störend vor das Bild schiebt.

Am Nachmittag liegt der Geruch von Holzfeuer über dem Viertel Santo Spirito , dem Quartier der Kunsthand­werker, der Antiqitätenhändler und preiswerten Restaurants. Beim Betreten eines Alimentari ziehe ich unwillkürlich den Kopf ein. Schinken, Würste und Knoblauchzöpfe baumeln locker von der Decke. In den Regalen lagern Brote neben Dutzenden von Käsesorten. Gegen den kleinen Hunger gibt’s hier das Panino, ein edel belegtes Brötchen.

Gute Restaurants finden sich in allen Preisklassen. Gleich hinter dem Palazzo Vecchio stoße ich auf die „Trattoria Anita“ Wenn Kellner Enzo die Tagesempfehlung aufsagt, klingt das wie eine philosophische Offenbarung. Und wir schauen gern zu, wie er Speisen und Geschirre zu den Gästetischen jongliert. Immer bedacht auf das gefällige Äußere, die „bella figura“.

Am Vorabend der Abreise treffe an der Hotelbar Concierge Vannini zur einer letzten Plauderei. Augenzwinkernd besteht er darauf, dass seinen Landsleuten nicht nur das Bewusstsein für Stil in die Wiege gelegt sei: „Wissen sie, wir Italiener produzieren eben die schicksten Autos, kochen das beste Essen und haben nun einmal die schönsten Frauen und die natürlich besten Mütter. Punkt!“

Wenn sich die Lichter der vor uns liegenden Piazza im Fenster spiegeln, mit einem klassischen Americano im Glas, sind alle Zweifel verflogen. Ja, es hat sich gelohnt, Florenz gerade jetzt zu erleben. Ich habe sie neu entdeckt, diese Perle der Toskana und sie hat mich verzaubert.

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