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HARZGLANZ

14. April 2022

Wenn das Schicksal entscheidet

Die Geschichte, sie ist schon einige Male erzählt worden:

(Fotografie: Dirk Wink-Hartmann)

Dirk Wink-Hartmann, Gründer und damaliger Geschäftsführer des Braunschweiger Konzertveranstalters undercover – steigt nach einem Burnout aus dem aktiven Geschäft aus. Er entdeckt in der Zeit die malerei für sich. Nicht als Freizeitgestaltung: Sondern als Passion, als Leidenschaft. Und Job.

Wenngleich Themen wie Burnout heute mehr in den Fokus gerückt werden, fällt es vielen dennoch schwer – ob Arbeitgebern oder auch Freunden – damit angemessen umzugehen, geschweige denn es frühzeitig zu erkennen. Warum ist das so? Diese Frage wird auch Wink-Hart-mann oft gestellt. Wir trafen ihn bei seiner Ausstellung in der WelfenAkademie für ein Interview.

Dirk, was bedeutet es für Dich, künstlerisch aktiv zu sein?

Es ist großartig. Ich genieße es: Nur für sich selber verantwortlich zu sein und die Freiheit zu haben, seine Ideen umsetzen zu können. Das Schöne ist, dass ich von der ersten Idee bis zum fertigen Bild alles in der Hand habe. Oft lasse ich der Kreativität freien Lauf und ein Bild entwickelt sich anders als am Anfang gedacht.

Mit Deinem Schaffen als Künstler verdienst Du Deinen Lebensunterhalt. Professionell erlernt hast Du es vorher nicht. Was geht Dir dazu durch den Kopf?

Am Anfang war nicht daran zu denken, dass die Malerei meine Lebensgrundlage werden würde. Es war ein Teil einer Therapie. Ich finde es immer noch unglaublich, welche Möglichkeiten die Malerei mir eröffnet. Die Resonanz im Jahr 2014 bei meiner ersten Ausstellung im Torhaus am Botanischen Garten hat mich sehr überrascht. Danach war mir klar, dass ich die Chance, als Künstler zu arbeiten, nutzen muss und will.

Wie haben – vor allem in der Anfangszeit – andere, professionelle Künstler auf Deine Arbeit reagiert?

Ich habe ganz unterschiedliches Feedback bekommen. Viel Anerkennung – aber ab und zu war auch etwas Neid dabei.

Hast Du in der Zeit Mal an Deinem neuen Kapitel gezweifelt?

Ich habe das immer als ganz großes Geschenk empfunden, dass sich bei mir diese große Chance aufgetan hat. Das Ganze ist im Fluss – in Bewegung –, immer passiert etwas Neues. Es gibt aber auch Tage, an denen ich an meinen Bildern oder meinem Können zweifle.

Titelthema dieser Ausgabe ist Kulturwandel. Themen wie Burnout & Co. wurden lange belächelt. Heute ist das anders. Nehmen wir derartige Dinge heute ernst genug? Was muss vielleicht noch geschehen?

Ich denke, das Bewusstsein der Umwelt für psychische Erkrankungen hat sich schon gewandelt. Trotzdem ist es immer schwer, Anerkennung für seine Krankheit zu bekommen. Häufig sind die Symptome nicht so eindeutig. Ist die Erkrankung körperlicher oder psychischer Natur?Zweifelsohne ist es für alle einfacher mit einer körperlichen Krankheit umzugehen. Hier liegen greifbare Fakten vor, die jeder nachvollziehen kann. Es ist ganz wichtig, offen damit umzugehen. Sowohl auf Seite von Erkrankten, wie auch auf der Seite von Arbeitgebern und Krankenkassen. Letztendlich kann man nur dannMissstände erkennen und Verbesserungen herbeiführen. Für einen erkrankten Menschen sind ein stabiles Umfeld – Ehepartner, Freunde, Kollegen – sowie Verständnis und Unterstützung enorm wichtig.

Inwieweit kannst Du andere bei ihrem Weg unterstützen oder inspirieren, mit all dem, was Du bisher an Erfahrungen gesammelt hast?

Es kommt immer wieder vor, dass auch fremde Menschen mich ansprechen, denen es nicht gut geht. Die in ähnlichen Situationen stecken. Die von mir wissen wollen, wie das bei mir war, wie ich damit umgegangen bin, was mir geholfen hat. Ich denke schon, dass ich den Betroffenen durch meine Erfahrung etwas helfen kann – aber manchmal reicht es aber auch einfach zuzuhören. Generell ist es für jeden Menschen wichtig, in sich hinein zu hören und bei sich zu sein.

Könntest Du Dir heute noch einen „klassischen“ Bürojob vorstellen?

Ich möchte eigentlich nicht mehr tauschen. Obwohl ich ja auch vorher das Glück hatte, das tun zu dürfen, wofür mein Herz schlägt: Vom Musiker zum Konzertveranstalter. Als Maler bin ich meist Einzelkämpfer. Das Team der Konzert­agentur fehlt mir dabei schon.

Wenn wir uns an einem „Transfer“ versuchen: Was kann man in eher klassischen Berufen von kreativen, freien Berufsbildern wie dem Künstler lernen? Was können wir uns abschauen?

Als Künstler genießt man schon ein sehr freies Leben. Das lässt sich kaum auf einen Berufsalltag übertragen. Dafür sind Themen wie etwa Mobile Arbeit und Gleitzeit schon ganz gute Instrumente, um mehr Work-Life-Balance zu erreichen.

Welche Themen umtreiben Dich in Deinen Bildern heut­zutage ganz besonders? Gibt es bestimmte Schwerpunkte?

Meine letzten Bilder haben sich mit Vergänglichkeit beschäftigt: Das Schöne läuft irgendwie weg – löst sich auf. Es geht um die Sehnsucht, dass der Moment bleibt.

Hast Du Dir einen bestimmten Meilenstein oder ein bestimmtes Ziel gesetzt, das Du mit deinem Schaffen erreichen möchtest?

Mein Ziel ist es, mich immer weiterzuentwickeln und nicht stehenzubleiben. Ein guter Schritt war der Umzug von den privaten Räumlichkeiten in ein eigenes Atelier. Dort finde ich sehr viel Ruhe zum Arbeiten. Nach der vergangenen Ausstellung in der WelfenAkademie möchte ich nun erst einmal viele neue Bilder malen. Ich beschäftige mich zudem gerade mit einer Anfrage für eine Ausstellung im Ausland, die für mich ein richtiger Ritterschlag wäre.

Falk-Martin Drescher

studierte Stadt- und Regionalmanagement und ist gelernter Quartiersmanager, engagiert sich selbst ehrenamtlich als Vorstandsvorsitzender des Braunschweiger Kultviertels. Im Medienbereich selbstständig, neben seiner journalistischen Tätigkeit als Konzepter, Moderator und im Bereich Influencer Relations aktiv. Mit dem The Dude-Newsletters (www.meett hedude.de) informiert er zudem jeden Montagmorgen über ausgewählte Events und Neuigkeiten aus der Region.

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